Kürzlich urteilte der BGH unter dem Titel ‚Sektionaltor II‘ in einer jahrelangen Auseinandersetzung zwischen Wettbewerbern und Miterfindern im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Garagentoren. Es ging um den Ausgleichsanspruch für Miterfinder.
Eine Erfindung als materiellen Wert auszudrücken ist nicht immer einfach. Gar nicht so selten sind auch zwei oder mehrere Mitberechtigte an einer Erfindung beteiligt. In solchen Fällen besteht ein Ausgleichsanspruch des oder der Mitberechtigen an der Erfindung und den auf die Erfindung erteilten Patente und damit ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen.
Ausgleichsanspruch auf die gemeinsame Erfindung
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehen die europäischen Patente 1 176 279 (Streitpatent 1) und 1 176 280 (Streitpatent 2), mit denen sich die Beklagte auf die gemeinsame Erfindung an einem Sektionalgaragentor Patentrechte gesichert hat. Ein finanzieller Ausgleichsanspruch zwischen zwei oder mehr Mitberechtigen an einem Patent oder einer Patentanmeldung ist geregelt gemäß § 745 Abs. 2 BGB .
Ein solcher Ausgleichsanspruch gilt auch dann, wenn er im Verlauf eines Rechtsverfahrens nicht sofort gefordert wird. Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin zunächst eine Alleinberechtigung auf die Erfindung geltend gemacht und einen Ausgleichsanspruch auch nicht hilfsweise erhoben. Auf die Ausgleichsforderung hat das aber keinen Einfluss. Denn der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs eines Miterfinders ist unabhängig von einer rechtskräftigen Bestätigung und damit auch unabhängig von dem Zeitpunkt, an dem der Anspruch rechtlich geltend gemacht wurde. Dies ist wichtig für die Verjährungsfrist.
Ausgleichsanspruch muss eingefordert werden
Dennoch entsteht ein Ausgleichsanspruch erst von dem Zeitpunkt an, wenn er „mit hinreichender Deutlichkeit“ eine Zahlung für die Benutzung einer gemeinsamen Erfindung verlangt hat. Ein Miterfinder, der nicht selbst eine Ausgleichszahlung einfordert und entsprechende Argumente für seinen Anspruch hat, hat auch kein Recht darauf. (BGH, Urteil vom 22. März 2005 – X ZR 152/03, BGHZ 162, 342, 348 – Gummielastische Masse II). Im vorliegenden Fall aber hatte die Klägerin eindeutig und schriftlich ihre Ansprüche geltend gemacht.
In einem weiteren Teilaspekt ging der BGH auch auf die Argumentationslinie für einen Ausgleichsanspruch ein. Das Gericht stellte klar: Die Begründung des Miterfinders für einen eigenen Ausgleichsanspruch muss nicht von dem Beklagten akzeptiert werden. Das Gericht kann die Argumente auch anerkennen, obwohl der Beklagte ihnen nicht zustimmt. Dies gilt sogar dann, wenn in der Begründung des Miterfinders dieselben Gründe für den Anspruch genannt sind, aus denen der Miterfinder von einer eigenen Nutzung der Erfindung abgesehen hat und dies sogar freiwillig.
Der Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Garagentoren. Sie streiten über Ausgleichsansprüche wegen der Nutzung von zwei ihnen gemeinsam zustehenden Erfindungen durch die Beklagte.
Die Beklagte reichte am 28. Juli 2000 zwei ein Sektionaltor betreffende Patentanmeldungen ein, aus denen die europäischen Patente 1 176 279 (Streitpatent 1) und 1 176 280
(Streitpatent 2) hervorgegangen sind. Der Hinweis auf die Erteilung der Schutzrechte ist am 27. November 2013 bzw. am 19. Februar 2014 bekannt gemacht worden.
Die Klägerin nahm die Beklagte aufgrund einer Abtretungsvereinbarung mit dem von ihr als alleinigem Erfinder angesehenen L. W. auf Abtretung der Rechte aus den beiden Anmeldungen, hilfsweise auf Einräumung einer Mitberechtigung in Anspruch. Mit rechtskräftigem Urteil vom 22. Dezember 2011 (2 U 15/04) verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf die Beklagte zur Einräumung einer Mitberechtigung. Ferner stellte es einen auf die Klägerin entfallenden ideellen Anteil von jeweils 5 Prozent fest.
