Reifenhersteller Pirelli verteidigte die Markeneintragung seiner Reifenrillen als Unionsbildmarke vor dem Europäischen Gericht. Im Mittelpunkt stand die Identifizierung der angefochtenen Bildmarke durch das EUIPO.
Pirelli meldete im Juli 2001 eine zweidimensionale Bildmarke an, die einen geneigten Hockeyschläger darstellte – oder eine realistische Darstellung einer auf echten Reifen verwendeten Reifenlauffläche und damit den wichtigsten Teil der Waren „Reifen“ in der Nizza-Klasse 12. So sah es jedenfalls die Streithelferin, The Yokohama Rubber Co. Ltd., und reichte im September 2012 bei der EUIPO einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der angefochtenen Marke ein.
Nichtkeitsabteilung und Beschwerdekammer (28. April 2016 („die angefochtene Entscheidung“)) erklärten die angefochtene Marke für ungültig in Bezug auf „Reifen, Vollreifen, Halblast- und Luftreifen für Fahrzeugräder aller Art“ der Nizza-Klasse 12. Das Hauptmerkmal der fraglichen Marke sei eine L-förmige Nut. Es sei klar, „dass das Zeichen eine Reifenlauffläche und damit den vielleicht wichtigsten Teil der angefochtenen Waren darstelle…. zumindest aus technischer Sicht“.
Angemessene Identifizierung eines Zeichens
EUIPO stellte fest, dass eine Reifenrille kein Produkt ist, da sie kein trennbares Element eines Reifens ist. Das angefochtene Zeichen wurde daher für Reifen eingetragen, d.h. für das Produkt, das die betreffende L-förmige Nut aufweist und bei dem diese Nut eine technische Funktion erfüllte. Dies stützte sich auf einen objektiven Test, bei dem die EUIPO neben der grafischen Darstellung eines Zeichens auch alle Materialien berücksichtigen kann, die für die angemessene Identifizierung eines Zeichens im Rahmen von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe e) Ziffer ii) der Verordnung Nr. 40/94 relevant sind.
Die Identifizierung könne durch eine einfache visuelle Analyse des Zeichens erfolgen oder auch auf einer eingehenden Prüfung beruhen, bei der relevante Bewertungskriterien berücksichtigt würden. Dabei könne man nach Ansicht des EUIPO auch Material berücksichtigen, das für die Ermittlung der wesentlichen Merkmale eines angefochtenen zweidimensionalen Zeichens relevant ist. Daher legte das EUIPO Beweise vor, dass die durch das angefochtene Zeichen dargestellte Nut nicht allein auf den Reifen des Anmelders erscheinen.
Gericht widerruft Identifizierung des Zeichens
Dieses Vorgehen kritisierte der EuG. Diese Rechtsprechung könne nicht so ausgelegt werden, dass es der EUIPO gestattet ist, zur Qualifizierung der durch ein angefochtenes Zeichen dargestellten Form Gestaltungselemente, die nicht Teil des Zeichens sind und daher äußerlich und fremd sind, zu ergänzen. Ein Reifen sei ein komplexes Produkt, das aus mehreren Elementen besteht.
Selbst wenn berücksichtigt werde, dass einige der Reifenmodelle der Klägerin eine Nut in der Form des umstrittenen Zeichens auf der Oberfläche des Reifens aufwiesen, lasse dies nicht den Schluss zu, dass das umstrittene Zeichen einen Reifen oder eine ganze Reifenlauffläche darstelle. Die Beschwerdekammer sei nicht berechtigt gewesen, über das angefochtene Zeichen hinauszugehen, um es als „Darstellung einer Reifenlauffläche“ zu qualifizieren.
Auch aus der grafischen Darstellung des angefochtenen Zeichens sei nicht ersichtlich, dass es sich um eine funktionale Form handelt, die eine technische Funktion erfüllt. Es sei auch nicht mit einer zusätzlichen Beschreibung versehen gewesen. Das Zeichen stelle, wie es eingetragen ist, weder die Form eines Reifens noch die Form einer Reifenlauffläche dar – sondern die Form eines geneigten „L“.
Monopol über funktionale Merkmale?
Der EUIPO hatte auch auf Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe e) Ziffer ii) der Verordnung Nr. 40/94 hingewiesen. Es sei die Gewährung eines Monopols über funktionale Merkmale eines Produkts zu verhindern. Denn wenn der Klägerin Markenrechte für das angefochtene Zeichen eingeräumt würden, könnte sie andere Wettbewerber daran hindern, Reifen mit ähnlichen Rillen zu vermarkten.
Auch dieses Argument wies der EuG zurück. Die Wettbewerber – wie zum Beispiel die Streithelferin – könnten durchaus Reifen herstellen in identischer Form wie durch Pirellis Bildmarke dargestellt, wenn sie diese Form mit anderen Elementen einer Reifenlauffläche kombinierten.
EuG widerruft Nichtigkeit der angefochtenen Marke
Unter Berücksichtigung aller vorstehenden Punkte wurde die angefochtene Entscheidung für nichtig erklärt. Pirelli konnte seine Bildmarke erfolgreich verteidigen. Für alle Wettbewerber bedeutet dies, mit besonderer Sorgfalt die Form der eigenen Reifenlauffläche planen zu müssen.
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Quellen:
T:2018:709 Pirelli L-shaped groove
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