Ein langer Zeitraum von nebeneinander bestehenden Marken bedeutet nicht automatisch die friedliche Koexistenz von Marken – und lässt schon gar nicht den Schluss zu, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken besteht, urteilte der EuG im Fall Tropical.
Friedliche Koexistenz von Marken
Liegt eine friedliche Koexistenz von Marken vor, wenn sie den notwendigen Nachweis für die Benutzung der Marke auf demselben Markt und für dieselben Waren über einen langen Zeitraum erbringen? Nur, wenn keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken vorliegt und dies nachgewiesen sei, urteilte der EuGH im Fall Tropical (EU:T:2019:525), und die Verwechslungsgefahr könne nicht ausgeschlossen werden aufgrund des langen Nebeneinanders der Marken.
Übrigens schließt auch die friedliche Koexistenz von Marken in einem Teil der EU Verwechslungen in anderen Mitgliedstaaten der EU nicht aus.
Lesen Sie gerne mehr dazu unter Kerrygold und Kerrymaid – friedliche Koexistenz in UK und Irland.
Wortmarke Tropical vs. Wort- und Bildmarke Tropical
Zum Rechtsstreit kam es, weil Kläger Tadeusz Ogrodnik (Polen) 2003 eine Wort- und Bildmarke „Tropical“ beim Europäischen Patent- und Markenamt anmeldete, die im September 2004 eingetragen wurde. Doch erst im November 2011 reichte die angeklagte Aviário Tropical, SA (Portugal) einen Antrag auf Nichtigkeit dieser Marke ein und berief sich auf die eigene ältere Unionswortmarke Tropical, die für die gleichen Waren und Nizza-Klassen eingetragen war wie die angefochtene Marke. Im Detail ging es um die Ähnlichkeit von Waren wie „Fischfutter“ und „Zubereitungen für die Zucht von Fischen, Zierfischen und Kleintieren“ sowie „Zubereitungen für die Vogelzucht, Reptilien und Amphibien“.
Im Folgenden kam es zu Urteilen in mehreren Instanzen, in denen final eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken durch die Entscheidung vom 14. Februar 2017 im Fall T‑276/17 („die angefochtene Entscheidung“) festgestellt wurde, da die Marken phonetisch identisch und auf visueller und konzeptioneller Ebene sehr ähnlich sind.
Daher machte Kläger Ogrodnik im Wesentlichen zwei Einwände gegen die angefochtene Entscheidung geltend: die die Beschwerdekammer habe sich in der angefochtenen Entscheidung auf irrelevante Kriterien zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr gestützt. Vor allem aber zeige die Tatsache, dass der Nachweis für die Benutzung der Marke auf demselben Markt und für dieselben Waren von beiden Parteien über den langen Zeitraum von 16 Jahren erbracht worden sei, dass die Marken in friedlicher Koexistenz und mangels Verwechslungsgefahr nebeneinander bestanden.
Relevante Kriterien für die Beurteilung von Verwechslungsgefahr
Das Europäische Gericht (EuG) wies den Vorwurf der irrelevanten Kriterien in der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zurück. Nach der Rechtsprechung anerkannte Kriterien seien die Art, der Verwendungszweck, die Verwendung und die Komplementarität der fraglichen Waren, präzisierte das Gericht. Darüber hinaus können aber auch andere Faktoren wie die Vertriebswege der betroffenen Waren und die Vermarktung durch dieselben Unternehmen berücksichtigt werden. Die Beschwerdekammer habe daher zurecht den Faktor herangezogen, der sich auf den Verwendungszweck der Waren bezog, urteilte der EuG.
Tropical in Wort und Bild – friedliche Koexistenz in Portugal?
Dass die beiden fraglichen Marken über einen langen Zeitraum hinweg unangefochten nebeneinander existierten, lasse nicht den Schluss zu, dass keine Verwechslungsgefahr vorliegt, stellte der EuG klar. Zwar könne die Gefahr von Verwechslungen zwischen zwei Marken als verringert angesehen werden, wenn das Zusammenleben zweier Marken auf einem bestimmten Markt vorliege. Dabei muss die Koexistenz der beiden Marken hinreichend lange bestehen, um die Wahrnehmung des maßgeblichen Verbrauchers beeinflussen zu können – dies war im vorliegenden Fall allerdings gegeben.
Der Kläger habe jedoch eine Nachweispflicht, dass die friedliche Koexistenz der Marken darauf beruht, dass keine Verwechslungsgefahr vorliege – zumindest während des Verfahrens vor der EUIPO über relative Eintragungshindernisse, erklärte das Gericht. Nicht genügend sei es für den Nachweis, dass die Gefahr von Verwechslungen zwischen den einander gegenüberstehenden Marken verringert oder gar ausgeschlossen ist, wenn der Markenanmelder nur eine Liste vorlegt, in der seine Marken aufgeführt sind, von denen er behauptet, dass sie mit der älteren Marke des Widersprechenden auf dem Markt koexistiert hätten, urteilte der EuG bereits 2005 in Sada vs. Sadia (EU:T:2005:169).
Auch lasse sich das Fehlen einer Verwechslungsgefahr nicht allein aus der Tatsache ableiten, dass der Anmelder der Nichtigkeitserklärung der Eintragung der angefochtenen nationalen Marke zu einem früheren Zeitpunkt nicht widersprochen hat, ergänzte das Gericht. Die Beschwerdekammer habe daher zu Recht festgestellt, dass das lange und unbestrittene Nebeneinander der Marken die Feststellungen über die Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall nicht beeinflussen kann.
Schlussendlich gab der EuG der Klage teilweise statt; für die Waren, für die Kläger Ogrodnik sowohl vor der Nichtigkeitsabteilung als auch vor der Beschwerdekammer Argumente und Beweise vorgelegt hatte und die eher der Terraristik zuzurechnen sind, gab der EuG der Klage statt. Der gemeinsame Verwendungszweck für diese Waren, die in der angefochtenen Entscheidung die Verwechslungsgefahr begründete, weise kein hinreichend direktes Verhältnis zwischen den beanstandeten Waren auf, urteilte der EuG.
Für alle anderen Waren aber bestätigte der EuG die Verwechslungsgefahr und die Nichtigkeitserklärung der angefochtenen Wort- und Bildmarke Tropical.
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Quellen:
Urteil EuG „Tropical“ EU:T:2019:525
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