Die Codierung von Audio Signalen, also die digitale Verarbeitung von Tönen und Stimmen, ist aus der modernen Kommunikation nicht mehr wegzudenken. Die Fraunhofer Gesellschaft hält daran sei über 20 Jahren ein – inzwischen erloschenes – Patent, das sich jetzt vor dem BPatG in einer Nichtigkeitsklage behaupten konnte.
Patent auf Codierung von Audio Signalen
Das Patent „VERFAHREN ZUM CODIEREN EINES AUDIOSIGNALS“ (Patent 598 01 307) der Fraunhofer Gesellschaft wurde wegen angeblich mangelnder Patentfähigkeit angefochten. Die Klägerin beantragte, das Patent für nichtig zu erklären aufgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG). Doch hätte ein fiktiver Fachmann leicht auf die gleiche Idee kommen können gemessen am Stand der Technik? Grundsätzlich werden für eine solche Überprüfung der erfinderischen Tätigkeit nur solche Druckschriften bzw. Veröffentlichungen berücksichtigt, die eindeutig vor dem Anmeldetag öffentlich gemacht wurden (nicht aber Patentanmeldungen, die am Anmeldetag noch nicht veröffentlicht worden waren). Jede Druckschrift ist einzeln heranzuziehen, ein fiktiver Fachmann soll nicht mosaikartig Merkmale aus verschiedenen Druckschriften kombinieren können.
Jahreslanges Nichtigkeitsverfahren gegen das Patent
Das Nichtigkeitsverfahren zog sich jahrelang hin – nicht verwunderlich, denn bei der Codierung von Audio Signalen handelt es sich um einen sehr elementaren Teil der modernen Kommunikation. Noch während des Verfahrens endete die Laufzeit des Streitpatents; Patentschutz währt für maximal 20 Jahre, dann soll die Technik der Menschheit frei zur Verfügung stehen. Die Klägerin passte die Klage an, und richtete nach Erlöschen des Streitpatents durch Zeitablauf die Klage auf Nichtigkeit nur noch gegen Patentanspruch 2: ein „Verfahren zum Decodieren eines codierten Audio Signals“, insbesondere mit spektraler Rausch-Substitution.
Druckschriften beschreiben TNS Technik – und Rausch-Substitution
Die Klage stützte sich daher vor allem auf zwei Druckschriften. Die Klägerin brachte vor, darin seien verschiedene Methoden zur Erfassung von Rauschbereichen in Spektralwerten eines Audiosignals vorgeschlagen worden. Ebenfalls bereits bekannt sei die sogenannte „Temporal Noise Shaping“-Technik (TNS); mittels Vorhersagecodierung (prädiktiver Codierung) der Spektralwerte wird durch TNS die zeitliche Feinstruktur des Quantisierungsrauschens geformt. Die TNS Technik wird insbesondere auch durch die Druckschrift D1 beschrieben, ein Konferenzbeitrag „ISO/IEC MPEG-2 Advanced Audio Coding“ (in: An Audio Engineering Society preprint 4382 (N-1), Presented at the 101st Convention 1996 November 8-11, Los Angeles, USA).
Und tatsächlich betrifft die Druckschrift D2 die Verbesserung von Verfahren zum Codieren und Decodieren von Audiosignalen (Audio-Codecs) durch Rausch-Substitution. D2 ist ein Aufsatz über „Improving Audio Codecs by Noise Substitution“ (in: J. Audio Eng. Soc., Vol. 44, No. 7/8, 1996 July/August); allerdings macht D2 zum Decodieren eines auf diese Weise codierten Audiosignals nur fragmentarische Angaben. Zudem werden in dieser Druckschrift die als rauschhaft erkannte Spektralwerte nicht codiert.
Nach Auffassung der Klägerin lag jedoch insbesondere durch die in D2 beschriebene Möglichkeit, durch Transformieren in den Frequenzbereich zwischen rauschhaften und tonalen Spektralkomponenten zu unterscheiden, eine Verwendung einer Prädiktion der Spektralwerte über der Frequenz nahe.
BPatG: Erfassung und Einbeziehen der spektralen Restwerte ist erfinderisch
Es war entsprechend spannend, wie das Bundespatentgericht vor allem D2 einordnen würde. Denn auf Grund seines allgemeinen Fachwissens kann ein fiktiver Fachmann allein aus der Kenntnis des Codierungsverfahrens in der Regel ohne weiteres auch die zum Decodieren des Signals notwendigen inversen Verfahrensschritte ableiten, wie das BPatG erläuterte.
Doch die in D2 vorgeschlagene adaptive Transformationscodierung mit Rauschsubstitution offenbare weder das Erfassen von Rauschbereichen in spektralen Restwerten, ergänzte das Gericht, noch das Rausch-Substituieren der spektralen Restwerte in den Rauschbereichen oder das Einbringen von Informationen bezüglich der Rauschbereiche in den spektralen Restwerten in Seiteninformationen.
Das BPatG erklärte dies noch genauer: der Aufsatz D2 lehre zahlreiche Möglichkeiten, zwischen rauschhaften und tonalen Signalkomponenten eines Audiosignals zu unterscheiden. Doch keine dieser Möglichkeiten verwende eine Prädiktion der Spektralwerte über der Frequenz, um spektrale Restwerte zu erhalten. Und allein die Kenntnis des prädiktiven Codierungsverfahrens TNS gemäß D1 gebe dem Fachmann keine Veranlassung zum Erfassen von Rauschbereichen in diesen spektralen Restwerten und Rausch-Substituieren der spektralen Restwerte in den Rauschbereichen.
Daher stehen die angeführten Druckschriften nicht dem angefochtenen Patentanspruch 2 entgegen, entschied das Bundespatentgericht, und wies die Nichtigkeitsklage vollständig ab ( 6 Ni 30/17 (EP)). Das inzwischen schon erloschene Patent der Fraunhofer Gesellschaft zur Codierung von Audio Signalen bleibt gültig.
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Quellen:
BPatG: Patent auf Codierung von Audio Signalen 6 Ni 30/17 (EP)
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