In einem Markenstreit um Verwechslungsgefahr hat das EuG die Rechtsprechung in Bezug auf den Grad der Aufmerksamkeit präzisiert, vor allem für die Bereiche Werbung und Bildungsangebote. Es ging um die Unionsmarken CFA: ältere Wortmarke und Bildmarke gegen jüngere Bildmarke.

Bei der Beurteilung von Verwechslungsgefahr wird natürlich stehts die Ähnlichkeit der Zeichen überprüft, und zwar in klanglicher, visueller und auch konzeptioneller Sicht. Ganz entscheidend sind aber auch die Definition der sogenannten „maßgeblichen Verkehrskreise“ und ihr Grad der Aufmerksamkeit in Bezug auf Streitmarken. Denn eine Verwechslungsgefahr wird immer in Bezug auf die Wahrnehmung dieser Zeichen, Waren und Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise festgestellt.
Trotzdem steht vor allem der Grad der Aufmerksamkeit nicht oft im Fokus von Gerichtsverhandlungen. Das war aber in diesem Fall anders (EuG, EU:T:2021:342), in dem es um die Verwechslungsfahr ging der Unionsmarken CFA: ältere Wortmarke und Bildmarke gegen jüngere Bildmarke.
Der Sachverhalt
Im Juni 2016 meldete die Klägerin, die Global Chartered Controller Institute SL (Spanien), beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Bildzeichen als Unionsmarke an. Beansprucht wurden mit der Bildmarke CFA „Werbung; Unternehmensführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ (Nizza-Klasse 35) und „Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“ (Nizza-Klasse 41).
Gegen diese Markenanmeldung erhob im August 2016 die Streithelferin, das CFA Institute (USA), einen Widerspruch. Sie berief sich auf die eigenen älteren Unionsmarken, das Wortzeichen CFA und die Bildmarke CFA, die beide u. a. für den Bereich „Organisation, Durchführung und Bereitstellung von Kursen, Workshops, Seminaren und Konferenzen auf dem Gebiet der Finanzanalyse und Vertrieb und Erstellung von Kursunterlagen in diesem Zusammenhang“ Schutz beanspruchen.
Der Widerspruch wurde zunächst zurückgewiesen, aber dann in der nachfolgenden Instanz vor der Beschwerdekammer wurde ihm teilweise stattgegeben. Letztlich wurde eine zumindest geringe Ähnlichkeit festgestellt und das Vorliegen von Verwechslungsgefahr für ähnliche und identische Waren bzw. Dienstleistungen der Streitmarken. Dies waren laut Beschwerdekammer „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung“ in Klasse 35 und „Erziehung; Ausbildung“ in Klasse 41, ähnlich mit den von den älteren Marken erfassten Dienstleistungen „Verein“ in Klasse 42 sowie „Erziehung; Ausbildung“, identisch mit den von den älteren Marken erfassten Dienstleistungen „Erziehung; Ausbildung“ in Klasse 41.
Gegen diese Entscheidung klagte die CFA Institute vor dem Europäischen Gericht (EuG). Sie machte zwei Klagegründe geltend, und schon bereits der erste umfasste mehrere Aspekte, bei deren Beurteilung die Beschwerdekammer Fehler begangen habe: Definition der maßgeblichen Verkehrskreise und ihres Aufmerksamkeitsgrads, Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen, Beurteilung der erhöhten Unterscheidungskraft der älteren Marken in Deutschland und Gesamtwürdigung der Verwechslungsgefahr. Dies sei ein Verstoß gegen i) Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.
Fokus auf Grad der Aufmerksamkeit
Von all diesen Aspekten konzentrierte sich das EuG auf den Grad der Aufmerksamkeit. Das war eine interessante Fokussierung, die nicht oft im Mittelpunkt der Rechtsprechung steht. Tatsächlich hat der EuG mit seiner Entscheidung zu diesem Fall die Rechtsprechung für den Grad der Aufmerksamkeit präzisiert, vor allem für die Bereiche Werbung und Bildungsangebote.
