Der Markenstreit um den erfolgreichen Film „Fack Ju Göhte“ hat heute eine neue Wendung genommen. Der Generalanwalt des EuGH sieht keinen eindeutigen Sittenverstoß im Filmtitel und verweist auf das Recht auf Meinungsäußerung im Markenrecht.
Markeneintrag abgelehnt wegen Sittenverstoß
Im September 2015 wurde der Antrag auf Markeneintragung mit Verweis auf Artikel 7 Absatz 2 UMV für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen vom EUIPO abgelehnt, da die Anmeldung gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoße.
Auch das Europäische Gericht (EuG) bestätigte diese Entscheidung in erster Instanz (Akz. T69/17) – wir berichteten: „Fack ju Göthe“ heute vor dem EUG: Humor oder Sittenverstoß? .
EuG sah „Fack ju“ als „Fuck you“ – Sittenverstoß
Die Constantin Film AG argumentierte vor dem Europäischen erstinstanzlichen Gericht (EuG):
- Der vulgäre Charakter sei nur für den Bestandteil „Fack ju“ analysiert und festgestellt worden. Die Markenanmeldung laute vollständig aber „Fack ju Göhte“. Es müsse also geprüft werden, ob der Ausdruck als Gesamtheit gegen die guten Sitten verstoße.
- Der Ausdruck „Fuck you“ habe keine sexuelle Bedeutung, sondern sei ein gängiger Fluch. Die Markenanmeldung „Fack ju Göhte“ verbalisiere dementsprechend in scherzhafter und jugendlicher Weise den allgemeinen Schulfrust, wobei der Schriftsteller lediglich ein Platzhalter sei.
- Außerdem verwies die Filmgesellschaft auf den außerordentlichen Besuchererfolg der Filmtriologie und behauptet, die Markenanmeldung „Fack ju Göhte“ verbreite und assoziiere Heiterkeit und Unterhaltung, der Filmtitel sei keineswegs anstößig oder beleidigend.
Der EuG wies diese Argumente zurück. „Fack ju“ sei im Deutschen als Slangausdruck für das englische „Fuck you“ bekannt, und es werde „Göhte“ mit dem Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe gleichgesetzt. Es handele sich dabei um eine lautschriftliche Übertragung des dem deutschsprachigen Publikum allgemein bekannten englischen Ausdrucks „fuck you“ ins Deutsche. Unter diesen Umständen genüge allein die Tatsache, dass das angemeldete Zeichen eine besondere Rechtschreibung aufweist, nicht aus, um ihm einen satirischen, scherzhaften und verspielten Gehalt zu verleihen, urteilte der EuG. Zudem werde im Bereich der Kunst, der Kultur und der Literatur stets der Schutz der freien Meinungsäußerung angestrebt, der im Bereich des Markenrechts aber nicht bestehe. Der EuG fügte hinzu, dass der Umstand, dass der Film „Fack Ju Göhte“ seit seinem Kinostart von mehreren Millionen Menschen gesehen wurde, nicht bedeute, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht von dem angemeldeten Zeichen schockiert wären.
Constantin Film vor dem EuGH
Gegen dieses Urteil des EuG wendete sich Constantin Film mit einer Beschwerde vor dem EuGH, zu der heute der Generalanwalt des EuGH seinen Schlussantrag vortrug (EU:C:2019:553).
Constantin machte folgende Einwände geltend:
Das Gericht der Europäischen Union habe anstelle des konkreten Anmeldezeichens „Fack Ju Göhte“ das Anmeldezeichen „Fuck you, Goethe“ geprüft. Es handele sich um einen originellen und kennzeichnungskräftigen Kunstbegriff, der durch die Falschschreibung scherzhaft und harmlos wirkt. Insofern habe der EuG auch die Wahrnehmung der deutschsprachigen Verkehrskreise nicht richtig beurteilt. Zudem verstoße das Urteil gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, denn das Anmeldezeichen „Die Wanderhure“ sei im ähnlichen Sachverhalt anders bewertet worden.
Generalanwalt betont das Recht auf freie Meinungsäußerung
Der Generalanwalt bestätigte in seinem heutigen Schlussantrag den ersten Rechtsmittelgrund der Constantin Film AG. Insbesondere sei – anders als der EuG geurteilt hatte – das Recht auf freie Meinungsäußerung auch im Markenrecht zu beachten. Constantin Film hatte geltend gemacht, das EUIPO sei zu streng gewesen und hätte der freien Meinungsäußerung, die in der streitigen Marke enthalten sei, größeres Gewicht geben müssen.
Das EUIPO könne natürlich feststellen, dass die Anmeldemarke gegen die guten Sitten verstoße, insbesondere wenn die Frage der guten Sitten unionsweit geprüft werden muss. Dies erhöhe aber die Anforderungen an die Begründung, wenn das EUIPO von dem abweichen möchte, was nationale Stellen als mit den guten Sitten vereinbar beurteilt haben, urteilte der Generalanwalt in seinem heutigen Schlussantrag. Diese Anforderungen seien im vorliegenden Fall aber nicht eingehalten worden. Im deutschsprachigen Raum sei der Film ein großer Erfolg gewesen, und es sei nachgewiesen, dass der Filmtitel ordnungsgemäß genehmigt worden sei, dass er für Jugendliche freigegeben worden sei und dass die positive Wahrnehmung des Films auch durch die Einbeziehung in das Lernprogramm des Goethe‑Instituts belegt werden könne. Dies habe das EuG nicht berücksichtigt in der Wertung als des Films als Sittenverstoß.
Daher sah der Generalanwalt einen Rechtsfehler im Urteil des EuG, das Gericht habe Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 rechtsfehlerhaft ausgelegt.
Kein Sittenverstoß, aber auch keine Ähnlichkeit zu „Die Wanderhure“
Einen Verstoß des Urteils gegen die Gleichbehandlung wies der Generalanwalt allerdings zurück. Die Anmeldung des streitigen Zeichens und die Anmeldung des Zeichens „Die Wanderhure“ könne nicht als ähnlich angesehen werden, stellte er klar. Das beruhe darauf, dass das Zeichen „Die Wanderhure“ beschreibend für den Inhalt des gleichnamigen Films gewesen sei, während dies beim vorliegend streitigen Zeichen nicht der Fall sei.
Da aber dem ersten Rechtsmittelgrund stattgegeben wurde, wäre das gesamte Urteil aufzuheben- wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) dem Generalanwalt in seiner Entscheidung des Schlussantrags folgt. Ein wichtiger Etappensieg für die Constantin Film AG.
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Quellen:
Schlussantrag des Generalanwalt des EuGH EU:C:2019:553
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