Sind auch für einstweilige Verfügungen in Bezug auf geschützte EU Designs nur die Fachgerichte für geschützte Designs nach Art. 80 Abs. 1 GGV zuständig? Der Generalanwalt erörterte in seinem Schlussantrag die Zuständigkeit der EU Gerichte für geschützte EU Designs mit Blick auf die Ermächtigungsvorschriften der EU Mitgliedstaaten.
Die aus Holland vorgelegte Vorlagefrage bat um die Auslegung von Art. 90 Abs. 1 GGV vor allem im Hinblick auf Artikel 81, in dem eine Ausschließlichkeit der Fachgerichte für geschützte Designs vorgesehen ist. Denn möglicherweise wird die in Artikel 81 vorgesehene Ausschließlichkeit in Artikel 90 aufgehoben, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, neben dem Fachgericht auch andere nationale Gerichte einzuschalten.
Die Sachlage gemäß GGV
Gemäß Art. 80 Abs. 1 GGV sind als Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte (erster und zweiter Instanz) Gerichte benannt, die als Fachgerichte in den jeweiligen Mitgliedstaaten zuständig sind. Diese in den Artikeln 80 und 81 der Verordnung festgelegte Regel impliziere – und darüber gibt es keine Debatte -, dass die Entscheidung über die Begründetheit der betreffenden Streitigkeiten allein Sache der genannten Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte als Sachverständige auf diesem Gebiet ist, führte der Generalanwalt aus.
Artikel 90 Absatz 1 der Verordnung scheine jedoch in Bezug auf Schutz- und einstweilige Maßnahmen einer anderen Logik zu folgen, resümierte der Staatsanwalt. Diese Maßnahmen – zu denen die einstweiligen Verfügungen gehören – können im Zusammenhang mit einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster gemäß Art. 90 „bei den Gerichten eines Mitgliedstaats, einschließlich der Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte, beantragt werden“.
Niederlande zur Struktur der Verordnung Nr. 6/2002
Der Generalanwalt nahm in diesem Zusammenhang Bezug auf das von der niederländischen Regierung vorgetragene Argument bezüglich der „Struktur“ der Verordnung Nr. 6/2002. Nach ihrer Auffassung sei Artikel 90 die allgemeine Regel für Schutz- und einstweilige Maßnahmen, die je nach Art des Verfahrens folgendermaßen ergänzt werden müssen:
- bei Klagen „im Zusammenhang mit der Verletzung und Gültigkeit von Gemeinschaftsgeschmacksmustern“ (Artikel 81) sollten nur die Fachgerichte die entsprechenden Schutz- und einstweiligen Maßnahmen ergreifen können, da sie die ausschließliche Zuständigkeit für solche Verfahren haben;
- für andere als die in Artikel 81 genannten Handlungen sollte Artikel 90 Absatz 1 gelten, der es jedem Gericht eines Mitgliedstaats erlaubt, einstweilige oder Schutzmaßnahmen zu ergreifen, einschließlich der Fachgerichte.
Der Generalanwalt teilte diese Ansicht jedoch nicht. Das System der spezialisierten Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte trage zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung und zur einheitlichen Anwendung der materiellen Regeln für Klagen auf Verletzung und Nichtigkeit bei, führte der Generalanwalt aus. Diese Auffassung von der Rolle der Entscheidung über die Begründetheit spiegle sich in der Struktur der Verordnung Nr. 6/2002 wider.
Generalanwalt plädiert für konzentrierte Zuständigkeit
Artikel 80 konzentriere die Zuständigkeit für die in Artikel 81 genannten Klagen auf eine begrenzte Anzahl von Gerichten, mit dem Ziel, eine einheitliche Auslegung der Bedingungen zu entwickeln, die Gemeinschaftsgeschmacksmuster erfüllen müssen, um rechtsgültig zu sein, stellte der Generalanwalt klar. Dies sei jedoch nicht in Bezug auf Schutz- und einstweilige Maßnahmen zu verfolgen, deren Erlass per Definition befristet ist und die eine endgültige Entscheidung über die Streitigkeit wie die einstweilige Verfügung nicht vorwegnehmen und auch nicht vorwegnehmen sollten.
Denn in der Verordnung Nr. 6/2002 sei die Zuständigkeit für komplexe Sachverhalte (wie Verletzung oder Ungültigkeit des Geschmacksmusters) ausdrücklich den Fachgerichten vorbehalten, argumentierte der Generalanwalt. Da zudem die Beurteilung in Verfahren der Schutz- oder einstweiligen Maßnahmen nicht endgültig ist, bedürfe es keiner Widerklage oder der Intervention des Fachgerichts, das letztendlich darüber zu entscheiden haben wird.
Ist „können“ in Art. 90 eine Ermächtigungsvorschrift?
Wie ist das Verb „können“ zu verstehen in Artikel 90 Absatz 1 der Verordnung Nr. 6/2002? Ist es eine bloße Ermächtigungsvorschrift für die Mitgliedstaaten? Das würde bedeuten, dass die Mitgliedstaaten bestimmten Gerichten die vorsorgliche Zuständigkeit übertragen können.
Der Generalanwalt sieht das jedoch anders. Die Wahlmöglichkeit durch das Wort „können“ betreffe nicht die Mitgliedstaaten, sondern die am Verfahren Beteiligten. Letztlich sollten die Inhaber von Schutzrechten eines Designs gefördert werden, die den gerichtlichen Schutz dieses Geschmacksmusters beantragen.
EV für geschützte EU Designs – keine Zuständigkeit für nationale Gerichte
Beschließe der Betreffende, eine Schutz- und einstweilige Maßnahme zu beantragen bei anderen Gerichten als den nationalen Fachgerichten, so beschränkt sich die Wirkung der von diesen Gerichten getroffenen Schutzmaßnahmen auf den betreffenden Mitgliedstaat, gibt der Generalanwalt zu bedenken.
Die Einbeziehung der Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte sei im Übrigen keineswegs überflüssig, ergänzte der Generalanwalt und wies darauf hin, dass spezielles Fachwissen der Fachgerichte wichtig ist, um Verletzungs- oder Invaliditätsansprüche zu klären.
Da also die Annahme einer Schutzmaßnahme durch die nationalen Gerichte den Zugang zum gerichtlichen Schutz ermöglichen würde, der notwendigerweise spezifisch für diese Art von Verfahren ist und von Dringlichkeit gekennzeichnet ist, könne ein solcher Fall in dieser Phase des Verfahrens nicht vollständig geprüft werden, was jedoch allein Sache der Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte ist, führte der Generalanwalt aus.
Der Generalanwalt plädierte daher für die Auslegung von Art. 90 GGV in der Weise, dass die für das nationale Geschmacksmuster zuständigen nationalen Gerichte einstweilige Maßnahmen oder Schutzmaßnahmen in Verfahren im Zusammenhang mit der Verletzung oder Gültigkeit von Gemeinschaftsgeschmacksmustern anordnen können, bei denen die Zuständigkeit für die Entscheidung jedoch ausschließlich bei den gemäß Artikel 80 Absatz 1 GGV benannten Gerichten liegt.
Update vom 9. Dezember 2019:
Inzwischen urteilte der EuGH zu dieser Frage: anders als der Generalanwalt stellte der EuGH stellt die Nähe der Gerichte über die Spezialisierung:
Die Gerichte der Mitgliedstaaten, die auch für den nationalen Designschutz zuständig sind, sind demnach auch zuständig für den Erlass von einstweiligen Verfügungen in Bezug auf Gemeinschaftsgeschmacksmuster.
Link zum EuGH Urteil: Zuständigkeit der Gerichte für EU Designs
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