Das Bundespatentgericht hat ein Europäisches Patent auf Solaranlagen für vollständig nichtig in Deutschland erklärt. Das Patent war seit 15 Jahren in Deutschland geschützt und erhob Schutzansprüche in Bezug auf Gleichstrom-Leistungsquellen und DC/AC-Wandler. Jetzt erwies es sich als nicht erfinderisch.
Erneuerbare Energie, Solar- und Windenergie und Solaranlagen sind ja kein neues Phänomen, sondern werden bereits seit der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder stetig ausgebaut. Fast ebenso lange galt das Streitpatent auf Solaranlagen in Deutschland.
Hintergrund des Streitpatents sind Solaranlagen. Zwar ist in den unabhängigen Patentansprüchen allgemein von Gleichstrom-Leistungsquellen die Rede, aber es geht um Photovoltaik-Anlagen. Eine einzelne Photovoltaikzelle hat eine Ausgangsspannung von 0,5 Volt bis 4 Volt, und erst durch Reihenschaltung vieler solcher Zellen können Anlagen mit nötiger Systemspannung entstehen.
In diesem Kontext ist das Streitpatent angesiedelt. Das Streitpatent, angemeldet als europäischen Patents 2 135 348 der Solaredge Technologies Ltd., Hod Hasharon (Israel), trägt die Bezeichnung „Distributed Power Harvesting Systems Using DC Power Sources“ (auf Deutsch laut Streitpatentschrift: „Verteilte Leistungswandler-Systeme mit Gleichstrom-Leistungsquellen“) und umfasst in der erteilten Fassung neun Patentansprüche, die von der Klägerin mit im November 2018 mit Nichtigkeitsklage insgesamt angegriffen.
Gemäß Streitpatentschrift ist jeder einzelnen Gleichspannungsquelle ein separater DC/DC Wandler zugeordnet, wobei die Ausgänge der DC/DC-Wandler in Reihe geschaltet werden, so dass sich die resultierende Systemspannung aus der Summe der Ausgangsspannungen der DC/DC-Wandler ergibt. Über einen Wechselrichter wird dann schließlich in ein Wechselspannungsnetz eingespeist.
Klagepunkt: unzulässige Erweiterung des Patents auf Solaranlagen
Die Klägerin war in mehreren Punkten gegen das Streitpatent Solaranlagen vorgegangen. Die Klägerin machte zunächst eine nicht zulässige Erweiterung des Patents gelten, und zwar in Bezug auf die die Patentansprüche 1 sowie 8. Das aber wies das Bundespatentgericht (BPatG) zurück.
Es sei zwar zutreffend, räumte das Gericht ein, dass auf die von der Klägerin als unzulässige Erweiterung geltend gemachten Aspekte ursprünglich nicht im Patentanspruch enthalten war, allerdings waren sie in der Patentbeschreibung enthalten, wenn auch in allgemeinerer Form.
Und da den ursprünglichen Patentansprüchen keine einschränkende Wirkung zukommt, konnte die Patentinhaberin später auf die Beschreibung zurückgreifen und die lediglich dort erwähnte Variante in die Patentansprüche aufnehmen, erläuterte das BPatG die anerkannte Rechtspraxis.
Verallgemeinerung kein Problem – bei überflüssigen Angaben
Interessant ist der Zusatz des Gerichts: Das Weglassen der Bedingung, dass die Ausgangsspannung nahezu gleich der Eingangsspannung sein muss, stelle zudem keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar, da beide Schaltungsteile nur unter dieser Bedingung gleichzeitig arbeiten können, entschied das BPatG.
Denn nach Meinung des Gerichts ist diese Streichung unschädlich, auch wenn die unabhängigen Patentansprüche dadurch Varianten umfassen, die technisch nicht sinnvoll sind. Im Gegenteil wäre es eine unnötige Überfrachtung der Patentansprüche, wenn darin überflüssige Angaben genannt würden, die der Fachmann stillschweigend voraussetzt, erläuterte das BPatG.
Klagepunkt: Patentfassung wurde nicht offenbart
Auch mit dem Einwand, dass die geltende Patentfassung nicht offenbart wurde, hatte die Klägerin keinen Erfolg. Nach Erkenntnis des Gerichts stellt das Weglassen der Solarenergieinstallation sowie des Kontrollteils keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar, da der Fachmann erkennt, dass es nicht darauf ankommt, welche Gleichspannungsquelle vorhanden ist. Vielmehr lese der Fachmann im Zusammenhang mit einem Gleichstrom-Leistungswandler ohnehin eine Steuerung mit, sodass es deren Erwähnung nicht bedürfe, entschied das BPatG.
Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit
Doch im letzten Klagepunkt hatte die Klägerin Erfolg: das Gericht erkannte fehlende Patentfähigkeit in dem Patent und erklärte es vollständig für nichtig im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Die fehlende Patentfähigkeit ergab sich durch die Gegenhaltung schon einer einzigen Druckschrift NK1, und zwar durch das Werk „Walker, G. R.; Sernia, P. C.: „Cascaded DC-DC Converter Connection of Photovoltaic Modules”.
Merkmals 1.5 der Patentschrift ist der Druckschrift NK1 im Rahmen eines Beispiels zu entnehmen, dass ein geregelter 360 V-Bus in Betracht gezogen werde, erläuterte das BPatG seine Entscheidung. Dabei werde offengelassen, wodurch die Spannung auf dem DC-Bus, die zugleich Eingangsspannung des DC/AC-Wandlers ist, geregelt wird; dies wählt also der Fachmann aus zwei Alternativen aus. Eine solche Auswahl aber sei schon gar nicht als erfinderische Tätigkeit zu sehen, entschied das Gericht. Zudem handelt es sich auch gar nicht um echte Alternativen, da nur der eine Weg (die Regelung des Eingangsstroms des DC/AC-Wandlers mithilfe seiner Leistungshalbleiter) der wesentlich einfachere ist.
Gleiches gelte auch für den nebengeordneten Verfahrensanspruch 8 erteilter Fassung, da dieser inhaltlich nicht konkreter ist als der Patentanspruch 1, ergänzte das Gericht.
Auch in den Hilfsfassungen konnte das Patent nicht aufrecht erhalten werden, auch die Hilfsfassungen fand das Gericht bereits in der Druckschrift NK1 vorweggenommen oder ohnehin bezogen auf den Patentanspruch 1, der ja keinen Bestand hat.
Daher beruht das Europäische Patent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist für das Hoheitsgebiet Deutschland für nichtig erklärt worden (gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 52, 56 EPÜ).
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Quellen:
Urteil des BPatG vom 15. April 2021, 6 Ni 47/18 (EP)
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