Im Markenstreit COCO gegen INCOCO und der von Chanel geltend gemachten Verwechslungsgefahr mit den eigenen französischen Marken COCO gewann Chanel vor dem EuG. Zur Sprache kam auch COCO als der berühmte Spitzname von Frau Gabrielle Chanel, bekannt als Coco Chanel.
Chanel legte Widerspruch ein gegen Markenanmeldung INCOCO
Im Januar 2014 benannte die Streithelferin, Innovative Cosmetic Concepts LLC (USA), die Europäische Union für ihre internationale Registrierung der Wortmarke INCOCO (im Folgenden die „betroffene internationale Registrierung“). Diese Wortmarke INCOCO beanspruchte Schutz für Waren und Dienstleistungen in den Nizza-Klassen Klasse 3, 35 und 44, vor allem für die Bereiche Kosmetika und Schönheitsprodukte.
Gegen diese Markeneintragung erhob im Oktober 2014 Klägerin Chanel Widerspruch und berief sich auf die eigenen älteren nationalen (französischen) Marken Nrn. 1 438 544 und 1 571 046 gestützt, die jeweils das Wortzeichen COCO betrafen. Die französischen Marken COCO beanspruchen Schutz in den Nizza-Klassen 3, 35 und 42, im Wesentlichen „Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Haarwässer, Zahnpasta“, Werbung und Sonstiges.
Die Widerspruchsabteilung gab dem Widerspruch auch zunächst statt, doch mit Entscheidung vom 16. Januar 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf und wies den Chanel Widerspruch in vollem Umfang zurück.
Beschwerdekammer wies Widerspruch zurück
Gegen diese Entscheidung klagte Chanel vor dem Europäischen Gericht, das jetzt sein Urteil verkündete. Insbesondere hatte die Beschwerdekammer zum Vorbringen der Klägerin Chanel, dass der Begriff „Coco“ in Frankreich als Spitzname und insbesondere als Spitzname von Frau Gabrielle Chanel, bekannt als Coco Chanel, verstanden werde, festgestellt, dass die Klägerin keinen Beweis für die Kenntnis der älteren Marke durch die französischen Verbraucher vorgelegt habe und dass in fast allen von der Klägerin vorgelegten Unterlagen das ältere Zeichen zusammen mit dem Begriff „Chanel“ dargestellt werde. Mit dieser Begründung verweigerte die Beschwerdekammer die Anerkennung der erhöhten Unterscheidungskraft der zweiten älteren Marke COCO, die Chanel geltend gemacht hatte.
Im Ergebnis stellte die Beschwerdekammer fest, dass unterdurchschnittlichen Grad an Ähnlichkeit vorliege: in bildlicher Hinsicht erheblich Abweichungen, durchschnittlichen Grad an klanglicher Ähnlichkeit und dass es grundsätzlich nicht möglich sei, INCOCO versus COCO in begrifflicher Hinsicht zu vergleichen.
EuG sieht EUIPO Entscheidung als fehlerhaft
Das wurde heute vom EuG jedoch anders bewertet; der EuG hob die Entscheidung der Beschwerdekammer auf und bestätigte Klägerin Chanel. Wir fassen die einzelnen Aspekte kurz zusammen, bei Verwechslungsgefahr stets der Vergleich der Streitmarken in Bezug auf visuelle, klangliche und konzeptionelle Ähnlichkeit.
Visueller Vergleich der Zeichen
Zwar weise das EUIPO zu Recht darauf hin, dass der Wortbestandteil „in“ am Anfang der streitigen internationalen Eintragung steht und im älteren Zeichen keine Entsprechung hat. Es sei aber keinesfalls grundsätzlich so, dass der Anfang einer Wortmarke immer entscheidend sei, betonte das Gericht. Lesen Sie in diesem Kontext auch gerne unseren Beitrag: Anfangsbuchstabe ist nicht alles
Und dass dieses „In“ den gemeinsamen Wortbestandteil „coco“ so weit ausgleicht, dass die streitgegenständlichen Zeichen nur eine unterdurchschnittliche visuelle Ähnlichkeit aufweisen, das habe das EUIPO fehlerhaft und zu Unrecht entschieden, urteilte der EuG. Das Europäische Gericht bestätigte vielmehr die Argumentation von Chanel, dass gerade durch die Verdoppelung „co co“ die Aufmerksamkeit auf dieses Wortelement – den Streitmarken gemeinsames – COCO gelenkt wird.
