Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil des Bundespatentgerichts (BPatG) vom 1. September 2016 bestätigt und damit den Vertrieb des Aids-Medikaments „Isentress“ weiterhin gestattet. Somit bleibt die vorläufige Erteilung der patentrechtlichen Zwangslizenz für den HIV-Wirkstoff Raltegravir bestehen. Das Hauptsacheverfahren ist jedoch noch nicht geklärt.
Der BGH hat mit seiner Entscheidung vom 11. Juli 2017 die Entscheidung des Bundespatentgerichts, das erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine patentrechtliche Zwangslizenz im Eilverfahren erteilt hat, bestätigt (Hauptsacheverfahren 3 Li 1/16 (EP)). Dadurch ist es Merck (Antragstellerin) erlaubt, das Aids-Medikament „Isentress“ mit dem Wirkstoff Raltegravir weiterhin zu vertreiben. Aber: Verhandlungen im Hauptsacheverfahren, in dem es um eine konkrete Lizenzvereinbarung und die entsprechenden Gebühren des Patents geht, blieben bisher erfolglos und wurden vertagt.
Goldgrube Raltegravir-Patent – Shionogi zieht vor’s LG Düsseldorf
Bereits seit gut 15 Jahren herrscht ein langjähriger Streit zwischen den Pharmafirmen Shionogi (Japan, Antragsgegnerin) und Merck (USA, in Deutschland MSD). Die Japaner hatten damals ein Patent angemeldet, das auch den Wirkstoff des Medikaments, Raltegravir, umfasste. Es wurde 2012 vom Europäischen Patentamt erteilt.
Doch auch Merck war fleißig und meldete 2007 ein eigenes Patent, das den Wirkstoff Raltegravir enthält, an. Shinogi verklagte Merck 2015 beim Landgericht Düsseldorf wegen Patentverletzung auf Unterlassung. Dagegen wehrte sich Merck beim Bundespatentgericht mit dem Antrag auf Erteilung einer Zwangslizenz (wir berichteten).
Das europäische Patent der Japaner wurde im Einspruchsverfahren mit geänderten Schutzumfang aufrechterhalten. Die abschließende Beurteilung der Einsprüche durch die technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts, was Teil des Hauptsacheverfahrens ist, steht aber noch aus.
Gesundheitsversorgung der Bevölkerung geht vor – Zwangslizenz bleibt bestehen
Kurzum: Das Bundespatentgericht stellte sich auf Mercks Seite, weil die Firma gemäß § 24 Abs. 1 PatG zwei wichtige Bedingungen erfüllt hat: Zum einen hatte Merck Shionogi ein Lizenzangebot über zehn Millionen Dollar für eine weltweite Lizenz unterbreitet und zum anderen bestand öffentliches Interesse, da insbesondere auch Schwangere, Kinder und langjährig HIV-Infizierte von dem Medikament profitierten. Auch was die Verträglichkeit mit anderen Medikamenten inkl. möglicher Nebenwirkungen betrifft, ist Isentress empfehlenswert.
Durch den damaligen Beschluss erlaubte das BPatG den Vertrieb von „Isentress“ obwohl der japanische Konzern das Patent für den Wirkstoff in Europa angemeldet hatte.
Patentrechtliche Zwangslizenz: Diese Lehren können aus dem Fall gezogen werden
Das Thema „patentrechtliche Zwangslizenz“ ist zunehmend bedeutender geworden, besonders im Pharma-Bereich, auch wenn eine Zwangslizenz im Eilverfahren nicht allzu häufig vorkommt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs setzt ein klares Zeichen – und zwar, dass die Gesundheitsversorgung („öffentliches Interesse“) einen sehr hohen Stellenwert bei den Gerichten einnimmt, vor allem wenn es sich um eine Erkrankung -wie in diesem Fall- handelt, die nur schwer behandelbar ist.
Die Gesundheit der Menschen überwiegt also den Patentschutz des Inhabers und rechtfertigt eine Verwendung des Patents per Zwangslizenz.
Für Patentinhaber, die in einer ähnlichen Situation sind, ist der Fall ebenfalls wichtig, denn es verdeutlicht, dass es vor allem in der Pharma-Branche durchaus möglich ist, dass Dritte die eigenen Patente verletzen, aber ihr Geschäft (Vertrieb) weiter aufrechterhalten. Wichtig: Im Falle Merck vs. Shionogi konnte man sich, trotz Bemühungen seitens Merck, nicht einigen. 10 Millionen US-Dollar waren den Japanern zu wenig.
Diese Sturheit des Inhabers wurde ihm letztlich, gepaart mit dem sehr hohen Stellenwert der „Gesundheitsversorgung“, zum Verhängnis. Nichtsdestotrotz ist der Fall noch nicht abgeschlossen: Für Shionogi geht es Mitte September 2017 nochmal vor das Bundespatentgericht und auch vor’s LG Düsseldorf, denn diese müssen das Hauptsacheverfahren (Patentverletzung) noch klären!
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Quelle:
Text: Pressemitteilung BGH
Bild: MSD Sharp & Dohme GmbH