Was ist eine angemessene Vergütung für einen Ausgleichsanspruch?
Auch die Höhe des Ausgleichanspruchs wurde vor dem BGH verhandelt. Das Berufungsgericht hat durch Grund- und Teilurteil festgestellt, dass der Klägerin gegen die Beklagte wegen Benutzung des deutschen Teils der beiden Patente dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch in Geld zustehe und dass die Höhe dieses Anspruchs nach Lizenzgrundsätzen zu bemessen sei.
Je nach der Art und dem Zustandekommen der Erfindung (technischer und monetärer Aufwand, Komplexität) kann sich die Berechnung der von Erfindervergütungen und Ausgleichzahlungen für Miterfinder auf der Grundlage dieser Richtlinien einfach, aber auch kompliziert gestalten. Grundlage für die Berechnung ist die sogenannte Lizenzanalogie, die sich nach folgender Formel berechnet:
Erfindungwert = Bezugsgröße x Lizenzsatz in %
Für die Bestimmung des Lizenzsatzes wird berücksichtigt, welche Lizenzsätze in vergleichbaren Fällen freien Erfindern gezahlt werden. Der jeweilige Lizenzsatz muss mit Genauigkeit und Erfahrung ermittelt werden, denn die Spreizung ist groß. Übliche Lizenzsätze liegen zwischen 0,5 und 2 %, können aber beispielsweise in der Pharmaindustrie sogar 2 bis über 5 % betragen. Grundsätzlich orientiert sich der Lizenzsatz am Umsatz. Es wird die Frage gestellt, wie viel % des erzielten (Produkt-)Umsatzes auf die Erfindung zurückzuführen ist.
Auch die Bezugsgröße wird genau festgelegt, denn natürlich ist für den Erfindungswert von großer Bedeutung, ob das gesamte Produkt patentiert ist oder nur ein Teil des Produkts. Im vorliegenden Fall war zudem wichtig, wie groß der deutsche Teil der beiden benutzten Patente war, denn darauf wurde der Ausgleichsanspruch berechnet.
Hat man diese Größen festgesetzt, kann die Lizenzanalogie schnell berechnet werden.
Umsätze auf Produkte oder Dienstleistungen lassen sich nicht immer leicht vorhersehen; gerade wenn die Erfindung einen entscheidenden Beitrag für einen besseren Verkauf leistet, können Umsätze in Folge der Erfindung unerwartet gut ausfallen. Um dem gerecht zu werden, geht oft eine zusätzliche Berechnung in die Gesamtbetrachtung. Denn die Erfindervergütung kann und sollte gestaffelt sein, um einen besonderen Umsatzerfolg oder eine unerwartete Steigerung der Gewinnmargen zu berücksichtigen.
Rechnungslegung und Vorlage von Belegen
Außerdem entschied das Gericht, dass die Beklagte die Rechnungslegung über die Vertriebshandlungen und die hierbei erzielten Umsätze zu leisten habe. Ausschlaggebend war hier, ob die Erteilung von Belegen bei demjenigen Vorgang üblich ist, den der Beleg dokumentieren soll. Dies sah das Gericht bei einem Unternehmen für die Herstellung und Vertrieb von Garagentoren als gegeben an.
Grundsätzlich jedoch stellte das Gericht fest, dass ein Anspruch auf Vorlage von Belegen nur dann besteht, wenn in vergleichbaren vertraglichen Beziehungen üblicherweise Belege vorgelegt werden. Als Vorinstanz für Lizenzverträge wurde ein Anspruch auf Vorlage von Belegen klar verneint.
Fazit:
Es besteht ein Ausgleichsanspruch auf die gemeinsame Erfindung, auch wenn er im Verlauf eines Rechtsverfahrens nicht sofort gefordert wird. Und da auch eine Vorlage von Belegen für den Nachweis der erzielten Umsätze vom Gericht verlangt wurde, erhöht dies die Chancen für Miterfinder, eine wirklich angemessene Ausgleichszahlung erhalten zu können.
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Quellen:
Juris Bundesgerichtshof, Sektionaltor II
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