Ist das Inverkehrbringen eines Generikums beschränkt beantragt, wenn der Generika Hersteller in der Zusammenfassung der Merkmale und die Packungsbeilage des Arzneimittels diejenigen Indikationen oder Dosierungen des Referenzarzneimittels nicht angibt, die zu diesem Zeitpunkt einen Patentschutz haben? Der EuGH hat heute ein neues Grundsatzurteil in Bezug auf die Genehmigung von Generika getroffen.
Indikationen und Darreichungsformen im Generikum beschränkt beantragt
Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst nach Genehmigung der zuständigen nationalen Behörde in den Verkehr gebracht werden. Auch alle weiteren Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege und Verabreichungsformen sowie alle Änderungen und Erweiterungen müssen genehmigt oder in die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen einbezogen werden, stellte der EuGH heute klar (Urteil vom 21. Nov. 2018, Novartis Farma, C‑29/17 “ Off-Label-Nutzung ohne Verkehrsgenehmigung erlaubt „ ).
Um den Markteintritt von Generika zu erleichtern, sehe jedoch Art. 10 der Richtlinie 2001/83 ein verkürztes Verfahren zur Genehmigung für das Inverkehrbringen vor. Bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen könne ein Generika Hersteller von der Pflicht zur Vorlage von Ergebnissen klinischer und vorklinischer Prüfungen befreit werden. Ein solches Generikum müsse die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweisen und seine Bioäquivalenz muss mit dem Referenzarzneimittel nachgewiesen werden. In einem solchen verkürzten Verfahren dürfen die in einem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums angeführten Indikationen nicht über die Indikationen hinausgehen, die von der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels gedeckt sind, sondern sind grundsätzlich auf diese zu beschränken, urteilte der EuGH. Dies sei eine Ausnahme gemäß Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 vom Grundsatz der Entsprechung der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Generikums und derjenigen des Referenzarzneimittels. So sei es im Sinne der öffentlichen Gesundheit gewollt, um den Markteintritt von Generika nicht bis zum Ablauf aller Patente zu verzögern bei dennoch gleicher Sicherheit und Wirksamkeit.
Der Hintergrund: nachträgliches Carve-out
Zum Streit um das Inverkehrbringen von Generika kam es 2015, als mehrere Generikahersteller, darunter Aurobindo, im Rahmen des dezentralisierten Verfahrens eine Genehmigung beim holländischen CBG (College ter Beoordeling van Geneesmiddelen , Institut zur Beurteilung von Arzneimitteln) beantragten für ein generisches Arzneimittel mit dem Wirkstoff Pregabalin. In den Niederlanden bestand zu diesem Zeitpunkt jedoch noch Patentrechtsschutz aus dem europäischen Patent EP 0 934 061 B3 der Warner-Lambert Company LLC (WLC), Teil des Pfizer-Konzerns, der das Arzneimittel Lyrica mit dem Wirkstoff Pregabalin weltweit für die Indikationen Epilepsie, generalisierte Angststörung und neuropathische Schmerzen vermarktet.
Der ursprüngliche Antrag von Aurobindo im dezentralisierten Genehmigungsverfahren enthielt bezüglich der Indikation neuropathische Schmerzen keinen sogenannten Carve-out (Ausgliederung, Abspaltung), sondern eine Full-Label-Version der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, welche auch die noch patentgeschützte Indikation von WLC umfasste. Dies wollte Aurobindo ändern und die patentgeschützten Indikationen durch Carve-out von der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels streichen, nachdem die Genehmigung erteilt worden war, aber noch vor der Markteinführung ihres generischen Pregabalin-Arzneimittels. Das CBG veröffentlichte jedoch die Full-Label-Version der Zusammenfassung. Vor der Rechtbank Den Haag wollte WLC durchsetzen, dass die veröffentlichte Full-label-Version durch die Carve-out-Version verpflichtend ersetzt wird.
Generikum beantragt im dezentralisierten Verfahren
Wenn ein Generika Hersteller im Rahmen eines dezentralisierten Verfahrens von der in Art. 11 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Ausnahme und Möglichkeit Gebrauch macht, so decke die Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels nur die nicht patentgeschützten Indikationen und Dosierungen ab. Die nicht aufgenommenen patentrechtlich geschützten Merkmale seien dann nicht Gegenstand des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen, ohne dass die zuständige nationale Behörde darüber ein Ermessen verfüge, stellte der EuGH im heutigen Urteil klar. (siehe auch Dezentralisierte Genehmigungsverfahren in der Rechtsprechung des EuGH )
Die niederländische Regierung machte geltend, dass die Entscheidung des Generikum Inhabers, von der Möglichkeit nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 Gebrauch zu machen, sich nicht auf den Umfang der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Generikums auswirke.
Dem widersprach der EuGH in seinem heutigen Urteil. Jedes Arzneimittel, das in den Verkehr gebracht wird, müsse den Bedingungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen entsprechen, die sich in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels widerspiegeln müssen. Die nationale Behörde müsse die Genehmigung für das Inverkehrbringen ändern, um deren Übereinstimmung mit der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels sicherzustellen. Denn eine Mitteilung einer Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, in der bestimmte Indikationen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht enthalten sind, stelle eine Streichung therapeutischer Indikationen dar, die unter die geringfügigen Änderungen des Typs IB fällt (die dem Verfahren nach Art. 9 der Verordnung Nr. 1234/2008 unterliegen), urteilte der EuGH.
Wenn der Generika Hersteller nach dem Ablauf des Patentschutzes die bisher patentrechtlich geschützten Indikationen und Dosierungen seiner Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels hinzufügen möchte, könne er der Genehmigung für das Inverkehrbringen eine Änderung des Typs II nach dem in Art. 10 der Verordnung Nr. 1234/2008 vorgesehenen Verfahren beantragen.
Urteil des EuGH
Zitat: Urteil des EuGH C:2019:125
Das Gericht beantwortete damit die erste Vorlagefrage und klärte eine wichtige Frage zur Zusammenfassung der Merkmale eines Arzneimittels, vor allem für Generika im Rahmen eines dezentralisierten Verfahrens. Die zweite und dritte Vorlagefrage, die sich auf die Veröffentlichung der zuständigen nationalen Behörde bezog, wurde vom EuGH nicht beantwortet, da die Beantwortung nur bei Verneinung der ersten Vorlagefrage relevant gewesen wäre.
Die Generalanwältin Kokott beantwortete den Aspekt der Veröffentlichung der zuständigen nationalen Behörde jedoch in ihrem Schlussantrag zu diesem Fall vom 4. Oktober 2018 ( Schlussantrag C:2018:822 ). Sie argumentierte unter Auslegung der Art. 11 und Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83, eine zuständige Behörde sei an einer Veröffentlichung gehindert, wenn der Generika Hersteller die Behörde hat wissen lassen, dass sie patentrechtlich geschützte Indikationen oder Dosierungen in der Zusammenfassung der Merkmale und der Packungsbeilage nicht angibt.
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Quellen:
EuGH C:2019:125 Warner-Lambert Company LLC
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