Der EuGH wies die Klage gegen die geschützte Marke einer Reifenrille von Pirelli zurück. Die Kläger beriefen sich vergeblich darauf, der vorinstanzliche EuG habe zu Unrecht entschieden, dass eine einzelne Rille, die die Pirelli Reifenrille darstelle, für sich allein nicht geeignet sei, eine technische Funktion zu erfüllen.
Reifenhersteller Pirelli verteidigte erfolgreich den Markenschutz einer Reifenrille als Unionsbildmarke vor dem höchsten europäischen Gericht (EuGH). Diese Pirelli Reifenrille zeigt die Darstellung einer L-förmige Nut.
Nichtigkeitsabteilung und Beschwerdekammer des EUIPO hatten die Markeneintragung der Pirelli Reifenrille zunächst für ungültig erklärt in Bezug auf „Reifen, Vollreifen, Halblast- und Luftreifen für Fahrzeugräder aller Art“ der Nizza-Klasse 12. Doch 2018 hob der EuG diese Entscheidungen auf und bestätigte die umstrittene Markeneintragung insbesondere auch für diese Waren.
Gegen diese Entscheidung klagte Wettbewerberin Yokohama (Japan) vor dem höchsten Europäischen Gericht (EuGH), das jetzt in diesem Rechtsstreit final entschied (EU:C:2021:431). Als Kläger beteiligten sich außerdem auch das Europäische Markenamt (EUIPO) sowie das European Association of Trade Mark Owners (Marques) aus dem UK in zwei verbundenen Rechtssachen (C-818/18 P und C-6/19 P).
Pirelli Reifenrille – mit technischer Funktion?
Wie schon im den Vorinstanzen wurde auch vor dem EuGH wurde einmal mehr die mögliche technische Funktion der Pirelli Reifenrille thematisiert. Formell machten sowohl Yokohama als auch das EUIPO einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 in dem angefochtenen Urteil des EuG von 2018 geltend.
Der EuG habe zu Unrecht entschieden, dass eine einzelne Rille, die die streitige Marke darstelle, für sich allein nicht geeignet sei, eine technische Funktion im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 zu erfüllen, weil die Rille in einem Reifenprofil in Kombination mit anderen Elementen auftrete.
Und mit einem weiteren Rechtsmittelgrund wendete sich Klägerin Yokohama gegen Randnr. 73 des angefochtenen Urteils, in dem das Gericht entschieden hat, dass die Eintragung der streitigen Marke, deren Schutz auf die von ihr dargestellte Form beschränkt ist, nicht geeignet ist, die Wettbewerber von Pirelli an der Herstellung und dem Vertrieb von Reifen zu hindern, die eine identische oder ähnliche Form aufweisen, wenn eine solche Form mit anderen Elementen einer Reifenlauffläche kombiniert wird.
EuGH weist die Klage zurück
Doch der EuGH wies alle Einwände ab. Die Kläger beriefen sich auf eine falsche Auslegung des angefochtenen Urteils. Denn weder Randnr. 55 noch Randnr. 72 des angefochtenen Urteils sei zu entnehmen, dass das Gericht die Möglichkeit ausgeschlossen hätte, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 auf ein Zeichen anwendbar ist, dessen Form zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, die zum Funktionieren einer Ware beiträgt, auch wenn diese Form als solche nicht ausreicht, um die beabsichtigte technische Wirkung dieser Ware zu erreichen.
Der EuGH ergänzte, vielmehr aber habe der EuG in Randnr. 72 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die von Yokohama vor dem EUIPO vorgelegten Beweise nicht belegten, dass eine einzige Rille in der Form, die mit der von der streitigen Marke repräsentierten identisch sei, die in der streitigen Entscheidung angenommene technische Wirkung erzielen könne.
Und diese Feststellung, die sich aus der freien Würdigung der Tatsachen und Beweismittel durch das Gericht (also den EuG) ergibt, könne grundsätzlich nicht mit einem Rechtsmittel in Frage gestellt werden, erläuterte der EuGH.
Widerspruch in der Begründung des EuG?
Es liege auch kein Widerspruch in der Begründung des angefochtenen Urteils, was Klägerin Yokohama ebenfalls geltend machte. Die Klägerin bezog sich vor allem auf Randnr. 51 und 52, nach denen Pirelli nicht bestreite, dass einige ihrer Reifenmodelle auf der Oberfläche des Reifens eine Rille in der durch die streitige Marke dargestellten Form aufweisen. Auch hatte der EuG angemerkt, es sei angesichts der angeführten Rechtsprechung verständlich, dass im EUIPO die Auffassung vertreten war, dass sie eine Rille darstellen könne, die denjenigen ähnlich sei, die auf den von Pirelli vertriebenen Reifen vorhanden seien.
Der EuGH wies jedoch auf die Randnr. 53 des angefochtenen Urteils hin, die durch das Wort „jedoch“ eingeleitet wird. Damit habe der EuG festgestellt, dass die in Randnummer 51 dieses Urteils angeführten Gründe für sich genommen nicht den Schluss zuließen, dass die fragliche Marke einen Reifen oder eine ganze Reifenlauffläche darstelle.
Dies stelle keineswegs einen Widerspruch dar, entschied der EuGH.
Vorwurf der Verfälschung
Ebenfalls ins Leere lief der Vorwurf von Klägerin Yokohama, das EuG Urteil stütze sich auf eine Verfälschung des Sachverhalts. Der EuGH betonte, Yokohama habe nicht genau angegeben, welche Elemente vom Gericht verfälscht wurden. Daraus folge, dass die von Yokohama erhobene Rüge der Verfälschung nicht mit der in Randnr. 50 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung in Einklang steht und daher als unzulässig zurückzuweisen ist.
Ähnliche Form durch Kombination mit Elementen der Reifenlauffläche
Schließlich wendete sich sich Klägerin Yokohama gegen Randnr. 73 des angefochtenen Urteils, in dem der EuG entschieden hat, dass die Eintragung der streitigen Marke, deren Schutz auf die von ihr dargestellte Form beschränkt ist, nicht geeignet ist, die Wettbewerber von Pirelli an der Herstellung und dem Vertrieb von Reifen zu hindern, die eine identische oder ähnliche Form aufweisen, wenn eine solche Form mit anderen Elementen einer Reifenlauffläche kombiniert wird.
Das aber sei nicht rechtsfehlerhaft, urteilte der EuGH. Da es letztlich um eine andere Form als die der streitigen Marke geht, könne sich Pirelli nicht auf diese Marke berufen, um den Vertrieb von Reifen, die diese andere Form aufweisen, zu verhindern.
Und ohnehin sei diese Feststellung des angefochtenen Urteils eine Tatsachenwürdigung durch das Gericht, die im Rechtsmittelverfahren nicht in Frage gestellt werden kann – es sei denn, eine Verfälschung liege vor, erläuterte der EuGH. Die aber wurden weder von Yokohama noch vom EUIPO geltend gemacht.
Die Klage wurde daher vollständig vom EuGH zurückgewiesen und das Urteil des EuG von 2018 bestätigt. Die Pirelli Reifenrille bleibt als Unionsmarke geschützt.
Quellen:
Urteil EuGH „Pirelli Reifenrille“, EU:C:2021:431
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