Urheberschutz im Industriedesign wurde mit dem heutigen Urteil des EuGH bestätigt. Allerdings rechtfertigt sich ein zusätzlicher Urheberschutz plus Designschutz nicht durch Ästhetik und ästhetische Wirkung, sondern nur durch geistige Schöpfung mit Originalität. Mode und Fashion können demnach nicht unter Urheberschutz stehen.
Der Sachverhalt
Das oberste Gericht in Portugal, das Supremo Tribunal de Justiça, ersuchte in diesem Fall Cofemel den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Auslegung im Spannungsfeld zwischen Urheberrecht und Designrecht, formell um die Auslegung des Artikels 2 Buchstabe a) der Richtlinie 2001/29:
Können eingetragene Designs – vormals Geschmacksmuster – urheberrechtlich geschützt werden, auch wenn sie keinen einen besonderen künstlerischen Charakter haben?
Und wie groß ist den Ermessensspielraum der EU Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Gewährung des urheberrechtlichen Schutzes von Geschmacksmustern festzulegen?
Industriedesign und angewandte Kunst – funktional oder originell?
Ein funktionaler Charakter der Objekte der angewandten Kunst schließt einen Schutzanspruch unter Design- wie auch Urheberrecht oftmals aus, umso mehr, wenn die Herstellung industriell und in großen Mengen erfolgt. Dennoch können Objekte der angewandten Kunst auch ein hohes Maß an Originalität aufzeigen.
Daher sehen viele nationale Rechtsordnungen – insbesondere für angewandte Kunst wie Industriedesign, Designarbeiten und Mode – Möglichkeiten vor, den Urheberrechtsschutz nur für Designs von hohem künstlerischen Wert zu gewähren. Der Generalanwalt Szpunar öffnete die Tür für Urheberschutz im Industriedesign und plädierte in seinem Schlussantrag für keine erhöhten Anforderungen für Objekte, die bereits als Geschmacksmuster unter Designschutz stehen – wenn der schöpferische Aspekt gegeben ist.
Lesen Sie gerne mehr dazu unter Designschutz und Urheberschutz – auch für Mode?
Der schöpferische Aspekt wurde auch im heutigen Urteil des EuGH behandelt.
Der Begriff „Werk“ im Sinne der Richtlinie 2001/29
In einem ersten Schritt sei zu bestimmen, ob Modelle überhaupt als „Werke“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 eingestuft werden können. Denn der Begriff „Werk“ wird nicht durch eine entsprechende Richtlinie definiert und ist daher ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts. Umso wichtiger ist heutige Definition des EuGH.
Der Begriff „Werk“ sei durch zwei Tatbestandsmerkmale definiert, führte der EuGH aus. Zum einen müsse es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen sei die Einstufung als „Werk“ Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen.
Wann aber handelt es sich um Orginalität? Auch dies präzisierte das Gericht in seinem Urteil.
Ein Gegenstand könne bereits dann als Original angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegele, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt, so der EuGH. Gleichzeitig setze der Begriff Werk aber auch einen mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand voraus, stellte der EuGH klar.
Internationale Abkommen zum Urheber- und Designschutz
Wenn es sich um ein Werk handelt, greifen auch internationale Abkommen zum Urheber- und Designschutz. Denn Art. 2 Abs. 7 der Berner Übereinkunft gestattet es den Vertragsparteien, gewerblichen Mustern und Modellen einen besonderen Schutz zu gewähren, der sich von dem Schutz für die unter dieses Übereinkommen fallenden Werke der Literatur und der Kunst unterscheidet und diesen gegebenenfalls ausschließt, und die Voraussetzungen für einen solchen Schutz festzulegen.
Gleichzeitig schließe diese Bestimmung auch eine kumulative Anwendung der beiden Schutzarten nicht aus, urteilte heute der EuGH. Objekte, die bereits als Geschmacksmuster unter Designschutz stehen, können daher grundsätzlich zusätzlich auch Schutz nach Urheberrecht beanspruchen – wenn es sich um ein „Werk“ mit Orginalität handelt.
Rechtfertigt ästhetische Originalität Urheberschutz für ein Design?
Das vorlegende Gericht wollte wissen, ob für ein Bekleidungsmodell eine ästhetische Originalität – über den Gebrauchszweck hinaus ein eigener, ästhetisch markanten visueller Effekt – , das grundlegende Kriterium für die Gewährung des Schutzes nach der Richtlinie 2001/29 ist. Der EuGH verneinte dies mit seinem heutigen Urteil.
Der Schutz von Mustern und Modellen (Designschutz) und der mit dem Urheberrecht verbundene Schutz nach dem Unionsrecht kann kumulativ für ein und denselben Gegenstand gewährt werden. Dennoch dürfe urheberrechtlichen Schutz für einen als Muster oder Modell geschützten Gegenstand nicht dazu führen, dass die Zielsetzungen und die Wirksamkeit dieser beiden Schutzarten beeinträchtigt werden, führte der EuGH aus. Daher komme diese Kumulierung der beiden Schutzarten nur in bestimmten Fällen in Frage, urteilte das höchste Europäische Gericht und präzisierte dies vor allem mit Blick auf Mode, Fashion und Haute Couture.
Ästhetik ist subjektiv – kein Kriterium für Urheberschutz
Ästhetische Erwägungen sind Teil der schöpferischen Tätigkeit, bestätigte das Gericht. Gleichwohl ermögliche der Umstand, dass ein Modell eine ästhetische Wirkung hat, für sich genommen nicht die Feststellung, ob es sich bei diesem Modell um eine geistige Schöpfung des ‚Werks‘ (im Sinne der Richtlinie 2001/29) handelt. Vielmehr sei die ästhetische Wirkung, die ein Modell erzielt, eine subjektive Wirkung nach persönlicher Schönheitsempfindung, ohne einen mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand.
Zudem sind Muster und Modellen zwar neu und individualisiert, sie dienen aber dem Gebrauch und sind für die Massenproduktion gedacht, führte der EuGH aus. Aus alldem folge, dass Muster und Modelle nicht als „Werke“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 einzustufen sind, auch wenn sie einen eigenen, ästhetisch markanten visuellen Effekt hervorrufen.
Mode und Fashion und selbst Haute Couture können demnach nicht unter Urheberschutz stehen.
Keine nationale Sonderregelungen
Darüber hinaus schloss der EuGH auch abweichende nationale Regelungen aus, wie verschiedene EU Mitgliedsstaaten sie in ihrer Rechtsprechung etabliert haben. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG sei dahin auszulegen, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, nach der Modelle wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bekleidungsmodelle urheberrechtlich geschützt sind, weil sie über ihren Gebrauchszweck hinaus einen eigenen, ästhetisch markanten visuellen Effekt hervorrufen, urteilte der EuGH.
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Quellen:
Urteil des EuGH, EU:C:2019:721
Bild:
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