Gilt die Vorabinformation und die Zurverfügungstellung eines Packungsmusters an den Markeninhabers als Voraussetzung für Parallelimporte auch für Medizinprodukte? Der EuGH urteilte gestern im Konflikt um den nicht abgestimmten Parallelimport des Verbandmaterials Debrisoft. Doch ebenso wurden wichtige Fragen für Parallelimporte in der EU beurteilt: die Grenzen zwischen Umpacken und Neuetikettierung.
Gilt eine neue Etikettierung als Umpacken?
Nach geltender Rechtsprechung kann ein Markeninhaber Widerspruch gegen das Umpacken mit der Marke versehener Erzeugnisse einlegen. Aber gilt der Reimport eines Medizinprodukts auch als umgepackt, wenn der Parallelimporteur einfach einen zusätzlichen Aufkleber auf das Originalprodukt anbringt? Der Gerichtshof stellte dazu fest, dass der Begriff des Umpackens die Neuetikettierung von mit der Marke versehenen Arzneimitteln umfasst (Urteil vom 26. April 2007, Boehringer Ingelheim u. a., C‑348/04, EU:C:2007:249, Rn. 28). Dem könne der Markeninhaber aber nicht widersprechen, wenn auf der Verpackung ist klar angegeben ist, von wem die Ware umgepackt worden ist und wer deren Hersteller ist.
Die Hintergrundfakten
Markeninhaberin des Ausgangsverfahrens um das Verbandmaterial Debrisoft ist die Lohmann & Rauscher International. Parallelimporteur ist die in Österrreich ansässige Junek Europ-Vertrieb, die nach Österreich exportierte Sanitärprodukte reimportiert, unter anderem auch nach Deutschland. In einer deutschen Apotheke wurde eine Schachtel des Produkts Debrisoft in der Originalschachtel, und mit einem zusätzlichen Etikett der Junek Europ-Vertrieb verkauft. Der Aufkleber war laut Gerichtsurteil auf einem unbedruckten Teil der Schachtel angebracht und verdeckte nicht die Marke von Lohmann & Rauscher International. Da aber Lohmann & Rauscher nicht informiert worden waren über die veränderte Produktverpackung, klagten sie gegen die Junek Europ-Vertrieb wegen Verletzung der Marke Debrisoft.
Das Landgericht Düsseldorf gab der Klage statt. Das OLG Düsseldorf wies die von Junek Europ-Vertrieb eingelegte Berufung ab mit dem Hinweis, dass sich das Verbot, die in Rede stehende Marke zu benutzen, lediglich auf Deutschland beziehe. Daraufhin legte die Junek Europ-Vertrieb beim Bundesgerichtshof Revision ein.
Der EuGH bestätigt den Parallelimporteur
Das Gericht betont, dass bei dem Referenzfall Boehringer (Urteil vom 26. April 2007, Boehringer Ingelheim u. a., C‑348/04, EU:C:2007:249, Rn. 28) die Sachlage anders war. Denn im Boehringer Fall gab es einen „Eingriff des Parallelimporteurs, bei dem nicht nur ein zusätzlicher äußerer Aufkleber auf der Verpackung der betreffenden Arzneimittel angebracht oder diese ersetzt wurde, sondern auch in allen Fällen die Originalverpackung geöffnet wurde“.
Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nach Meinung des Gerichts nicht um ein Umpacken, denn:
- die Verpackung des betreffenden Medizinprodukts wurde nicht verändert
- die ursprüngliche Aufmachung der Verpackung wurde nicht beeinträchtigt
- die Orginalmarke von Lohmann & Rauscher war sichtbar
- der kleine Aufkleber der Junek Europ-Vertrieb wies den Parallelimporteur unter Angabe seiner Kontaktdaten, eines Strichcodes und einer Pharmazentralnummer als Verantwortlichen für das Inverkehrbringen aus
Daher bestätigt der EuGH den Parallelimporteur Junek Europ-Vertrieb und widerspricht damit dem Düsseldorfer Gericht. Der Inhaber einer Marke dürfe sich dem weiteren Vertrieb eines Medizinprodukts in seiner inneren und äußeren Originalverpackung durch einen Parallelimporteur nicht widersetzen, wenn vom Importeur ein zusätzlicher Aufkleber platziert werde, der keine Gefahr für die Herkunftsgarantie des mit der Marke versehenen Medizinprodukts darstellt.
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Quellen:
Curia Europe: ECLI:EU:C:2018:322
Bild:
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