Die Beschwerdekammer hatte diesbezüglich festgestellt, dass die Verkehrskreise sowohl aus einem Fachpublikum als auch aus dem allgemeinen Publikum bestehen und daher ein durchschnittlicher Aufmerksamkeitsgrad zu berücksichtigen sei. Denn wenn sich die maßgeblichen Verkehrskreise sowohl aus der breiten Öffentlichkeit als auch aus Fachleuten zusammensetzen, ist der niedrigste Aufmerksamkeitsgrad dieser beiden Gruppen zu berücksichtigen, so lautet ein Grundsatz zur Aufmerksamkeit.
Diesen Grundsatz bestätigte das EuG zwar ausdrücklich, stellte aber dennoch einen Fehler in der Entscheidung der Beschwerdekammer fest. Denn nach Ansicht des EuG bestehen die Verkehrskreise im vorliegenden Fall ausschließlich aus Fachpublikum.
Grad der Aufmerksamkeit: Bereich Werbung
Die Dienstleistungen „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung“ der Klasse 35 richten sich nach ständiger Rechtsprechung an ein Fachpublikum, das ein höheres Maß an Aufmerksamkeit aufbringt, erläuterte der EuG und verwies auf ein entsprechendes Urteil von 2015 (EuG, T-607/13). Vor allem Dienstleistungen, die hauptsächlich die Arbeit oder die Leitung eines gewerblichen Unternehmens unterstützen, würden sich an ein spezialisiertes bzw. gut informiertes Nutzerprofil richten. Das Gericht ergänzte, zudem würden „Werbedienstleistungen“ von einer großen Zahl von Gewerbetreibenden in Anspruch genommen, deren Aufmerksamkeitsgrad nach der Rechtsprechung hoch sei (u.a. siehe T-58/16).
Grad der Aufmerksamkeit: Bereich Bildungsangebot
Es sei davon auszugehen, erklärte das EuG, dass sich die von den älteren Marken erfassten Dienstleistungen (einschließlich derjenigen im Bereich der Bildung, die sich an Verbraucher richten) in jedem Fall einen hohen Grad an Aufmerksamkeit aufweisen, auch wenn sie sowohl zu einem Fachpublikum als auch zur breiten Öffentlichkeit gehören. Anders ausgedrückt: Interessierte an Bildungsangeboten sind immer sehr aufmerksam für das Angebot. Der Wahl der von ihnen bevorzugten Programme würden sie besondere Aufmerksamkeit widmen, erläuterte das EuG, und zwar gewöhnlich nach Prüfung und Vergleich der verfügbaren Bildungsangebote.
Umso mehr ist von einer hohen Aufmerksamkeit für Bildungsangebote im Finanzbereich auszugehen, ergänzte das Gericht. Die Aufmerksamkeit der Verbraucher, da sie nicht täglich finanzielle Bildungsdienstleistungen in Anspruch nehmen, sei zwangsläufig als höher anzusehen im Vergleich zu alltäglichen Verbraucherdienstleistungen.
Und auch wenn die von den älteren Marken erfassten Dienstleistungen nicht den Finanzsektor betreffen, sei laut EuG doch festzustellen, dass sie in Bezug auf einen ganz bestimmten Aspekt der wirtschaftlichen Bildung, nämlich die Finanzanalyse, definiert sind.
Aufmerksamkeitsgrad fehlerhaft: Entscheidung ist aufzuheben
Daher sei fehlerhaft von der Beschwerdekammer lediglich eine durchschnittliche Aufmerksamkeit angenommen worden, fasste das Gericht zusammen.
Dieser Fehler aber hat die gesamte Beurteilung der möglichen Verwechslungsgefahr zwischen den streitigen Marken durch die Beschwerdekammer beeinträchtigt, entschied das EuG. Die Beurteilung einer möglichen Verwechslungsgefahr müsse schließlich auf die tatsächliche Wahrnehmung dieser Marken und Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise gestützt werden.
Folglich hob der EuG die angefochtene Entscheidung auf.
Der EuG lehnte es zudem ab, darüber zu entscheiden, ob für einen hohen Grad der Aufmerksamkeit überhaupt Verwechslungsgefahr bestehen würde. Das Gericht erinnerte daran, es sei nicht Sache des Gerichts, eine fehlende Überprüfung erstmals im Rahmen seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung durchzuführen.
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