Vor dem BPatG wurde über eine Nichtigkeitsklage gegen das Patent ‚ Ranpak Verpackungssystem ‘ entschieden: Das Patent auf das Ranpak Verpackungssystem bleibt in DE eingeschränkt erhalten. Denn die Automatisierung des Verpackungsvorgangs habe nicht nahegelegen für einen Fachmann.
Die Ranpak Corp. (USA) ist ein global bekannter Name im Bereich Verpackungen und beschäftigt auch die Wirtschaftspresse. 2019 kaufte One Madison, ein sogenanntes SPAC oder Blankoscheck-Unternehmen, das Unternehmen Ranpak auf. Laut Bericht des Wallstreet Journal erklärte One Madison, Ranpak zu einem börsennotierten Unternehmen mit einem Unternehmenswert von etwa 1,1 Milliarden Dollar machen zu werden; der Kaufpreis habe demnach schon 950 Mio. Dollar betragen – in bar.
Europäisches Patent auf das Ranpak Verpackungssystem
Vor dem Bundespatentgericht verhandelt wurde über ein Europäisches Patent von Ranpak (das Priorität für ein US Patent beansprucht)– für ein Verpackungssystem. Das Streitpatent der Ranpak Corp. (Europäisches Patent 1 556 278) sei nicht patenfähig (Art. 138 Abs. 1 Buchstabe a i.V.m. Art 54 und 56 EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG), hatte die Klägerin 2018 in Deutschland mit einer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, es sei nämlich weder neu noch erfinderisch. Um dies nachzuweisen, verwies die Klägerin auf andere Veröffentlichungen im Bereich Verpackung und Verpackungssystem, die bereits vor der Patentanmeldung des Streitpatents publik waren.
Stand der Technik
Wie üblich in solchen Fällen, musste das Bundespatentgericht (BPatG) daher klären, ob sich das Streitpatent der Ranpak Corp. vom Stand der Technik abhob – und ob sich die Erfindung einem Fachmann als naheliegende Lösung angeboten hätte. Zum Stand der Technik bezog sich das BPatG vor allem auf die Patentschrift gemäß US Patent Nr. 5 871 429 (im Verfahren D1 genannt), die ein Verpackungssystem mit einer Messsonde („probe“) zum Erfassen des Hohlraums in einem Behälter lehrt. Auch die Gegenhaltung durch D2 (eine nachweislich veröffentlichte Pressemitteilung der Klägerin über ein void-fill system wurde durch das BPatG eingehend geprüft.
Gegenstand des Streitpatents auf das Ranpak Verpackungssystem ist gemäß Patentschrift ein Verpackungssystem zum Bereitstellen einer kontrollierten Menge an Polstermaterial zum Auffüllen eines Hohlraums in einem Behälter, in dem ein oder mehrere Objekte zum Versand verpackt werden. Strittig war vor allem, ob und wieweit die Patentansprüche in Bezug auf Scanner, Sensoren und Stop-Tore bereits vor der Patentanmeldung bekannt waren bzw. für einen Fachmann naheliegend gewesen wären.
Die Klägerin machte geltend, dem Fachmann sei bekannt, dass er durch das „stop-gate“ (gemäß Anspruch 10) in einfacher Art und Weise einen kontrollierten Betrieb des Systems sicherstellen könne. Und die Verwendung eines Förderersystems oder Förderbands zum Transport von Stückgütern, wie Kartons oder Behälter, durch einen Scanbereich sei eine allgemein bekannte fachübliche Maßnahme. Die besondere Kombination aus Breitensensor, Höhensensor und Konturensensor des Streitpatents sei ein Kontursensor der Objekte im Container (Volumetric Sensor). Ein Kontursensor werde aber durch die Gegenhaltung D1 offenbart, argumentierte die Klägerin.
Erfinderische Tätigkeit: keine mosaikartigen Merkmale
Doch das BPatG folgte diesen Argumenten nicht gänzlich. Zwar sei für einen Fachmann ausgehend von D1 die einzusetzende Mess- und Steuerungstechnik zum Füllen des Hohlraums im Behälter naheliegend gewesen, nicht aber die Automatisierung des Verpackungsvorgangs durch den Einsatz von Robotern bzw. Handhabungsautomaten. Erst durch diesen Zusammenhang der Automation aber sei der kontrollierte Transport der Behälter zum Handhabungsautomaten hin und weiter erforderlich.
