Das illegale Hochladen von Videos auf Youtube – oder anderer rechtsverletzender Inhalte auf Online Plattformen – ist immer wieder ein Fall vor Gericht. Heute entschied der EuGH über Haftung oder Haftungsbefreiung von Youtube/Google für illegales Hochladen von geschützten Videos. Kurz gesagt: das hängt davon ab…
Die sechs Fragen, der EuGH dazu heute beantwortete, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt. Sie betreffen die Problematik der Haftung der Betreiber von Online-Plattformen bei urheberrechtlich geschützten Werken, die auf diesen Plattformen von deren Nutzern rechtswidrig online gestellt werden. Kann man Youtube/Google direkt haftbar machen für die über sie verbreiteten öffentlichen Rechtsverletzungen?
Youtube: illegales Hochladen wird nicht geprüft
In der Sache geht es um die Praxis der Video Plattform Youtube, mit seiner Plattform gezielt Werbung zu erzielen, dabei das Hochladen von Videos automatisch und ohne Kontrolle zu erlauben und für die Dauer der Einstellung des Videos eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz an den Videos zu verlangen. Dagegen gibt es keine Prüfung von illegalem Hochladen (zwar bietet Youtube registrierten Unternehmen zusätzliche Tools zu Überwachung von illegalen Inhalten („Content Verification Program“ und „Content ID“ zur Wiedererkennung von Inhalten, nicht aber für Privatpersonen)). Lediglich in den Nutzungsbedingungen gibt es den Hinweis, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht eingestellt werden dürfen.
Haftung von Youtube/Google?
Das wirft vor allem die Frage der Haftung auf: liegt eine Primärhaftung als Betreiber dieser Videoplattform vor? Oder handelt es sich um eine Sekundärhaftung dieser Plattform Betreiber für Urheberrechtsverletzungen der Nutzer ihrer Plattformen? Oder gilt für Plattform Betreiber eine Haftungsbefreiung als Anbieter eines ‚Dienstes der Informationsgesellschaft“?
Im konkreten Fall wurden von Youtube Nutzern Video Mitschnitte aus dem Album und von einem Konzert von Sarah Brightman in Bezug auf ihr Album „A Winter Symphony“ auf Youtube hochgeladen, an denen der deutsche Kläger Herr Petersen Urheberrechte und verwandte Schutzrechte hält. Zwar entfernte Youtube die konkret beanstandeten illegalen Videosequenzen, hinderte ihre Nutzer aber nicht daran, weitere Videos in Bezug auf ihr Album „A Winter Symphony“ auf Youtube hochzuladen.
Haftung von Youtube – durch alle deutschen Gerichtsinstanzen
Die rechtliche Auseinandersetzung darum ging bereits durch alle deutschen Gerichtsinstanzen; im Raum stehen Pflichten für Youtube, die beanstandeten Veröffentlichungen zu unterbinden, zudem ein möglicher Anspruch auf Schadensersatz. Letztlich hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Fragenkonstellation als Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof gestellt, die eine Auslegung mehrerer EU Richtlinien erfordert: Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft und des elektronischen Geschäftsverkehrs, Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums.
Im letzten Jahr hat dazu der Generalanwalt Saugmandsgaard seinen Schlussantrag vorgetragen (16. Juli 2020, EU:C:2020:586). Er empfahl dem EuGH zu entscheiden, dass Betreiber von Plattformen wie YouTube grundsätzlich keine Handlungen der „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2001/29 vornehmen und daher für einen Verstoß gegen diese Bestimmung nicht unmittelbar haften, wenn ihre Nutzer geschützte Werke rechtswidrig online stellen.
