Dürfen Händler mit dem ÖKO-Test-Label ausschließlich für die konkret getesteten Produkte werben, nicht aber für fast gleiche Produkte in einer anderer Farbe, Ausführung oder Verpackung? ÖKO-TEST wurde mit dem heutigen Urteil des EuGH im Markenstreit um das bekannte Testsiegel gestärkt.
Der dem heutigen Urteil zugrunde liegende Markenstreit um das bekannte Testsiegel ÖKOTEST begann 2014 in Deutschland. Klägerin ÖKO-TEST beruft sich auf seine seit 2012 eingetragene Unionswortmarke und die ebenfalls seit 2012 eingetragene DE Wort/Bildmarke. Sie beruft sich außerdem darauf, Inhaberin identischer nicht eingetragener bekannter älterer Individualmarken zu sein. Zudem sei ÖKO-TEST in Deutschland ein sehr bekanntes Testsiegel. Die Beklagte vor dem vorlegenden OLG Düsseldorf ist Herstellerin von Zahncremes und nutzte das bekannte Testsiegel auch für eine andere Verpackung des Produkts, als sie im Rahmen eines Lizenzvertrags mit ÖKO-TEST vereinbart hatte.
Das OLG Düsseldorf bat den EuGH um Auslegung von Art. 9 Abs. 1 Buchstaben a, b und c der Verordnung Nr. 207/2009 und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 und legte aus dem EuGH folgende Vorlagefrage vor:
Ist es rechtsverletzend, die Individualmarke auf einer Ware anzubringen, für die die Individualmarke nicht geschützt ist, insbesondere bei bekannten Individualmarken wie den Testsiegeln?
Es ging um die Frage, ob Händler mit dem ÖKO-Test-Label ausschließlich für die konkret getesteten Produkte werben dürfen oder auch für gleiche oder fast gleiche Produkte in einer anderer Farbe, Ausführung oder Verpackung? Denn die Klagemarken von ÖKO-TEST sind zwar in Nizza-Klasse 35 für „Verbraucherberatung und Verbraucherinformation bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen“ eingetragen, nicht aber beispielsweise für Zahncreme oder Zahncreme ähnliche Waren. Die bisherige europäische Rechtsprechung verlangt aber bei der Verletzung einer sonstigen Markenfunktion eine Identität sowohl hinsichtlich der Marke als auch der betreffenden Ware/Dienstleistung. Zu dieser Frage sind in Deutschland gleich mehrere Verfahren anhängig (wir berichteten: Generalanwalt stärkt ÖKO-TEST im Streit um das Testsiegel. )
EuGH stärkt die ÖKO-TEST Marke
Der Generalanwalt hatte sich mit seinem Schlussantrag für die Argumente von ÖKO-TEST ausgesprochen. Es handele sich um eine Markenverletzung im Sinne des Markengesetz, weil ÖKO-TEST als Einzel-, National- und Unionsmarke eingetragen ist. Sie müsse daher den Schutz genießen, der dieser Art von Marke gewährt wird, umso mehr, als sie als Qualitätsmarke bekannt sei.
Auch der EuGH wies in seinem heutigen Urteil darauf hin, dass ein besonderer Schutz gewährt werde, wenn der Erbringer einer Dienstleistung ein mit der Marke eines Warenherstellers identisches Zeichen ohne Zustimmung benutzt, um dem Publikum anzuzeigen, dass er Fachmann für solche Waren oder auf sie spezialisiert ist. Dies sei aber im Ausgangsfall des heutigen Urteils nicht gegeben.
Die ÖKO-TEST Marken seien aber einem bedeutenden Teil des maßgeblichen Publikums im gesamten Bundesgebiet bekannt. Daraus ergebe sich, dass die ÖKO-TEST Marken Wertschätzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/95 genießen. Dafür muss dem Verbraucher nicht bekannt sein, dass das Testsiegel als Marke eingetragen wurde. Es reicht aus, dass ein bedeutender Teil des maßgeblichen Publikums dieses Zeichen kennt.
Buchstabe c der Verordnung Nr. 207/2009 ist entscheidend
Es sei daher Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Beklagte die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser Marken in unlauterer Weise ausnutzen konnte oder diese Unterscheidungskraft oder Wertschätzung beeinträchtigt wurde. Denn in einem solchen Fall könne sich der Inhaber einer aus einem Testsiegel bestehenden bekannten Individualmarke der nicht erlaubten Anbringung des identischen oder ähnlichen Zeichens widersetzen. Es müsse dafür erwiesen sein, dass der Beklagte aufgrund dieser Anbringung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder diese Unterscheidungskraft oder Wertschätzung des bekannten Testsiegels beeinträchtigt – und er in diesem Fall für diese Anbringung keinen „rechtfertigenden Grund“ im Sinne der Bestimmungen dargetan hat (gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009).
Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/95/EG seien dagegen dahin auszulegen, dass sie dem Inhaber einer aus einem Testsiegel bestehenden Individualmarke nicht gestatten, sich der Anbringung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten auf Waren zu widersetzen, die mit den Waren oder den Dienstleistungen, für die diese Marke eingetragen ist, weder identisch noch ihnen ähnlich sind, urteilte der EuGH. Denn die Buchstaben a und b der bestimmenden Richtlinie enthalten ein Erfordernis, dass die Waren oder Dienstleistungen des Beklagten mit denen des Markeninhabers vergleichbar sind. Diese Buchstaben a und b unterscheiden sich grundlegend von Art. 9 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung und Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie, nach denen eine solche Vergleichbarkeit ausdrücklich nicht verlangt werde, wenn die Marke bekannt ist.
BGH stärkt Markenrecht von Ökotest und folgt im Urteil dem EuGHEs liege auch eine rechtsverletzende Benutzung der Klagemarke vor, weil der Verkehr das jeweils von den Beklagten verwendete Logo mit der Klagemarke gedanklich verknüpft, begründete der Bundesgerichtshof seine Urteile vom 12. Dezember 2019 (I ZR 173/16 und I ZR 117/17). In drei Revisionsverfahren sah der BGH die Benutzung von Testsiegel-Marken als Verletzung der Rechte der Markeninhaberin an ihrer bekannten Marke an.
Die Berufungsgerichte haben die Bekanntheit der Klagemarke rechtsfehlerfrei bejaht, bestätigte der BGH. Für eine Berücksichtigung von Investitionen bei der Beurteilung der Bekanntheit einer Marke sei es nicht erforderlich, dass die Investitionen der Marke unmittelbar zugutekommen; es reiche vielmehr aus, dass die Marke mittelbar hiervon profitiert, ergänzte das Gericht. Dies lag im Streitfall durch Publikationen unter Verwendung der Marke vor.
Quellen:
Urteil des EuGH „ÖKO-TEST“ EU:C:2019:317
Pressemitteilung des BGH zu den Urteilen vom 12. Dezember 2019
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