Steht einem Arbeitnehmererfinder eine Vergütung zu, wenn eine Diensterfindung nicht verwertet oder nicht ausgeschöpft wird? An den Erfindungswert aufgrund nicht ausgeschöpfter Verwertung der Erfindung werden hohe Anforderungen gestellt.
Wirtschaftliche Verwertbarkeit – auch bei nicht genutzter Diensterfindung
Der deutsche Gesetzgeber sieht im Ausnahmefall mit dem Begriff „wirtschaftliche Verwertbarkeit“ die Möglichkeit der Verwertung einer Diensterfindung vor, die an sich im Betrieb besteht, aber tatsächlich nicht ausgenutzt wird (Bundestagsdrucksache 1648 – Begründung Teil B).
So ist es auch in den Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst von 1959 formuliert, bis heute Basis und wichtiger Anhaltspunkt für die Berechnung einer angemessenen Erfindervergütung.
Gemäß der Vergütungsrichtlinien „sind bei der Ermittlung des Erfindungswertes die unausgenutzten Verwertungsmöglichkeiten im Rahmen der bei verständiger Würdigung bestehenden wirtschaftlichen Möglichkeiten zu berücksichtigen“ (Zitat aus Nr. 24 der Vergütungsrichtlinen).
Was aber ist konkret unter „Würdigung bestehender wirtschaftlichen Möglichkeiten“ zu verstehen?
Die Schiedsstelle des DPMA hat die „wirtschaftliche Verwertbarkeit“ in ihrer Entscheidung Arb.Erf. 35/17 präzisiert. An die Annahme eines Erfindungswerts für nicht verwertete Erfindungen sind strenge Anforderungen zu stellen, stellte die Schiedsstelle klar, denn es gelte der Schutz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1, Art. 12 und Art. 14 Grundgesetz. Dies beruht auf der Tatsache, dass der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko trägt für jede Art der wirtschaftlichen Betätigung.
Ein Erfindungswert aufgrund nicht ausgeschöpfter Verwertungsmöglichkeiten komme daher nur dann in Betracht, wenn es wirtschaftlich nicht vertretbar wäre, mit einer Diensterfindung verbundene Verwertungsmöglichkeiten nicht zu nutzen, urteilte die Schiedsstelle. Dafür reiche es aber nicht, dass eine Diensterfindung gegebenenfalls objektiv verwertbar oder für eine bestimmte Verwendung von gesteigertem Interesse ist. Dem Arbeitgeber stehe ein weiter Beurteilungsspielraum einschließlich einer Kosten-Nutzen-Analyse zu.
Maßgebend für die Annahme eines Erfindungswerts aufgrund unterlassener Verwertung sei daher, ob die Überlegungen eines Arbeitgebers zur Nichtverwertung absolut unbegründet sind und jeglicher wirtschaftlicher Vernunft widersprechen, präzisierte die Schiedsstelle.
Gründe gegen die Verwertung der Erfindung
Grundsätzlich sehen die Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindern mehrere Gründe für die Entscheidung vor, eine Diensterfindung nicht zu verwerten.
