Die Marke ‚Toll 4 Europe‘ des gleichnamigen Unternehmens wurde vom BPatG bestätigt. Das Gericht hob damit den gegenteiligen Beschluss des DPMA auf, das eine beschreibende Sachaussage in der Marke sah für die beanspruchten Waren und Dienste rund um Fahrzeugtechnik und Transportlogistik und daher fehlende Unterscheidungskraft feststellte.
Im Mittelpunkt des kürzlichen Urteils durch das Bundespatentgericht (BPatG) stand die Deutsche Wortmarke ‚Toll 4 Europe‘ (AKZ: 3020170066643), deren Markeneintragung von dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) zunächst abgelehnt worden war.
Markenanmelderin und auch Klägerin vor dem BPatG ist die Toll 4 Europe GmbH, seit 2019 zugelassen als europäischer Dienstleister für die Mauterhebung für LkWs in Deutschland wie auch in Österreich und Frankreich, Spanien und Portugal. Das Deutsche Patent und Markenamt (DPMA) lehnte die gewünschte Markenanmeldung zunächst ab und sah fehlende Unterscheidungskraft des Begriffs ‚Toll 4 Europe‘ für die beanspruchten Waren, denn ihr komme für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ein eng beschreibender Sachaussagegehalt zu.
Es wurde eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen in zahlreichen Nizza-Klassen beansprucht, die zum Teil nach der Ablehnung der Markenanmeldung eingeschränkt wurden.
Die zuletzt noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen drehen sich vor allem um Fahrzeugtechnik und um den Speditions- bzw. Transport- und Logistiksektor. Unter anderem wurden auch Fahrzeug- bzw. Zubehörteile für Mauterhebungs- und -abrechnungssysteme beansprucht. Angesprochen als maßgebliche Verkehrskreise sind die in den jeweiligen Geschäftsbereichen tätigen Gewerbetreibenden und unternehmerische Kreise.
DPMA sah Sachaussage in der Marke ‚Toll 4 Europe‘
Das DPMA argumentierte, das Anmeldezeichen sei aus dem gebräuchlichen Begriff „Toll“ für „Maut, Gebühr, Zoll, Abgabe“, der geografischen Angabe „Europe“ für „Europa“ sowie der verbreiteten werblichen Symbolziffer „4“ der englischen Präposition „for“ gebildet. Insofern assoziiere das Gesamtzeichen ‚Toll 4 Europe‘ lediglich eine herkunftsneutrale Sachaussage in der synonymen Bedeutung von „Maut, Gebühr, Zoll, Abgabe für Europa bzw. für den europäischen Raum“. Zudem sei ein starkes Indiz für die Schutzunfähigkeit, dass sich die Begrifflichkeiten „Toll Europe“ bzw. „Maut Europa“ bereits branchenüblich am Markt etabliert hätten.
Bedeutung des Zeichens ist: Maut für Europa
Das Bundespatentgericht stimmte mit DPMA überein, soweit es die Bedeutung des Zeichens ging. Durch die politische Diskussion um die umstrittene Maut in Deutschland werde das Wort ‚Toll‘ sehr einseitig als Maut verstanden von den Verbrauchern. Vor allem werde die Zahl „4“ bereits seit langem wegen der Klangidentität bei englischer Aussprache als Kürzel für das Wort „for“ (=für) verwendet und sei insbesondere aus der Werbung bekannt, betonte das BPatG. Die angesprochenen Verkehrskreise werden daher dem Anmeldezeichen ‚Toll 4 Europe‘ die Bedeutung „Maut für Europa“ beimessen, bestätigte das BPatG.
Andere mögliche Bedeutungen von Toll 4 Europe
Obwohl das Wort „Toll“ im Deutschen auch die Bedeutung „großartig, prächtig“ hat und die Zahl „4“ auch als Mengenangabe verstanden werden kann, führe dies nicht dazu, dass die Verkehrskreise das Gesamtzeichen mit „großartig vier Europa“ übersetzen.
