Verwechslungsgefahr zwischen Marken liegt auch bei geringer Ähnlichkeit der Zeichen vor, wenn aber dennoch Gefahr besteht, dass eine neue Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Ist das der Fall bei Balea und Albéa?
Die deutsche Drogeriekette DM jedenfalls sieht eine Verwechslungsgefahr zwischen der jüngeren Markenanmeldung Albéa und der eigenen bekannten Marke Balea.
Im November 2013 meldete die Anmelderin, Albéa Services (Frankreich), bei der Europäischen Union das Bildzeichen Albéa als Marke an, als IR-Marke mit Benennung der EU.
Im Mai 2015 legte die Streithelferin, die dm-drogerie markt GmbH & Co. KG (Deutschland), einen Widerspruch ein und berief sich auf die eigene ältere Marke Balea, in Deutschland allgemein bekannt als Hausmarke der Drogeriekette DM. Balea ist geschützt als ältere internationalen Registrierung (IR-Marke), in der die Europäische Union benannt ist.
Führt die Marke Albéa zu Verwechslungsgefahr mit der älteren Marke Balea bei den maßgeblichen Verkehrskreisen?
Albéa gegen Balea – Markenstreit durch mehrere Instanzen
Dieser Markenstreit ging bereits durch mehrere Instanzen. Die Widerspruchskammer und auch die Beschwerdekammer des EUIPO lehnten den Widerspruch zunächst ab, doch das Europäische Gericht (EuG) hob im September 2019 diese Entscheidung teilweise auf.
Der Fall ging zurück an die Beschwerdekammer, die dem Widerspruch teilweise stattgab und teilweise zurückwies. DM hatte Erfolg mit seinem Widerspruch gegen die Markenanmeldung der Marke ALBÉA für alle von der Anmeldung erfassten Waren der Klassen 3, 8 und 21 und den größten Teil der Waren der Klassen 16 und 20. Für zahlreiche andere Waren aber (der Nizza-Klassen 5, 6, 17, 40 und 42 sowie für einen Teil der Waren der Klassen 16 und 20) wurde der Widerspruch von DM zurückgewiesen und die Markenanmeldung ALBÉA somit bestätigt.
Gegen diese Entscheidung klagte Albéa Services erneut vor dem Europäischen Gericht (EuG), das mit seinem Urteil (EU:T:2021:569) in dieser Woche die vorgehenden Entscheidungen aufhob und das Ergebnis aus Sicht von DM deutlich verschlechterte. Der EuG urteilte, dass dem Widerspruch von DM nur in Bezug auf „Kosmetika“ in Nizza-Klasse 3 stattgegeben wird – für alle anderen Waren wurde die Markenanmeldung ALBÉA bestätigt.
Was sind die Überlegungen hinter diesem Urteil?
Wie bei jedem Vorwurf von Verwechslungsgefahr wird zunächst einmal die Ähnlichkeit überprüft, sowohl die Ähnlichkeit der Zeichen – also der Worte Albéa und Balea selbst – als auch die Ähnlichkeit der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
In Bezug auf die Markenzeichen Worte Albéa und Balea kam das Gericht zu der Ansicht, die Zeichen seien in bildlicher und klanglicher Hinsicht in geringem Maße ähnlich und in begrifflicher Hinsicht gar nicht ähnlich. Die beanspruchten Waren allerdings waren teilweise identisch, teilweise ähnlich.
Und das maßgebliche Publikum umfasste sowohl den Endkunden, also den Durchschnittsverbraucher, also auch Fachleute oder Spezialisten – denen per se eine höhere Aufmerksamkeit unterstellt wird in Fragen von Verwechslungsgefahr. Dennoch war lediglich eine durchschnittliche Aufmerksamkeit von der Beschwerdekammer angenommen worden: Zurecht?
Der Grad der Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers kann nämlich laut Rechtsprechung je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein. Dennoch sei vorliegend eine durchschnittliche Aufmerksamkeit zurecht angenommen worden, urteilte der EuG, denn diese Waren im vorliegenden Fall seien in erster Linie für die breite Öffentlichkeit bestimmt, erläuterte das Gericht.