Klanglicher Vergleich
Den von der Beschwerdekammer festgestellten durchschnittlichen Grad an klanglicher Ähnlichkeit bestätigte der EuG, hier hat Chanel vergeblich einen höheren Grad an Ähnlichkeit geltend gemacht. Zwar treffe es zu, erläuterte das Gericht, dass die zusätzliche Silbe „In“ keine Entsprechung im älteren Zeichen COCO hat und daher auf klanglicher Ebene ein Unterscheidungsmerkmal darstellt. Doch seien Struktur, Silbenzahl und Rhythmus der kollidierenden Zeichen insgesamt gesehen nicht grundlegend verschieden, sondern eher vergleichbar, erklärte der EuG, und dies ergebe eine durchschnittliche klangliche Ähnlichkeit.
Konzeptioneller, begrifflicher Vergleich
In der Frage einer begrifflichen und konzeptionellen Ähnlichkeit, die das EUIPO grundsätzlich als nicht nicht vergleichbar möglich sah, kam der EuG schließlich auf den berühmten Spitznamen „Coco“ zu sprechen. Das Gericht erläuterte, die maßgeblichen Verkehrskreise würden, wenn ein Wortelement vorhanden ist, das von ihnen leicht verstanden wird, das fragliche Wortzeichen tatsächlich in zwei Teile zerlegen, von denen der eine dem entspricht, was sie als Teil der Alltagssprache verstehen, und der andere aus dem Rest des fraglichen Zeichens besteht.
Die streitige internationale Eintragung stelle daher in ihrer Gesamtheit ein neues Wort dar, was die maßgeblichen Verkehrskreise jedoch nicht daran hindere, einen Bestandteil mit einer eindeutigen Konnotation zu erkennen, entschied der EuG. Unter diesen Umständen liege daher ein geringer Grad an begrifflicher Ähnlichkeit vor, ohne dass über eine etwaige begriffliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen im Zusammenhang mit der behaupteten Bekanntheit des Spitznamens „Coco“ für Frau Chanel durch die maßgeblichen Verkehrskreise entschieden werden müsste.
Unterscheidungskraft der einander gegenüberstehenden Marken
Schlussendlich befand das EuG, die Entscheidung der Beschwerdekammer die Beschwerdekammer bei ihrer Gesamtwürdigung des Bestehens einer Verwechslungsgefahr sei fehlerhaft (Grad der visuellen Ähnlichkeit wurde unterschätzt; konzeptionelle Ähnlichkeit wurde falsch eingeschätzt; klangliche Ähnlichkeit sowie die Identität oder Ähnlichkeit der kollidierenden Waren und Dienstleistungen wurden festgestellt, aber nicht berücksichtigt), so dass dem einzigen Klagegrund stattgegeben wurde. Der EuG hob die Entscheidung der Beschwerdekammer auf und betonte, diese sei so fehlerhaft, dass die Fragen zur Bedeutung der Unterscheidungskraft der einander gegenüberstehenden Marken nicht näher geprüft zu werden brauche. Zudem gelten alle zugelassenen EU Marken grundsätzlich als mindestens gering unterscheidungskräftig.
Die Entscheidung der Beschwerdekammer des EUIPO vom 16. Januar 2020 (Sache R 194/2019-1) wurde vollständig aufgehoben. Chanel gewinnt den Vorwurf der Verwechslungsgefahr zwischen INCOCO und den eigenen nationalen Marken COCO.
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Quellen:
Urteil des EuG, COCO v INCOCO, EU:T:2021:365
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