Vermarktungsbedingungen von strittigen Zeichen müssen zwar berücksichtigt werden für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr; sie dürfen jedoch nicht berücksichtigt werden für die Feststellung der Ähnlichkeit, urteilte der EuGH im Fall Black Label vs. Labell. Es handelte sich um identische Waren ‚Parfüms‘.
Das höchste Europäische Gericht (EuGH, EU:C:2020:156) hat in einem interessanten Markenstreit um Verwechslungsgefahr geurteilt: Black Label vs. Labell. Beide Zeichen waren als Unionsbildmarken für die identischen Waren ‚Parfüms‘ in der Nizza-Klasse 3 eingetragen.
ITM Entreprises, Inhaberin der älteren Unionsbildmarke Labell, hatte Verwechslungsgefahr geltend gemacht mit der späteren Markenanmeldung des Zeichens Black Label durch die Equivalenza Manufactory (Spanien).
Verwechslungsgefahr? Beschwerdekammer: Ja – EuG: Nein
In den Vorinstanzen war die Verwechslungsgefahr von der Beschwerdekammer bestätigt worden. Der EuG wiederum hob diese Entscheidung auf und verneinte die Verwechslungsgefahr.
Der EUIPO machte vor dem EuGH eine fehlerhafte Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Urteil des EuG geltend, vor allem, weil der EuG (angefochtenes Urteil, EU:T:2018:119) die gleichen Vermarktungsbedingungen für die gleichen Waren in die Beurteilung der Ähnlichkeit der strittigen Zeichen hatte einfließen lassen. Im Wesentlichen war der EuG zu dem Ergebnis gekommen, dass die strittigen Zeichen wegen der zwischen ihnen bestehenden bildlichen Unterschiede, die im Hinblick auf die Vermarktungsbedingungen den Ausschlag gäben, und der begrifflichen Unterschiede nicht ähnlich seien. Der EuG sah keine Verwechslungsgefahr.
Im Dezember letzten Jahres hatte der EuG übrigens eine Verwechslungsgefahr der Zeichen Gastivo verneint, obwohl identische Dienstleistungen im Gastrobereich beansprucht wurden und große Ähnlichkeit zwischen den Bildelementen vorlag. Entscheidend war dort der Wortbestandteil der älteren Marke.
Im vorliegenden Fall Black Label vs. Labell wertete der EuGH das Urteil des EuG als rechtsfehlerhaft. Identität oder Ähnlichkeit von einander gegenüberstehenden Zeichen ist eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009, erklärte das Gericht mit Nachdruck. Mit anderen Worten: die Vermarktungsbedingungen der strittigen Zeichen müssen zwar berücksichtigt werden für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr, sie dürfen jedoch nicht berücksichtigt werden für die Feststellung der Ähnlichkeit.
Der EuGH hob daher das angefochtene Urteil des EuG auf– und entschied selbst in der Frage der Verwechslungsgefahr. Das macht dieses Urteil besonders interessant, denn über Verwechslungsgefahr wird in den meisten Fällen in den Vorinstanzen entschieden.
EuGH entschied selbst: zuerst die Ähnlichkeit
Gemäß Art. 61 Abs. 1 seiner Satzung kann der Gerichtshof der Europäischen Union, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden – wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Das ist selten der Fall, entsprechend häufig werden die Verfahren zurück verwiesen an vorherige Instanzen. Im vorliegenden Fall sei der Rechtsstreit reif zur Entscheidung, entschied das Gericht und beurteilte selbst die Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen Black Label vs. Labell.
Bildlich und klanglich: mittlerer Grad an Ähnlichkeit
Die Beschwerdekammer sei zu Recht davon ausgegangen, dass die kollidierenden Zeichen einen mittleren Grad an bildlicher Ähnlichkeit aufwiesen, erläuterte der EuGH. Obwohl beide Zeichen einen markanten Schriftzug in weißer Schrift verwenden, unterscheiden sich die einander gegenüberstehenden Zeichen jedoch in ihren Farben und in ihren grafischen Elementen. Da die Buchstaben zudem einen der Wortbestandteile des Anmeldezeichens und die fünf ersten Buchstaben des insgesamt aus sechs Buchstaben bestehenden dominierenden einzigen Wortbestandteils, aus dem sich die ältere Marke zusammensetzt, darstellen, liege ein mittlerer Grad an bildlicher Ähnlichkeit vor, urteilte der EuGH.
In klanglicher Hinsicht bestätigte der EuGH, dass der Ausdruck „label“ oder „labell“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen identisch ausgesprochen würde. Die spätere Markenanmeldung enthielt allerdings nicht nur label, sondern auch zwei weitere Wortelemente. Das Vorhandensein der Ausdrücke „black“ und „by equivalenza“ im Anmeldezeichen reiche nicht aus, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, urteilte der EuGH und stellte – wie auch die Beschwerdekammer – insgesamt einen mittleren Grad an klanglicher Ähnlichkeit fest.
Bedeutungsunterschiede: Voraussetzungen für die Neutralisierung
Zwar können Bedeutungsunterschiede die Ähnlichkeit zwischen Zeichen neutralisieren, und dies machte Markenanmelderin Equivalenza geltend. Der EuGH wies diesen Einwand jedoch zurück. Eine solche Neutralisierung verlange, dass zumindest eines der beiden Zeichen in der Vorstellung der maßgeblichen Verkehrskreise eine klare und bestimmte Bedeutung hat. Das aber treffe im vorliegenden Fall nicht zu, urteilte das Gericht.
EuGH bestätigt die Verwechslungsgefahr
Es bleibe also festzuhalten, dass die kollidierenden Zeichen einen durchschnittlichen Grad an bildlicher und klanglicher Ähnlichkeit aufweisen und sich in der Bedeutung unterscheiden, erklärte der EuGH und beurteilte auf dieser Grundlage die Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen.
Der EuGH berücksichtigte dabei,
- dass die ältere Marke eine durchschnittliche Unterscheidungskraft besitzt,
- dass die maßgeblichen Verkehrskreise einen durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad aufweisen
- und dass die von den kollidierenden Zeichen erfassten Waren identisch sind.
Angesichts dieser Gesichtspunkte sei die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass für die maßgeblichen Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr zwischen den kollidierenden Zeichen besteht, urteilte der EuGH.
Das bloße Vorhandensein der Ausdrücke „black“ und „by equivalenza“ im Anmeldezeichen reiche nicht aus, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen. Trotz dieser Wortelemente liege ein mittlerer Grad an bildlicher und klanglicher Ähnlichkeit vor. Zudem sei das Adjektiv „black“ ein rein beschreibender Ausdruck für eine Grundfarbe, und der Ausdruck „by equivalenza“ finde keine Entsprechung in der älteren Marke, erläuterte der EuGH und bestätigte die Verwechslungsgefahr der Zeichen.
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Quellen:
Urteil des EuGH, EU:C:2020:156
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