Ist eine Keksform wie Oreo unterscheidungskräftig? Diese Frage steht im Mittelpunkt eines mehrjährigen Markenstreits zwischen Oreo und Oreo Twins. Jetzt wurde der Fall vor dem EuGH verhandelt: Inhaberin der älteren bekannten Marke Oreo gewann.
Im Mittelpunkt des Markenstreits stand die Anmeldung von 2015 einer EU-Marke in Klasse 30: Oreo Twins. Hersteller der Oreo Twins und Klägerin im Verfahren vor dem Europäischen Gericht (EuG) ist Galletas Gullón, SA (Spanien).
Gegen diese Markeneintragung erhob die Intercontinental Great Brands (USA) Widerspruch und berief sich auf die eigenen bekannten älteren Marken Oreo als 3D Marke und die spanische Bildmarke Oreo.
2018 wies das EUIPO die gewünschte Markeneintragung der Oreo Twins zurück wegen Ähnlichkeit und Verwechslungsgefahr mit der älteren und bekannten Oreo Marke, auch aufgrund der ähnlichen Keksform Oreo. Gegen diese Entscheidung wandte sich Klägerin Galletas Gullón.
Ist eine Keksform wie Oreo unterscheidungskräftig?
Die Klägerin beruft sich auf Entscheidungen der spanischen Gerichte und der EUIPO und macht geltend, dass kein Wirtschaftsteilnehmer ein ausschließliches Recht an der Form eines runden, schwarzen Kekses mit weißer Cremefüllung wie Oreo beanspruchen könne. Eine solche Keksform sei nicht unterscheidungskräftig. Daraus würde dann jedoch folgen, dass das einzige unterscheidungskräftige Element der älteren Marke der Wortbestandteil „Oreo“ wäre – was im Übrigen auch der EUIPO in der angefochtenen Entscheidung einräumte.
Vergleich der Marken als Ganzes
Der EuG wies darauf hin, dass im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nicht in Frage gestellt werden kann, dass eine ältere Marke der Europäischen Union zumindest das für ihre Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft besitzt. Die Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen zwei Marken kann sich zudem nicht darauf beschränken, nur einen Bestandteil einer komplexen Marke zu berücksichtigen und ihn mit einer anderen Marke zu vergleichen. Vielmehr sind für den Vergleich die einander gegenüberstehenden Marken jeweils als Ganzes zu betrachten. Nur wenn alle anderen Bestandteile der Marke zu vernachlässigen sind, kann die Beurteilung der Ähnlichkeit allein auf der Grundlage des dominierenden Bestandteils erfolgen, ergänzte das Gericht.
Keksform unabhängig von Unterscheidungskraft zu berücksichtigen
Ist eine Keksform wie Oreo unterscheidungskräftig? Diese Frage wurde vom EuG nicht beantwortet und ist auch nicht relevant für das Verfahren vor dem EuG. Die angemeldete Marke ist sichtbar eine komplexe Marke, erläuterte der EuG, die sich aus mehreren Bild- und Wortbestandteilen zusammensetzt. Im vorliegenden Fall könne die Keksform angesichts ihrer Position und Größe und der sie hervorhebenden Elemente bei der Wahrnehmung der angemeldeten Marke nicht als zu vernachlässigend angesehen werden. Dies werde auch nicht dadurch geschmälert oder geändert, wenn die Keksform als beschreibend angesehen werde oder das Fehlen der Unterscheidungskraft dieses Markenbestandteils vorliegen würde. Aber ein Fehlen der Unterscheidungskraft einer älteren Marke kann ohnehin nicht im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens festgestellt werden.
Das Gericht erinnerte daran, dass Verbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnehmen und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achten. Da sich sowohl ein Oreo Keks wie auch die Oreo Twins in derselben Keksform darstellen, bestehend aus zwei runden schwarzen Keksen, die getrennt und gleichzeitig durch eine weiße Füllung verbunden sind, wird die Aufmerksamkeit des Verbrauchers nicht nur auf den Wortbestandteil „Oreo“ gelenkt, sondern er nimmt auch die Keksform wahr. Folglich könne dieser Wortbestandteil entgegen dem Vorbringen der Klägerin weder als der einzige oder unterscheidungskräftigste Bestandteil der älteren Marke noch als das dominierende Element dieser älteren Marke angesehen werden.
Oreo Twins vs. Oreo: schwache bildliche und begriffliche Ähnlichkeit
Die Beschwerdekammer des EUIPO habe daher zurecht entschieden, dass die einander gegenüberstehenden Marken eine schwache bildliche und begriffliche Ähnlichkeit aufwiesen durch die dargestellte Keksform in den Marken. Ebenso richtig war auch in der Hinweis der Beschwerdekammer auf die Bedeutung der bildlichen Ähnlichkeiten aufgrund der Art und Weise, in der die Waren gekauft wurden, ergänzte der EuG, umso mehr weil der Verbraucher die Ware selbst auswählt.
Da sich die angemeldete Marke auf „Kekse“ bezieht und diese Waren sowohl in den von der ersten älteren Marke erfassten „Getreidepräparaten“ als auch in den von der ersten älteren Marke erfassten „Backwaren“ enthalten sind, sind die erfassten Waren im Übrigen identisch, fügte das Gericht hinzu, zudem seien die Waren austauschbar und konkurrierend.
Zudem habe die erste ältere Marke eine außergewöhnliche Bekanntheit, auch dies spreche für das Bestehen einer Verbindung zwischen den fraglichen Marken.
Daher wies der EuG die Klage von Gullón vollständig zurück.
Unionsmarken werden nur nach Unionsrecht beurteilt
Zuletzt teilte der EuG auch seine Auffassung zu dem Hinweis der Klägerin auf Entscheidungen der spanischen Gerichte hin. Das Markensystem der Union ist ein autonomes System, wobei seine Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist, machte das Gericht deutlich. Die kollidierenden Marken seien nur auf der Grundlage der einschlägigen Unionsvorschriften zu beurteilen, und eine nationale Entscheidung, einschließlich einer Entscheidung der Rechtsprechung, könne nicht die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen.
Möchten auch Sie Ihren Markennamen schützen oder verteidigen?
Unsere Anwälte beraten Sie gerne. Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt zu uns auf – wir freuen uns auf Ihren Anruf!
Quellen für Text und Bild:
Schreiben Sie einen Kommentar