Bekanntheitsgrad der älteren Marke Balea
Grundsätzlich hängt die Beurteilung der Verwechslungsgefahr von einer Vielzahl von Umständen ab, darauf wies auch nochmals das EuG hin. Insbesondere relevant ist dabei der Bekanntheitsgrad der Marke auf dem betreffenden Markt durch das Publikum. Je größer die Unterscheidungskraft der Marke ist, desto größer ist die Verwechslungsgefahr, und daher genießen Marken, die von Haus aus oder wegen ihrer Bekanntheit beim Publikum eine hohe Unterscheidungskraft haben, einen umfassenderen Schutz als Marken mit geringerer Unterscheidungskraft.
Letztlich dies führt dazu, dass der Widerspruch von DM immerhin in Bezug auf „Kosmetika“ in Nizza-Klasse 3 stattgegeben wird. Denn im vorliegenden Fall hatte DM vor der Beschwerdekammer den Nachweis erbracht, dass die Marke Balea in Deutschland eine erhöhte Wertschätzung in Bezug auf Kosmetika genießt. Die Beschwerdekammer hatte bestätigt, dass diese Beweise nicht nur kosmetische Mittel, sondern auch kosmetische Hilfsmittel betreffen könnten.
Doch daraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Beurteilung der Beschwerdekammer, dass diese Marke in Deutschland tatsächlich eine erhöhte Wertschätzung für „Kosmetika“ genieße, auch für kosmetisch verwandte Produkte gelte, urteilte der EuG. Denn eine erhöhte Kennzeichnungskraft war nur für Kosmetika festgestellt worden von der Beschwerdekammer.
Kosmetische Utensilien nicht gleich Kosmetika
Vergeblich machte DM die große Ähnlichkeit geltend zwischen den von der Marke Albéa erfassten „Teile und Bestandteile für alle vorgenannten Waren“ und die von der eigenen älteren internationalen Marke Balea erfassten „Kosmetikutensilien“ und „Toilettenartikel“ in Nizza-Klasse 21. Tatsächlich handelt es sich dabei um Utensilien oder Geräte zur Verwendung mit Hygiene-, Toiletten- und Kosmetikartikeln, sie werden auch von denselben Fachbetrieben hergestellt.
Doch musste die Beschwerdekammer, um die von ihr nur für kosmetische Mittel bejahte erhöhte Unterscheidungskraft auch in Bezug auf diese Waren berücksichtigen zu können, aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise prüfen, ob es sich bei allen diesen Waren tatsächlich um kosmetische Mittel handelt, erklärte das EuG. Behältnisse aber gehören nicht zu der von der älteren internationalen Eintragung erfassten Bezeichnung „kosmetische Utensilien“, entschied das Gericht. Auch „kosmetische Geräte“ dürfen im Gegensatz zu „Geräte und Behälter für Haushalt und Küche“ keine Behältnisse einschließen, ergänzte das EuG.
Zwar könne bei einer großen Zahl von Waren nicht zwischen dem Behältnis und dem Applikator unterschieden werden können und zudem enthalten bestimmte Behältnisse für Kosmetika bereits einen Applikator, räumte das Gericht ein. Dennoch werden die maßgeblichen Verkehrskreise diese Gegenstände stets als Behältnisse und nicht als Applikatoren wahrnehmen.
Das EuG gab daher der Klage von Albéa Services in großen Teilen statt und sieht Verwechslungsgefahr zwischen den Marken Albéa gegen Balea nur in Bezug auf „Kosmetika“.
Möchten auch Sie Ihre Marke oder ihren Markennamen verteidigen?
Unsere Anwälte verfügen über langjährige Expertise im Markenrecht sowie im gesamten Gewerblichen Rechtsschutz und sind berechtigt, Sie vor jedem Gericht zu vertreten – in Deutschland und auch international.
Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt auf.
Quellen:
Bild:
die DM Marke ist dem Markenregister entnommen
Schreiben Sie einen Kommentar