Der BGH hat die Entscheidung des BPatG bestätigt, keine vorläufige Zwangslizenz auf ein Patent für Cholesterinsenker zu erteilen. Es sei kein öffentliches Interesse an der Erteilung einer Zwangslizenz gegeben, da es gleichwertige Medikamente gibt.
Klage auf Zwangslizenz
Hintergrund der Entscheidung ist eine Klage auf eine Zwangslizenz auf das europäische Patent 2 215 124 (DE 60 2008 042 526) eines US-amerikanischen Pharmazieunternehmens mit dem Wirkstoff Alirocumab. Klägerinnen der Zwangslizenzklage beim Bundespatentgericht (BPatG) waren die Pharmahersteller von Praluent®, verschiedene Unternehmen eines französischen Pharmakonzerns. Die Klägerinnen wollten eine Zwangslizenz an dem strittigen Patent erwirken, die ihnen die Benutzung des Arzneimittels in der Bundesrepublik ermöglicht. Das BPatG hatte im letzten Jahr die Erteilung einer patentrechtlichen Zwangslizenz auf den Wirkstoff Alirocumab abgelehnt (3 LiQ 1/18 (EP)).
Keine Zwangslizenz bei gleichwertigen Medikamenten
Wie schon das Bundespatentgericht in seinem Urteil herausgestellt hatte, sei eine Zwangslizenz nicht begründet, da den Patienten auch gleichwertige Medikamente zur Verfügung stehen – beispielsweise das Arzneimittel Repatha® der US-amerikanischen Patentinhaberin. Der Bundesgerichtshof führte dazu aus, dass weder die Senkung der Mortalitätsrate von Hypercholesterinämie-Patienten durch die Gabe von Praluent glaubhaft gemacht worden sei noch die Senkung der Mortalitätsrate von Patienten, die mit einem PCSK9-Hemmer behandelt werden. Die klinische Studien, die zum Beleg der Senkung der Mortalitätsraten durchgeführt worden waren, seien statistisch nicht signifikant gewesen.
Bemühungen um Lizenzvergabe nicht ausreichend
Darüber hinaus hätten sich die Antragstellerinnen nicht ausreichend innerhalb eines angemessenen Zeitraumes vor Erhebung der Zwangslizenzklage bemüht, von der Antragsgegnerin eine Patent Benutzungserlaubnis zu erlangen, urteilte der Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit dem Urteil des BPatG.
Beide Gerichte stellten klar, dass die Antragstellerinnen ihre Bemühungen um eine Benutzungserlaubnis früher hätten beginnen müssen. Zwar sei es eine Frage der Einzelfallbewertung, welche Bemühungen nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 PatG erforderlich sind und über welchen Zeitraum sie sich erstrecken müssen. Die Antragstellerinnen hatten jedoch erst spät und lediglich einen sehr niedrigen Lizenzsatz angeboten. Die Antragsgegnerin hatte in ihrem Antwortschreiben eine Lizenzvergabe nicht grundsätzlich abgelehnt, darauf aber haben die Antragstellerinnen bis zur Entscheidung des Patentgerichts nicht reagiert.
Zwangslizenz in der deutschen Rechtssprechung
Der BGH hatte mit seiner Entscheidung vom 11. Juli 2017 die Entscheidung des Bundespatentgerichts bestätigt, das erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine patentrechtliche Zwangslizenz im Eilverfahren erteilt hat (wir berichten: Zwangslizenz: BPatG erteilt Benutzungserlaubnis für AIDS-Medikament). Die Zwangslizenz gestattet die vorläufige Herstellung und den Vertrieb des seit 2007 in Deutschland vertriebenen antiretroviralen HIV/AIDS-Medikaments Isentress mit dem Wirkstoff Raltegravir. Mit diesem Urteil ordnete der BGH der Gesundheitsversorgung einen sehr hohen Stellenwert ein.
Ein seinem Urteil „Isentress“ stellte der BGH klar, dass der Lizenzsuchende über einen gewissen Zeitraum hinweg in einer angemessenen Weise versucht haben muss, sich mit dem Patentinhaber über die Erteilung einer Lizenz zu einigen. Dabei können nur Bedingungen für die Lizenzvergabe verlangt werden, die ein vernünftiger und wirtschaftlich handelnder Dritter an seiner Stelle zu tragen bereit wäre, urteilte der BGH.
Das jetzige Urteil „Praluent“ folgt dieser Rechtsprechung und ergänzt es um einen wichtigen Aspekt. Denn der BGH stellte klar, dass keine Zwangslizenz verfügt wird, wenn gleichwertige Medikamente für die Behandlung vorliegen. Zudem wurde deutlich, dass klinische Studien zum Beweis der Verbesserung für die Patienten statistisch belastbare Ergebnisse zeigen müssen.
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Quellen:
Pressemitteilung BGH: Urteil vom 4. Juni 2019 – X ZB 2/19
Das Urteil ist noch nicht veröffentlicht.
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