Die von der Klägerin zum stop-gate angeführte Entgegenhaltung K21 (WO 98/21101 A1) lehrt ein solches automatisiertes Hohlraumfüllsystem. Doch ausgehend von der D1, die dem Fachmann einen geeigneten Ausgangspunkt bietet, um in Verbindung mit der K20 zu den Merkmalen 1 bis 1.5H3 bzw. 15 bis 15.5H3 zu gelangen, bestehe nach Ansicht des Gerichts kein Anlass, die K21 hinzuzuziehen. Würde ein Fachmann wiederum von K21 ausgehen, würde er nicht in naheliegender Weise zu den Merkmalen 1.3.1 / 15.3.1 und 1.3.2 / 15.3.2 gelangen.
Wir erinnern an dieser Stelle gerne daran, dass für die Überprüfung der erfinderischen Tätigkeit jede Druckschrift einzeln heranzuziehen ist, ein fiktiver Fachmann soll nicht mosaikartig Merkmale aus verschiedenen Druckschriften kombinieren können. Dem entsprach das BPatG in seinem Urteil.
BGH Entscheidung ‚Farbversorgungssystem‘
Vor Gericht kam auch die BGH Entscheidung Farbversorgungssystem von 2014 zur Sprache (BGH, X ZR 139/10). Denn demnach kann eine maschinenbautechnische Lösung dem Fachmann auch ohne konkrete Anregungen in Form ausdrücklicher Hinweise aus dem Stand der Technik naheliegend sein, wenn es sich dabei um ein zum allgemeinen Fachwissen gehörendes Mittel handelt. Galt das nicht auch im vorliegenden Fall?
Doch das BPatG betonte, dass ein solcher Fall hier nicht vorliege, schon alleine weil für einen von D1 ausgehenden Fachmann nicht die Automatisierung des Verpackungsvorgangs naheliegend sei. Außerdem ergebe sich aus der BGH Entscheidung nicht, dass die Nutzung eines zum allgemeinen Fachwissen gehörenden Mittels stets naheliegend ist, wenn sie objektiv zweckmäßig ist, vielmehr bestehe eine weitere Voraussetzung darin, dass sich dies dem Fachmann in dem zu beurteilenden Zusammenhang so darstellt. Das aber sei vorliegend nicht der Fall.
BPatG: Patent auf Ranpak Verpackungssystem in DE eingeschränkt
Letztlich urteilte das BPatG, das Streitpatent auf das Ranpak Verpackungssystem sei im Umfang der angegriffenen Ansprüche 1, 2, 10 und 15 in der erteilten Fassung sowie in den Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 in Deutschland nicht patentfähig. Das Ranpak Patent auf Verpackungssystem bleibt aber gemäß Fassung nach Hilfsantrag 3 in Deutschland erhalten.
De facto bleiben die Ansprüche 1 und 15 aus dem europäischen Patent auf das Ranpak Verpackungssystem in Deutschland in Kraft, diese erhielten zudem Ergänzungen. Neu hinzugekommen sind dieser Fassung vor allem die Merkmale 1.5H3 und 1.6H3 bzw. 15.5H3 und 15.6H3, in dieser Fassung nach Hilfsantrag 3 sei die Erfindung neu und erfinderisch, urteilte das Gericht.
Neu in der Fassung nach Hilfsantrag 3 sind folgende Merkmale:
- A conveyor for conveying the container though the scan area and
- A stop gate associated with the conveyor for controllably permitting passage of containers into the scan area
Gestrichen wurde:
- A void fill system as set forth in claim 1, further comprising a convoyor for convoying the container through the scan area.
Der Einsatz eines Förderers („conveyor“) zum Befördern des Behälters durch das Scangebiet entsprechend dem Merkmal 1.5H3 bzw. 15.5H3 wurde zwar bereits durch D1 offenbart, erläuterte das BPatG, jedoch ergebe sich ein stop-gate, welches dem Behälterförderer zugeordnet ist, um entsprechend dem Merkmal 1.6H3 bzw. 15.6H3 auf kontrollierte Weise den Durchlauf eines Behälters in das Scangebiet zu gestatten, nicht in naheliegender Weise aus einer Zusammenschau des angeführten Standes der Technik.
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Quellen:
Urteil des BPatG zum Ranpak Verpackungssystem, 4 Ni 29/18 (EP)
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