Ein Rechtsstreit über ähnliche Designs für medizinische Pflaster wurde vor dem EuG entschieden. Das Gericht bejahte eine geringe Gestaltungsfreiheit im Design für medizinisches Pflaster und definierte den „informierten Benutzer“.
Ein Rechtsstreit über ähnliche Designs für medizinische Pflaster wurde vor dem Europäischen Gericht entschieden: Der EuGH wies die Nichtigkeitsklage des Inhabers eines älteren ähnlichen Geschmacksmusters zurück. Wichtig in dem Fall war die geringe Gestaltungsfreiheit des Designers für medizinische Pflaster.
Der Sachverhalt
Im August 2012 hatte die Streithelferin, die Andreas Fahl Medizintechnik-Vertrieb GmbH (Deutschland), ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster für medizinische Pflaster in Klasse 24-04 des Abkommens von Locarno angemeldet. De Klägerin, die Atos Medical GmbH (Deutschland), stellte daraufhin im April 2016 beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung und machte geltend, das angegriffene Geschmacksmuster erfülle die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 nicht, da es ihm an Neuheit und Eigenart im Sinne der Art. 5 und 6 dieser Verordnung fehle.
Locarno Klassifikation
Seit Januar 2019 ist die 12. Ausgabe der Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle in Kraft, die sogenannte Locarno-Klassifikation. Bei allen Designanmeldungen werden die Designs im Rahmen der Locarno Klassifikation Warenbegriffen zugeordnet. Die aktuelle Einordnung nach Locarno Klassifikation ist auch über die Informationsseite des DPMA zu Designs verfügbar. Das DPMA bietet zur Recherche der vorhandenen Warenbegriffe eine Suchmaschine an. Allerdings weist die Locarno Klassifikation auch zahlreiche Unterklassen auf.
Die Nichtigkeitsabteilung erklärte das Design für nichtig, doch die Beschwerdekammer hob diese Entscheidung auf und wies die Nichtigkeitserklärung des angefochtenen Designs zurück. Vor dem Europäischen Gericht brachte die Klägerin Argumente für die Nichtigkeit des Designs vor, die sich auf die Offenbarung durch ältere Geschmacksmuster der Klägerin bezogen und auf den Vergleich zwischen diesen älteren Geschmacksmustern und dem angefochtenen Design.
Geringe Gestaltungsfreiheit
Mit Entscheidung vom 29. Juni 2018 (angefochtene Entscheidung) hob die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf (die das Design für nichtig erklärt hatte) und wies den Nichtigkeitsantrag zurück. Die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers sei bei den betreffenden Waren, nämlich Tracheostomapflastern, eingeschränkt, unter anderem würden die Größe und die Form des Pflasters durch die Abdeckung des Tracheostomas, die sichere Befestigung des Hilfsmittels bestimmt. Die geringe Gestaltungsfreiheit im Design eines Pflasters bestätigte auch der EuG. Das ist von Bedeutung, denn je größer die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto größer und deutlicher müssen die Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern sein in Hinblick auf den Gesamteindruck der informierten Benutzer.
Der informierte Benutzer – zwischen Fachmann und Verbraucher
In diesem Zusammenhang erläuterte das Gericht auch den Begriff „informierter Benutzer“. Ein solcher sei keineswegs ein Fachmann, aber dennoch mehr als ein Durchschnittsverbraucher. Von ihm können keine profunden technischen Fertigkeiten erwartet werden, dennoch sei ihm eine besondere Wachsamkeit zu eigen aufgrund seiner persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich, erläuterte der EuG. Im vorliegenden Fall sei der informierte Benutzer mit den Merkmalen von Tracheostomapflastern und den verschiedenen Geschmacksmustern in diesem Bereich vertraut.
Eigenart eines Designs
Auch die Eigenart des angefochtenen Designs wurde detailliert besprochen. Nach der Rechtsprechung beruht die Eigenart eines Geschmacksmusters darauf, dass aus der Sicht eines informierten Benutzers in Bezug auf den vorbestehenden Formenschatz ein Unterschied im Gesamteindruck oder kein „Déjà-vu“ bestehe, wobei die Unterschiede berücksichtigt werden, die hinreichend ausgeprägt sind, um einen unähnlichen Gesamteindruck hervorzurufen.
Lesen Sie dazu auch gerne unseren Beitrag: Eigenart eines Geschmackmusters- gibt es ein „Déjà-vu“?
Der EuG wies im vorliegenden Fall darauf hin, dass auch eine etwaige Sättigung des Stands der Technik sowie die Art der Benutzung des fraglichen Erzeugnisses, insbesondere im Hinblick auf die dafür übliche Bedienungsweise, zu berücksichtigen seien bei der Beurteilung der Eigenart eines Designs. Obwohl die älteren Geschmacksmuster und das angefochtene Design gemeinsame Merkmale aufweisen (eine leicht asymmetrische Grundform, halbrunde seitliche Ausbuchtungen, eine kreisrunde Öffnung und eine rechteckige Ausbuchtung am rechten Ende), hielt der EuG ebenso wie die Beschwerdekammer die kleinen Unterschiede für so prägend, dass der Gesamteindruck ein anderer sei.
Kleine Unterschiede fand das Gericht in der Form des Pflasters, das bei dem angefochtenen Design oval und deutlich bauchiger sei als bei den älteren Geschmackmustern. Es lasse sich aus dem Umstand, dass die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster eine im weiten Sinn runde oder ovale Grundform aufweisen, nicht folgern, dass sie den gleichen Gesamteindruck hervorrufen, da es sich um ein Erzeugnis handelt, für das eine solche Form von Relevanz ist, um unnötige Klebeflächen zu vermeiden, führte das Gericht aus.
Der EuG wies daher die Nichtigkeitsklage ab und bestätigte die angefochtene Entscheidung der Beschwerdekammer des EUIPO.
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Bei der Anmeldung eines Designs überprüft das Amt nicht, ob bereits andere sehr ähnliche oder sogar identische Designs eingetragen sind. Der Schutz Ihres Designs erfordert daher eine gute Recherche. Kommen Sie gerne auf uns zu, unser Anwälte sind erfahren darin, ein Design zu schützen und zu verteidigen.
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