Sind pharmazeutische Produkte komplementär zu Messen und Weiterbildungsangeboten im Bereich der Gesundheitsversorgung? Der Europäische Gerichtshof verneint das, sieht aber eine Verbindung zwischen medizinischen Dienstleistungen und pharmazeutischen Produkten: ein zweiteiliges Urteil im Markenstreit EMCUR versus EMCURE.
Pharmazeutische Produkte EMCUR versus Dienstleistungen EMCURE
Die Klägerin Emcur Gesundheitsmittel GmbH aus Bad Ems ist seit 2002 Markeninhaberin der EU Wortmarke EMCUR (Nr. 1 962 232) und seit 2012 auch der Deutschen Wortmarke EMCUR (Nr. 30 2012 046 049). Im Oktober 2013 meldete die Beklagte Emcure Pharmaceuticals Ltd. die EU Wortmarke EMCURE an, die im März 2014 verkündet wurde. Der Unterschied zwischen den beiden Marken liegt sowohl grundsätzlich zwischen Waren („EMCUR“) und Dienstleistungen („EMCURE“) als auch – daraus folgend – in unterschiedlichen Nizza-Klassen, für die sie registriert wurden. EMCUR der Klägerin ist in der Klasse 5 „Pharmazeutische Produkte“ und der Klasse 10 registriert, EMCURE der Beklagten wurde für die Klassen 35, 41, 42, 44 und 45 angemeldet – unter anderem „Medizinische Weiterbildung, Publikationen und Werbemaßnahmen für Pharmazeutisches, Pharmazeutische Forschung und medizinische Dienstleistungen“.
Die Klägerin legte Widerspruch gegen die Markeneintragung von EMCURE wegen Verwechslungsgefahr gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 207/2009 ein und argumentierte, dass im Bereich des Gesundheitswesens pharmazeutische Produkte wie EMCUR komplementär seien zu Dienstleistungen unter einem nahezu identischen Namen wie EMCURE. Zudem seien die Zielverbraucher für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Allgemeinen nicht unterschiedlich, es handele sich neben Patienten und Ärzte insbesondere um Pharmaunternehmen, Gesundheitsorganisationen, Patientenverbände und Apotheken. Nachdem die Beschwerdekammer des EUIPO den Widerspruch ablehnte, ging der Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuG).
Komplementäre Waren oder Dienstleistungen müssen unerlässlich füreinander sein
Der Europäische Gerichtshof wies in seinem Urteil grundsätzlich darauf hin, dass es sich bei komplementären Waren oder Dienstleistungen um solche handele, zwischen denen ein enger Zusammenhang besteht, in dem Sinne, dass das eine für die Verwendung des anderen unerlässlich oder wichtig ist. Letztlich könnten so die Verbraucher denken, dass dasselbe Unternehmen für die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen verantwortlich sei. Um zu klären, ob dies im vorliegenden Fall vorlag, betrachtete das Gericht detailliert die einzelnen Dienstleistungsklassen, für die die strittige Wortmarke EMCURE angemeldet worden war.
Messen und Workshops sind nicht komplementär
Die Leistungen der Klasse 35 beinhalten unter anderem „Organisation von Ausstellungen, Messen, Seminaren und sonstigen Veranstaltungen zu kommerziellen oder Werbezwecken“ und in Klasse 41 „Aus- und Weiterbildung im pharmazeutischen und medizinischen Bereich; Durchführung und Organisation von Workshops „.
Die Klägerin argumentierte, Messen, Seminare und Workshops im Bereich der Gesundheitsversorgung zielten darauf ab, Informationen über bestimmte Krankheiten oder Störungen und ihre entsprechende Vorbeugung und Behandlung bereitzustellen. Daher würden sich die von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen und die von den älteren Marken EMCUR erfassten pharmazeutischen Produkte ergänzen, teilweise würde sogar der Umgang mit pharmazeutischen Produkten und Zubereitungen für die Gesundheitsversorgung erlernt, so die Klägerin.
Das Gericht aber stellt klar: Die Verwendung eines Arzneimittels ist für die Erbringung eines Publikationsdienstes im pharmazeutischen und medizinischen Bereich nicht unerlässlich oder wichtig. Umgekehrt ist auch die Bereitstellung eines Publikationsdienstes für die Verwendung eines Arzneimittels nicht unerlässlich oder wichtig. Außerdem erfordere auch die Einnahme von Medikamenten keine Teilnahme an Gesundheitsdiensten.
Es ist daher hier nicht der Fall, dass die Verwendung der Dienstleistung unerlässlich für das Produkt ist.
Die fraglichen Waren und Dienstleistungen seien im Übrigen auch in ihrem Zweck unterschiedlich, denn ein Arzneimittel und die Behandlung von Krankheiten seien keineswegs einer Dienstleistung ähnlich für Handels-, Werbe- und Werbeveranstaltungen. Auch die Vertriebskanäle der fraglichen Waren und Dienstleistungen seien völlig verschieden, da pharmazeutische Produkte in Apotheken oder in spezialisierten Gesundheitseinrichtungen erhältlich sind. Sie stehen also weder in Konkurrenz zueinander noch ergänzen sie sich, urteilte der EuG.
Pharmazeutische Forschung und Medizinische Dienstleistung sind komplementär
Anders bewertete das Gericht die Eintragungen in der den Klassen 42 „Pharmazeutische Forschung“ und 44 „Medizinische Dienstleistungen“. Die Klägerin machte geltend, dass es notwendig sei, vor der Markteinführung eines Arzneimittels eine pharmazeutische Forschung durchzuführen. Das Gericht schloss sich dieser Sichtweise an und bestätigte eine grundsätzlich enge Verbindung zwischen pharmazeutischen Produkten und pharmazeutischer Forschung.
Ebenso seien auch medizinische Dienstleistungen der Klasse 44 komplementär zu pharmazeutischen Produkten der Klasse 5, urteilte das Europäische Gericht. Einige der Medizinischen Dienstleistungen seien für die Benutzung dieser Waren wichtig, ja unverzichtbar. (Urteil vom 2. Juni 2010, Procaps/HABM – Biofarma (PROCAPS), T-35/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:220)
Wichtiges Urteil im Bereich Pharmazeutische Produkte
Das Urteil ist daher zweiseitig. Der Widerspruch gegen die Markeneintragung für die Veranstaltungen im kommerziellen Bereich und und auch für den Weiterbildungsbereich der Klassen 35 und 41 wurde abgelehnt. Aber der Widerspruch gegen die Eintragung für Forschung und Medizinische Dienste in den Klassen 42 und 44 wurde vom Gericht bestätigt und damit die Entscheidung der Beschwerdekammer für diese beiden Klassen aufgehoben. Hersteller von pharmazeutischen Produkten sollten daher unbedingt berücksichtigen, mindestens den wichtigen Bereich Weiterbildung in der Markenanmeldung Ihrer Produkte einzuschließen.
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Quelle:
Curia Europe: EMCUR vs EMCURE EU:T:2018:346
Bild:
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