Sie haben eine schlaue Lösung für ein Problem gefunden und eine Erfindung ausgetüftelt? Damit können Sie gut die Innovationskraft Ihres Unternehmens belegen und vielleicht sogar durch Verkauf Gewinn machen. Aber Vorsicht, vorher sollten Sie ein Patent anmelden! Denn wenn Sie anderen Ihre Erfindung zugänglich machen, ohne diese Erfindung vorher per Patentanmeldung offiziell schützen zu lassen, kann das weitreichende Konsequenzen haben. Lassen Sie uns, um diese Konsequenzen zu veranschaulichen, die Geschichte von Herrn Müller und dem Vorbenutzungsrecht erzählen.
Herr Müller wird Erfinder
Herr Müller ist Chef einer kleinen Firma, die Teile für Möbel herstellt. Um den Umsatz zu steigern, fragt sich Herr Müller, wie er mit den gleichen Ressourcen höhere Stückzahlen in der Produktion erreichen kann. Dafür müsste man die Maschinen schneller und effektiver machen, denkt sich Herr Müller. Er schaut sich alle Maschinen im Produktionsablauf an und beginnt zu erforschen, wo man etwas verbessern kann. Herr Müller erfindet ein neues Maschinenteil, das es ermöglicht, die Löcher in die Möbelteile noch schneller und qualitativ hochwertiger zu bohren. Herr Müller möchte die Erfindung nicht nur für die Optimierung der Prozesse in seiner eigenen Firma benutzen, sondern seine gute Idee auch bekannt machen. Er postet ein Bild und eine Beschreibung auf der Internetseite seines Unternehmens und schreibt stolz dazu, dass der Umsatz dank dieser neuen Erfindung gesteigert werden konnte. Jetzt, wo sie so erfolgreich ist, denkt Herr Müller endlich auch darüber nach seine Erfindung gegen unliebsame Nachahmer und Fälscher zu schützen.
Das Patent bekommt, wer schneller ist
Bevor Herr Müller mit der Patentanmeldung beginnt, macht er sich schlau über die Merkmale, die eine technische Erfindung erfüllen muss, um darauf überhaupt den offiziellen Schutz zu erhalten. Er erfährt, dass es unter anderem darauf ankommt, dass sich seine Erfindung ausreichend vom bisherigen Stand der Technik abhebt. Um herauszufinden, ob das wirklich der Fall ist, ist eine Patentrecherche unverzichtbar. Aber die Recherche ergibt, dass jemand anderes schon ein Patent auf eine Erfindung hält, die die gleichen Merkmale und die gleiche Funktionsweise hat wie die von Herrn Müller. Was nun?
Herr Müller schaut auf das Datum der Anmeldung und erinnert sich, wann er seine Erfindung gemacht hat. Kein Zweifel, das Patent wurde erst angemeldet, nachdem das Maschinenteil schon erfunden war. Herr Müller fühlt sich betrogen. Wer mag das gewesen sein? Kann Herr Müller sich wehren? Leider hat Herr Müller hier schlechte Chancen, denn in Deutschland und Europa gilt bei der Vergabe von Patenten das sogenannte Erstanmelderprinzip („first-to-file“ system“). Das bedeutet, Herr Müller würde das Patent nicht zuerkannt bekommen, selbst, wenn er jetzt noch schnell eine Anmeldung nachreicht.
Aber soll es das wirklich gewesen sein?
Herr Müllers Rettung: Das Vorbenutzungsrecht
Zu dem Ärger über das entgangene Patent befällt Herrn Müller die Angst, dass der Inhaber des erfolgreichen Patents versuchen könnte, rechtlich gegen ihn vorzugehen und ihm Patentverletzung vorzuwerfen. Das kann teuer werden!
Sollte es dazu kommen, steht das deutsche, respektive das europäische Recht trotzdem auf Herrn Müllers Seite. Da er die Erfindung legal selbst gemacht und von niemandem gestohlen hat, darf er, obwohl er kein Patent angemeldet und auch keine Lizenz vom tatsächlichen Patentinhaber hat, das Maschinenteil in seinem eigenen Betrieb weiter benutzen.
Der Knackpunkt ist hier, dass der Betrieb von Herr Müller die Erfindung tatsächlich benutzt. Hätte er nur eine Skizze der Idee auf einer Serviette zur Hand, wird es schwer werden, ein Vorbenutzungsrecht geltend zu machen. Aber Vorsicht ? Je nachdem, in welchem Land Europas sich unsere Geschichte abspielt, sind die Voraussetzungen für das Entstehen des Vorbenutzungsrechts unterschiedlich.
Um seine Erfindung vielleicht trotzdem noch zu Geld machen, obwohl ihm das Patent entgangen ist, denkt Herr Müller darüber nach, Lizenzen zu vergeben und anderen die Nutzung des Maschinenteils gegen Vergütung zu ermöglichen. Schließlich war es ja ursprünglich seine Erfindung. Von diesem Vorgehen sollte Herr Müller aber die Finger lassen: Wer ein Vorbenutzungsrecht genießt, ist nicht befugt, Lizenzen auf die involvierte Erfindung an Dritte zu vergeben.
Und was ist, wenn Herr Müller in den Ruhestand geht oder das Unternehmen irgendwann verkauft werden sollte? Das Vorbenutzungsrecht ist an den Betrieb geknüpft, dem die Benutzung der Erfindung gestattet ist, es kann also nur zusammen mit dem Betrieb vererbt oder veräußert werden.
Glück im Unglück?
Herr Müller fragt sich, warum es so etwas wie das Vorbenutzungsrecht in Deutschland und Europa überhaupt gibt, wenn bei der Patentanmeldung der Schnellere gegenüber dem ursprünglichen Erfinder den Vorzug bekommt. Warum darf Herr Müller dann überhaupt seine Erfindung weiter nutzen? Das Vorbenutzungsrecht beruht auf zwei Prinzipien, die es rechtfertigen:
- Billigkeit: Es wäre nicht recht und billig, Herrn Müller die Nutzung der Erfindung zu verbieten, da sie schon vor der Patentanmeldung in seinem Besitz war und da das, was er damit tut, nicht gegen das Gesetz verstößt.
- Effizienz: Es verstieße gegen das Interesse an wirtschaftlicher Entwicklung, wenn Herrn Müller die Benutzung der Erfindung verboten werden würde, da damit zu viele wirtschaftliche Werte gefährdet werden.
Das Patentrecht findet für Situationen wie die von Herrn Müller also einen Ausgleich, um zumindest den legal erworbenen Besitz nicht zu gefährden. Dennoch lassen sich verzwickte Probleme manchmal nicht vermeiden, wenn z.B. nicht gleich geklärt werden kann, ob wirklich ein Vorbenutzungsrecht vorliegt oder wenn sich die Geschichte in einem anderen Land als Deutschland abspielt. Dann ist rechtlicher Beistand die beste Option ? Denn es kann auf die kleinsten Feinheiten ankommen, um Ihren Betrieb zu schützen und noch das Beste aus der Lage zu machen.
Wenn Sie eine Beratung wünschen, kontaktieren Sie uns gern und unverbindlich:
Quellen:
Sylvie Strobel: Das Vorbenutzungsrecht: Überblick und Bedeutung für die internationale Harmonisierung des Patentrechts. Enthalten im VPP-Rundbrief Nr. 3/2015, ab Seite 107
(Zuletzt abgerufen am 21.10.2015)
http://www.ipwiki.de/patentrecht:uebertragbarkeit_des_vorbenutzungsrechts (Zuletzt abgerufen am 21.10.2015)
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