Chianti vs GHISU, die beide einen Hahn als Bildelement enthalten: der EuG urteilte über die Unlautere Ausnutzung der älteren Marke Chianti Classico – die eine Kollektivmarke ist.
2017 ließ Klägerin Berebene eine Wort-/Bildmarke beim EUIPO eintragen, die einen bunten Hahn mit dem deutlichen Wortelement GHISU zeigt. Gegen diese Markeneintragung klagte das Consorzio vino Chianti Classico (Italien). Der Interessenverband für Chianti Wein machte geltend, die Markeneintragung führe zu Verwechslungsgefahr mit der eigenen älteren nationalen Kollektivbildmarke CHIANTI CLASSICO, die ebenfalls einen Hahn als Bildelement enthält.
Der Interessenverband für Chianti Wein bezog sich in seiner Klage ausdrücklich auf den Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 5 der Verordnung [EU] Nr. 2017/1001) und warf dem Markenanmelder die unlautere Ausnutzung der älteren Marke vor, also der Unterscheidungskraft und/oder der Wertschätzung der älteren Marke. Damit war der Verband erfolgreich vor der Beschwerdekammer.
Unlautere Ausnutzung der älteren Marke
Der erweiterte Schutz, der der älteren Marke durch Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 gewährt wird, setzt die Erfüllung mehrerer kumulativer Voraussetzungen voraus:
- erstens die Identität oder Ähnlichkeit der kollidierenden Marken,
- zweitens auf das Bestehen einer Bekanntheit der zur Stützung des Widerspruchs geltend gemachten älteren Marke
- drittens das Bestehen der Gefahr einer unzulässigen Verwechslung
- und schließlich das Bestehen einer Gefahr, dass die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde (siehe auch Urteil C-564/16 P EUIPO/PUMA von 2018).
Klangliche Ähnlichkeit fehlerhaft beurteilt?
Klägerin Berebene brachte Einwände gegen diese Entscheidung vor dem EuG vor. Unter anderem machte die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe die klangliche Ähnlichkeit nicht einzeln beurteilt, sondern nur eine Gesamtwürdigung der Ähnlichkeit vorgenommen. Das aber sei erforderlich.
Dem widersprach der EuG. Im Rahmen des Zeichenvergleichs im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 dürfe man auf eine Gesamtähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen schließen, ohne zu dieser Ähnlichkeit in klanglicher Hinsicht abschließend Stellung zu nehmen. Voraussetzung dafür sei, dass die Gesamtähnlichkeit ausreicht, damit die betroffenen Verkehrskreise einen Vergleich zwischen diesen Marken anstellen bzw. eine Verbindung zwischen ihnen herstellen können.
Kollektivmarke gegen Einzelmarke: keine begriffliche Ähnlichkeit?
Auch die begriffliche Ähnlichkeit sei von der Beschwerdekammer rechtmäßig beurteilt worden.
Klägerin Berebene hatte argumentiert, dass die Marken begrifflich nicht verwechselt würden, weil die ältere Chianti als Kollektivmarke Wein bezeichne, die eigene Markenanmeldung dagegen eine individuelle Marke sei. Zudem haben die Weine eine unterschiedliche geografische Herkunft.
Der EuG wies dies zurück. Solche Argumente seien nicht relevant zur Beurteilung der begrifflichen Ähnlichkeit, entschied das Gericht. Bei einem Vergleich zwischen einer Kollektivmarke und einer Einzelmarke / Individualmarke seien dieselben Kriterien anzuwenden wie bei dem Vergleich von zwei Einzelmarken. Und unter diesem Aspekt können die beiden Marken einen ähnlichen Begriff vermitteln.
Zwar erkannte das Gericht an, dass ein Hahn das Symbol der Region Gallura auf Sardinien ist – und Chianti ist ohnehin eine bekannte Weinregion in Italien. Beide Marken könnten insofern einen Begriff vermitteln, der mit der geografischen Herkunft der mit den streitigen Marken bezeichneten Weine in Verbindung steht, räumte der EuG ein. Das aber ändere nichts daran, dass Verbraucher trotzdem in beiden Marken einen Hahn wahrnehmen, und dies sei eine begriffliche Ähnlichkeit.
Hohe Bekanntheit der älteren Marke Chianti: Unlautere Ausnutzung
Auch der Einwand der Klägerin Berebene, die Gefahr einer unlauteren Ausnutzung im vorliegenden Fall sei nur hypothetischer Natur, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Die hohe Bekanntheit der älteren Marke Chianti sei unstreitig, erläuterte der EuG, zudem besitze die ältere Chianti Kollektivmarke originäre Unterscheidungskraft, da das dominierende Bildelement des Hahnes keinen offensichtlichen Zusammenhang mit den fraglichen Waren aufweist. Denn die Region Chianti liegt natürlich nicht auf Sardinien.
Außerdem wird nach der Rechtsprechung das Vorliegen einer Verletzung umso eher bejaht, je größer die Unterscheidungskraft und die Bekanntheit der älteren Marke sind (vergl. EuGH 2008, Intel Corporation, C-252/07).
Und genau das sei vorliegend der Fall, entschied der EuG. Das Bild von Exzellenz und Prestige, das die Verbraucher mit den Chianti Weinen verbänden, könnte auf die von der angemeldeten Marke erfassten Waren übertragen werden, insbesondere auf die Weine der Klägerin. Da zudem fast identische Waren durch beide Marken beansprucht würden, sei die Klage insgesamt abzuweisen, urteilte der EuG.
Das Gericht bestätige damit die Entscheidung der Beschwerdekammer, in der eine Unlautere Ausnutzung der älteren Marke in der Markeneintragung der Klägerin Berebene festgestellt worden war.
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