Keine „öffentliche Wiedergabe“ – keine Haftung von Youtube
Heute nun hat der EuGH dazu sein Urteil gesprochen (EU:C:2021:503). Wie schon der GA sieht auch der EuGH keine „öffentliche Wiedergabe“ der Inhalte im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2001/29, es sei denn, der Plattform Betreiber trägt über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen illegalen Inhalten zu verschaffen. Konkret ist das der Fall, wenn der Plattform Betreiber konkret Kenntnis hat von einer Rechtsverletzung und diesen illegal hochgeladenen Inhalt nicht unverzüglich löscht oder den Zugang zu ihm sperrt, urteilte der EuGH.
Zudem sei das auch der Fall, ergänzte der Europäische Gerichtshof, wenn der Plattform Betreiber nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift (mit der gebotenen Sorgfalt), um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen; dies umfasse auch, keine Hilfsmittel auf der Plattform zu bieten, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind. Allerdings können Plattform Betreiber ihre Pflicht nur in Bezug auf konkrete Inhalte erfüllen, betonte der EuGH. Die Tatsache, dass Youtube eine automatisierte Indexierung der auf diese Plattform hochgeladenen Inhalte vornimmt und Videos nach Maßgabe des Profils oder der Präferenzen der Nutzer empfiehlt und auch das Teilen von Inhalten ermöglicht, reicht nach Ansicht des Gerichts nicht für die Annahme aus, die Plattform habe eine „konkrete“ Kenntnis von rechtswidrigen Tätigkeiten.
Haftungsbefreiung für Plattform Betreiber – wenn ohne Kenntnis
Grundsätzlich falle die Tätigkeit des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform durchaus unter „Dienste der Informationsgesellschaft“ gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG, insofern gilt für Plattform Betreiber eine Haftungsbefreiung, erläuterte der EuGH. Das aber gelte nur dann, sofern dieser Plattform Betreiber keine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von den auf seine Plattform hochgeladenen Inhalten oder Kontrolle über sie verschafft. Eine Haftungsbefreiung ist ausdrücklich ausgeschlossen, wenn der Plattform Betreiber Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Handlungen seiner Nutzer hat wie geschützte Inhalte auf seine Plattform hochzuladen, urteilte der EuGH.
Haftung von Youtube
Der EuGH wies nachdrücklich darauf hin, dass die Meldung eines geschützten Inhalts, der über eine Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform rechtswidrig öffentlich wiedergegeben wurde, ausreichende Angaben enthalten muss, um es dem Betreiber dieser Plattform zu ermöglichen, sich ohne eingehende rechtliche Prüfung davon zu überzeugen, dass diese Wiedergabe rechtswidrig ist und eine etwaige Löschung des betreffenden Inhalts mit der Freiheit der Meinungsäußerung vereinbar wäre.
Kann aber der Inhaber eines Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts eine gerichtliche Anordnung nach nationalem Recht erst dann erlangen, wenn diese Rechtsverletzung vor der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zunächst dem Vermittler / dem Plattform Betreiber gemeldet wurde und wenn dieser nicht unverzüglich tätig geworden ist?
Der EuGH erklärte, diesen Fragen stehe Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 ist nicht entgegen. Es obliege jedoch den nationalen Gerichten, ergänzte der EuGH, sich bei der Anwendung einer solchen Voraussetzung zu vergewissern, dass die tatsächliche Beendigung der Rechtsverletzung nicht derart verzögert wird, dass dem Rechtsinhaber unverhältnismäßige Schäden entstehen.
Schlussendlich, so stellte der EuGH fest, müsse der BGH als vorlegendes Gericht im Rahmen seiner Prüfung von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie feststellen, ob YouTube über die bloße Bereitstellung ihrer Plattform hinaus dazu beiträgt, der Öffentlichkeit unter Verletzung des Urheberrechts geschützte Inhalte zugänglich zu machen. Sollte das der Fall sein, kann sich Youtube/Google nicht auf Haftungsbefreiung gemäß elektronischem Geschäftsverkehr berufen.
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Quellen:
EuGH Urteil zur Haftung von Youtube/Google, EU:C:2021:503
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