Lassen sich geniale Ideen, die in Programmcode verpackt sind, patentieren und dadurch vor Dritten schützen? Das deutsche Patenrecht argumentiert ebenso wie das europäische mit „nein„. Doch das stimmt nicht ganz, denn es ist durchaus möglich Software zu patentieren, auch wenn es eher selten vorkommt. Entscheidend ist, was die Software genau macht. “Wir zeigen Ihnen die Rechtsgrundlagen.
Software als wesentlicher Bestandteil unserer heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft (und inzwischen auch weit darüber hinaus) trägt selbst in herkömmlichen technischen Produkten zunehmend zu deren Wertschöpfung bei. Umso wichtiger ist es, diese durch geeignete Maßnahmen vor Nachahmung zu schützen.
Softwarepatente werden seit Jahren von Politikern, Lobbyisten und Medien leidenschaftlich diskutiert und vor allem bei Wissenschaftlern hält sich vehement die Meinung, dass es nicht möglich ist, Software durch Patente zu schützen.
Wenn sie aber einen technischen Charakter hat, wie z.B. einen technischen Effekt, ein zu lösendes technisches Problem oder technische Merkmale oder wenn sie auf technischen Erwägungen beruht, ist eine Patentierung durchaus möglich – es kommt aber auf den einzelnen Fall an!
Zur Erinnerung: Ein Patent wird für eine Erfindung erteilt, die
- neu ist
- auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht
- gewerblich anwendbar ist.
In den folgenden Zeilen möchten wir Licht ins Dunkle bringen:
„Software-Patente“ – was ist eigentlich genau damit gemeint?
Eine sehr gute Zusammenfassung kommt unmittelbar vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO):
Der Begriff „Software“ ist mehrdeutig, denn er kann sich sowohl auf eine Liste von Computerbefehlen beziehen, die zur Umsetzung eines Algorithmus in einer Programmiersprache geschrieben ist, als auch auf den in einer computergesteuerten Vorrichtung geladenen Binärcode, und er kann die zugehörige Dokumentation umfassen. Anstelle dieses mehrdeutigen Begriffs wurde deshalb das Konzept der computerimplementierten Erfindung eingeführt.
Eine „computerimplementierte Erfindung“ ist eine Erfindung, bei der ein Computer, ein Computernetz oder eine sonstige programmierbare Vorrichtung eingesetzt wird und die mindestens ein Merkmal aufweist, das ganz oder teilweise mit einem Computerprogramm realisiert wird.
Laut EPÜ ist ein Computerprogramm „als solches“ keine patentfähige Erfindung (Artikel 52 (2) c) und (3) EPÜ). Auf reine Programmbefehlslisten werden keine Patente erteilt; sie unterliegen dem Urheberrecht. Auf eine computerimplementierte Erfindung wird nur dann ein Patent erteilt, wenn damit eine technische Aufgabe auf nicht naheliegende Weise gelöst wird.
Computerimplementierte Erfindungen schützen – rechtlicher Rahmen
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen ist die grundlegende Vorschrift, wonach ein Patent für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik zu erteilen ist, sofern sie neu, erfinderisch, gewerblich anwendbar und nicht ausdrücklich vom Patentschutz ausgeschlossen sind (Artikel 52 EPÜ).
Im EPÜ werden zwar die Erfordernisse der Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit und der gewerblichen Anwendbarkeit ausführlich dargelegt, eine rechtliche Definition des Begriffs „Erfindung“ fehlt hingegen. Gemäß der europäischen Rechtstradition ist der Patentschutz jedoch seit jeher technischen Schöpfungen vorbehalten.
Der Gegenstand des Schutzbegehrens muss daher „technischen Charakter“ aufweisen. Diese Bedingung MUSS erfüllt sein, damit die Erfindung nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist. Statt eine genaue Definition der „Erfindung“ zu geben, enthält das EPÜ eine Auflistung von Gegenständen und Tätigkeiten, die nicht als „Erfindungen“ gelten, darunter „Programme für Datenverarbeitungsanlagen“.
Merke: Um sich der Frage „Kann ich meine Software patentieren?“ zu nähern, sollten Sie sich vorab die Frage stellen „Löst meine Software ein technisches Problem? Und ist die Lösung aus Sicht des Programmierers technisch (besonders) raffiniert?„.
Aus der Praxis – wegweisende Entscheidungen aus der Rechtsprechung
Zwei Kennungen/Comvik (T 641/00):
technisch, aber nicht erfinderisch.
SIM-Karte mit zwei Kennungen (z. B. beruflich und privat).
Bei einer Erfindung, die aus einer Mischung technischer und nicht technischer Merkmale besteht und als Ganzes technischen Charakter aufweist, sind in Bezug auf die Beurteilung des Erfordernisses der erfinderischen Tätigkeit alle Merkmale zu berücksichtigen, die zu diesem technischen Charakter beitragen, wohingegen Merkmale, die keinen solchen Beitrag leisten, das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht stützen können.
Auktionsverfahren/Hitachi (T 258/03):
technisch, aber nicht erfinderisch.
Internetgestütztes Auktionsverfahren, gekennzeichnet durch die Auktionsregeln.
Die angeblich gelöste technische Aufgabe wurde in diesem Fall durch das Programm nicht gelöst, sondern vielmehr umgangen. (Außerdem wurde festgestellt, dass ein Verfahren, das technische Mittel welcher Art auch immer umfasst, eine Erfindung, d. h. technisch ist.)
Schaltkreissimulation I/Infineon Technologies (T 1227/05):
technisch und erfinderisch.
Konkrete technische Anwendungen computergestützter Simulationsverfahren sind auch dann als Erfindungen im Sinne des Artikel 52 (1) EPÜ anzusehen, wenn sie mathematische Formeln umfassen. Schaltkreissimulationen weisen den erforderlichen technischen Charakter auf, weil sie einen wesentlichen Bestandteil des Fabrikationsprozesses für Schaltkreise darstellen.
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Quelle:
Text: EPO.org / softwarepatents.eu
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