- Vorratspatent und Ausbaupatent
Es handelt sich bei Vorratspatente um Patente für Erfindungen, die im Zeitpunkt der Erteilung des Patents noch nicht verwertet werden oder noch nicht verwertbar sind, mit deren späterer Verwertung oder Verwertbarkeit aber zu rechnen ist. Ein Vorratspatent hat einen Erfindungswert aufgrund der reellen Erwartung einer Verwertbarkeit; der konkrete Wert soll gemäß der Vergütungsrichtlinien geschätzt werden. Dies hat sich aber als praxisuntauglich erwiesen, daher wendet die Schiedsstelle die Erfahrungssätze aus der eigenen ständigen Entscheidungspraxis an. Für Vorratspatente wird daher ein jährlicher Erfindungswert von 640 EUR bis 770 EUR angesetzt, erstmals zu zahlen ab dem 8. Patentjahr gerechnet ab der Patentanmeldung – nach Ablauf der siebenjährigen Überlegungsfrist aus § 44 Abs. 2 PatG.Vorratspatente, die lediglich bestehende Patente verbessern, werden als Ausbaupatente bezeichnet. - Nicht verwertbare Erfindungen
Aus der Patenterteilung ergibt sich kein automatischer Erfindungswert. Denn die Prüfung durch das Patentamt bezieht sich zwar auf Neuheit, Fortschrittlichkeit und Erfindungshöhe, nicht aber darauf, ob die Erfindung mit wirtschaftlichem Erfolg verwertet werden kann. Und nur in dem Fall besteht ein Anspruch auf Erfindungsvergütung. Die Richtlinien sehen aber vor, dass Erfindungen, die nicht verwertet werden können und auch als Vorratspatent keinen Wert haben, dem Erfinder freigegeben werden sollten. - Erfindungen, deren Verwertbarkeit noch nicht feststellbar ist
Wenn und solange der Arbeitgeber eine Diensterfindung prüft und erprobt und dabei die wirtschaftliche Verwertbarkeit noch nicht feststeht, gilt die Zahlung einer Vergütung in der Regel als nicht angemessen. Zwar besteht die Möglichkeit, dass sich eine Verwertbarkeit ergibt. Diese Möglichkeit wird aber dadurch angemessen abgegolten, dass der Arbeitgeber auf seine Kosten die Erfindung überprüft und erprobt und damit seinerseits dem Erfinder die Gelegenheit einräumt, bei günstigem Prüfungsergebnis auch eine Vergütung zu erhalten.Die Frist für eine solche Prüfung sollte nach Vergütungsrichtlinien drei bis fünf Jahre nach Patenterteilung nur in besonderen Ausnahmefällen überschreiten. Denn nach diesem Zeitraum sei es doch sehr wahrscheinlich, dass der Arbeitgeber die Diensterfindung als Vorratspatent sehe.
Akt der Unbilligkeit?
Es ist natürlich auch möglich, dass eine Erfindung nicht verwertet oder ausgeschöpft wird und es sich dabei um einen Akt der Unbilligkeit des Arbeitgebers handelt, um beispielsweise Kosten für die Aufrechterhaltung des Patents oder die Erfindervergütung zu sparen.
An die Unbilligkeit einer Vereinbarung oder einer Festsetzung der Vergütung gemäß § 23 ArbEG werden ebenfalls hohe Anforderungen gestellt. Die Unbilligkeit muss der geschlossenen Vereinbarung von Anfang anhaften, stellte die Schiedsstelle des DPMA in ihrer Entscheidung Arb.Erf. 52/13 dazu klar. Abweichungen des tatsächlichen von dem geschätzten Nutzungsumfang machen die Vergütungsvereinbarung nicht unbillig, wenn der geschätzte Benutzungsumfang nach den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegenden Erkenntnissen plausibel war, betonte die Schiedsstelle. Eine Neuregelung der Vergütung (§ 12 Abs. 6 S.1 ArbEG) sei bei nur bei wesentlich geänderten Umständen möglich gegenüber dem Zeitpunkt der Festsetzung der Vergütung.
Vergleichen Sie dazu auch gerne: Diensterfindung: Keine Vergütung nach Gewinn
In Bezug auf Pauschalvergütungen gibt die Praxis der Schiedsstelle dazu auch konkrete Zahlen vor. Denn eine Unbilligkeit von Pauschalabfindungen nimmt die Schiedsstelle erst dann an, wenn der tatsächliche Nutzungsumfang etwa dreimal so hoch ist wie die prognostizierte Nutzung (siehe Arb.Erf. 52/13). Und auch die Forderung einer Neuregelung der Vergütung nach § 12 greift bei Pauschalvereinbarungen erst, wenn das Nutzungsvolumen das Dreifache der Prognose überschreitet.
Auf die Unbilligkeit einer Vereinbarung oder einer Festsetzung der Vergütung können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Übrigen nur berufen, wenn sie die Unbilligkeit spätestens bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Erklärung in Textform gegenüber dem anderen Teil geltend machen (§ 23 Abs. 2 ArbEG).
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Quellen:
Entscheidung der Schiedsstelle des DPMA – Arb.Erf. 52/13
Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst
Bild:
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