Generalanwalt fordert Neubewertung der Gefahr von Verwechslungen der Marke Burlington. Im Markenstreit um die berühmte Marke Burlington hat der Generalanwalt des EuGH die Klägerin Tulliallan, Eigentümer der berühmten Luxuspassage Burlington Arcade in London, gestärkt gegen die Markeneintragungen mehrerer EU Marken Burlington der deutschen Burlington Fashion GmbH, bekannt durch die Burlington Socken.
Klägerin Tulliallan Burlington Ltd, Eigentümer der Burlington Arcade in London, beanstandet die von der deutschen Burlington Fashion GmbH („BF“) eingereichte Anmeldung von drei separaten EU-Bildmarken mit dem Wort „Burlington“ und der EU-Wortmarke „BURLINGTON“.
Komplizierter wird der Fall um die Verwechslungsgefahr betroffenen Marken auch dadurch, dass „Burlington“ sowohl in Deutschland als auch in UK seit vielen Jahrzehnten ein bekannter Begriff ist, der jahrzehntelang aus den USA lizensiert wurde – wir berichteten. In Deutschland werden seit den 70ger Jahren schottisch gemusterte Socken unter diesem Markenamen hergestellt, in den letzten Jahren der Firma FALKE KGaA. Im UK wiederum ist die berühmte Luxuspassage Burlington Arcade in der Mitte von London ein Begriff für die dort gehandelten Luxusprodukte.
Betroffene Marken Burlington in unterschiedlichen Nizza-Klassen
Auch sind die betroffenen Marken für unterschiedliche Nizza-Klassen und Warengruppen eingetragen: Streithelferin Burlington Fashion GmbH meldete sowohl die EU Wortmarke Burlington als auch Wort- und Bildmarken mit dem Wortbestandteil Burlington an in den Nizza-Klassen 3, 14, 18 und 24. Die ältere EU Wort- und Bildmarke Burlington Arcade der Tulliallan Burlington Ltd ist die für die Nizza-Klassen 35, 36 und 41 eingetragen. Tulliallan sieht den eigenen berühmten Namen jedoch über die beanspruchten Nizza-Klassen hinaus als Begriff mit besonderer Unterscheidungskraft und machte auch die unlautere Ausnutzung der sehr bekannten eigenen Marke als Synonym für Luxusprodukte geltend. Dazu berief sie sich auch auf Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung Nr. 207/2009 (Rechte auf eine nicht eingetragene Marke, die im geschäftlichen Verkehr in der EU verwendet wird).
EuG wies Widerspruch von Luxuspassage Burlington zurück
2013 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch statt, doch mit Entscheidung vom 11. Januar 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Beschwerdekammer des EUIPO dies wieder auf. Auch das Europäische Gericht (EuG) wies den Widerspruch von Tulliallan im Dezember 2017 zurück ( Burlington – wer denkt da an London? ). Das Fehlen einer genauen Angabe der Waren, die in den verschiedenen Geschäften, die eine Einkaufspassage wie die Burlington Arcade umfassen, verkauft werden können, schließe jede Verbindung zwischen diesen Geschäften und den Waren der angemeldeten Marke aus, hatte der EuG geurteilt. Zudem habe die Klägerin nicht bewiesen, dass die Benutzung der beantragten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marken ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutze oder beeinträchtige.
In diesen Punkten stimmte der Generalanwalt des EuGH in seinem gestrigen Schlussantrag (EU:C:2019:538) den Urteilen der EuG vom 6. Dezember 2017 zu. Es gebe wenig Grund zur Annahme, dass beispielsweise ein markenbewusster Londoner Verbraucher von hochwertigen Waren davon abgehalten würde, die Passage von Tulliallan zu besuchen, nur weil er zufällig auf Modeartikel oder andere Waren mit dem Namen „Burlington“ in anderen Einzelhandelsgeschäften stößt, präzisierte der Generalanwalt.
Generalanwalt fordert Neubewertung der Gefahr von Verwechslungen
Im Unterschied zu dem Europäischen Gericht beurteilte der Generalanwalt aber den dritten Klagegrund der Klägerin Tulliallan. Darin machte Tulliallan geltend, dass das Gericht gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 207/2009 über die Gefahr von Verwechslungen verstoßen habe. Insbesondere kritisierte Tulliallan, der EuG in seinen Urteilen vom 6. Dezember 2017 Bezug nahm auf das Urteil vom 7. Juli 2005, Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte (C 418/02, EU:C:2005:425) – obwohl die eigenen älteren Marken alle bereits 2003 eingetragen waren. Aus diesem Urteil folgerte der EuG die Rechtsprechung, dass der Begriff „Einzelhandelsdienstleistungen“ auch Verkaufsdienstleistungen von Einkaufspassagen umfasst. Diese Frage ist insofern relevant, weil Tulliallan eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen und den in Rede stehenden Waren geltend machte, denn unter den Verbrauchern der Waren und Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 befänden sich auch Endverbraucher der in den Geschäften verkauften Waren. Der EuG hatte eine solche Verbindung verneint.
Der Generalanwalt gab Klägerin Tulliallan in ihrer Forderung Recht, dass das Gericht eine Analyse der Ähnlichkeit der jeweiligen Marken ohne eine Berücksichtigung des erst nach der Markenanmeldung erfolgten „Praktiker“ Urteils hätte durchführen müssen. Der Generalanwalt empfiehlt daher, dass der dritte Klagegrund in Bezug auf die britische Marke Nr. 2314342, die britische Marke Nr. 2314343 und die britische Marke Nr. 2330341 zur Entscheidung an das Gericht der Europäischen Union (EuG) zurückverwiesen werden sollte. Das Gericht müsse grundsätzlich neu prüfen, ob die Gefahr einer Verwechslungsgefahr zwischen den drei fraglichen älteren britischen Marken und den von BF angemeldeten Marken bestehe.
Wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) dem Generalanwalt in seiner Entscheidung des Schlussantrags folgt, wird der Fall vom EuG neu analysiert werden müssen. Denn der EuG hatte zwar die Wertschätzung der älteren Marken von Tullianllan in den Nizza-Klassen 36, 41 und auch für die Dienstleistungen der Klasse 35 bestätigt, daraus aber geschlossen – mit Hinweis auf das „Praktiker“ Urteil -, dass „Einzelhandelsdienstleistungen“ auch Verkaufsdienstleistungen von Einkaufspassagen umfassen. Insofern könne Tulliallan geltend machen, dass die Benutzung der angemeldeten Marken die Unterscheidungskraft oder den Ruf ihrer älteren Marken im Sinne von Artikel 8 Absatz 5 der Verordnung Nr. 207/2009 hätte ausnutzen oder beeinträchtigen können, urteilte der Generalanwalt in seinem Schlussantrag. Dennoch sei es erforderlich, dass der Inhaber der älteren Marke nachweise, dass eine Schädigung vorhersehbar ist, stellte der Generalanwalt klar. Und eben dies hielt der EuG in seinen Urteilen vom 6. Dezember 2017 für nicht nachgewiesen. Es bleibt also spannend in diesem Fall.
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Quellen:
Schlussantrag des Generalanwalts EU:C:2019:538
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