Allenfalls könne das Zeichen noch als deutsch-englische Anpreisung im Sinne von „Großartig für Europa“ erfasst werden. Aber selbst dann fehle dem Anmeldezeichen Toll 4 Europe nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Denn dass diese Aussage allein und ausschließlich als Werbeaussage aufgefasst würde, ist nicht ersichtlich und könne auch nicht nachgewiesen werden.
BPatG: kein eng beschreibenden Bezug der Marke ‚Toll 4 Europe‘
Dennoch wertete das BPatG die Bedeutung „Maut für Europa“ nicht als Sachaussage. Denn dafür müssten Merkmale in dieser Bedeutung die beanspruchten Waren beschreiben oder zumindest einen ohne weiteres erkennbaren engen beschreibenden Bezug hierzu aufweisen. Dies aber sei nicht Fall, urteilte das BPatG und erläuterte dies im Detail.
Mauterhebungs- und -abrechnungssysteme
Die im Rahmen von Mauterhebungs- und -abrechnungssystemen eingesetzten Fahrzeug- bzw. Zubehörteile mit entsprechenden Funktionen – wie z. B. Bordcomputer, GPS-Geräte, on-board-units – fallen als elektronische Bau- oder Zubehörteile, auch für Fahrzeuge, in die Klasse 9, nicht aber in Klasse 12, erläuterte das Gericht.
Für die beanspruchten Waren der Klasse 12 liege ein Sachbezug zu einem europäischen Mautsystem daher fern, und auch für die verbliebenen Dienstleistungen der Klasse 35 sei ein Sachbezug zu einem europäischen Mautsystem nicht feststellbar. Denn die Abrechnungsdienste beziehen sich nicht auf Mautzahlungen, sondern auf konkret genannte, andere Gegenstände (Kraftstoffabrechnungen, Reparaturleistungen, Mineralölsteuer-Rückerstattungen), führte das BPatG aus.
Zollabfertigung und Speditionsdienstleistung
Im Umfang der noch beanspruchten Dienstleistungen aus Klasse 36 stelle das Anmeldezeichen, insbesondere weil die Speditionsdienstleistung konkret auf die Zollabfertigung („custom clearance“ bzw. als Dienstleistung der Klasse 36 „financial customs brokerage services“) beschränkt, keine im Vordergrund stehende Sachangabe dar. Dies gelte umso mehr, als in diesem Kontext die Verwendung von „Toll“ als Hinweis auf „Zoll“ trotz der lexikalisch erfassten Bedeutung unüblich ist.
Vermietung von Fahrzeugen für den Baubereich und Lagerung von Waren
In Bezug auf einen Teil der in Klassen 37, 38, 39, 41 und 42 noch beanspruchten Dienstleistungen komme das Anmeldezeichen als Sachangabe zudem ersichtlich nicht in Betracht (z. B. Vermietung von Fahrzeugen für den Baubereich sowie weiterer Spezialfahrzeuge; Reparatur und Wartung von Reifen und Kraftfahrzeug-Kühlsystemen; aber auch Verpackung von Waren; Lagerung von Waren; Parkraumsuchdienst u. v. a.).
Kein unmittelbar beschreibender Begriffsinhalt
Das BPatG betonte, dass ein Bedeutungsgehalt, der erst in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt wird, die Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft nicht tragen kann. Das Gericht verwies dabei auf die BGH Entscheidung GRUR 2018, 301 (Nr. 15) – Pippi-Langstrumpf-Marke.
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. August 2017 wurde daher vom BPatG aufgehoben. Und da das angemeldete Zeichen keinen unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt in Bezug auf die zuletzt noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen hat, bestehe auch kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, urteilte das BPatG.
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Quellen:
Urteil des BPatG ‚Toll 4 Europe‘ , 30 W (pat) 558/17
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