Irreführende Darstellung im Patentwesen ist ein Mittel, um zu Unrecht die Generika Hersteller länger oder grundsätzlich im Wettbewerb auszubremsen oder auszuschließen. Wie dieser Wettbewerbs Verstoß gesehen wird, stellen wir gegenüber für die EU, das UK und die USA.
Bewusst unrichtige Angaben vor Patentämtern sollen ergänzende Schutzzertifikate (SPC) sichern oder Patentschutz aufrechterhalten. Auf diese Weise wird ein ausschließliches Schutzrecht zu Unrecht erworben, das insbesondere im Pharmabereich die Generika Hersteller länger oder grundsätzlich im Wettbewerb auszubremsen oder auszuschließen soll. Grundsätzlich betrifft dieses Thema die missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Wettbewerb. Wir fassen relevante Rechtsprechung zum Thema irreführende Darstellung im Patentwesen zusammen im Vergleich von EU, UK und USA.
EU – Irreführende Darstellung
Bereits 2010 hat der Europäische Gericht (EuG) eine wichtige Leitsatzentscheidung in Bezug auf irreführende Darstellungen zur unrechtmäßigen Durchsetzung eines ausschließlichen Schutzrechts getroffen, in der Entscheidung AstraZeneca/Kommission. Dies wurde auch zwei Jahre später durch den EuGH bestätigt (EU:C:2012:770). Gemäß der EuG/EuGH Leitsatzentscheidung ist die irreführende Natur der gegenüber öffentlichen Stellen abgegebenen Darstellungen aufgrund objektiver Gesichtspunkte zu beurteilen, und zwar als Einzelfall. Der Nachweis der Vorsätzlichkeit des Verhaltens und der Bösgläubigkeit des marktbeherrschenden Unternehmens für die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung ist dagegen ausdrücklich nicht erforderlich.
Zudem kann nach EU Recht der unrechtmäßige Erwerb eines ausschließlichen Rechts auch dann einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, wenn er nicht zu einem vollständigen Ausschluss des Wettbewerbs führen würde.
Grundsätzlich habe die EU Kommission die Beweise dafür beizubringen, entschied das Europäische Gericht, und zwar aussagekräftige und übereinstimmende Beweise („ein Bündel von Indizien, dessen einzelne Teile sich gegenseitig bestätigen können“), die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen belegen; eine umfangreiche und kohärente Beweiskette über einen langen Zeitraum sei allerdings nicht erforderlich. Im Übrigen gelte aber: im Zweifel für den Angeklagten.
Wichtiger Aspekt ist aber auch, ob irreführenden Angaben bei der Beantragung gewerblicher Schutzrechte rechtlich keinen Missbrauch darstellen, sofern und solange die unredlich erworbenen Rechte nicht durchgesetzt würden oder durchgesetzt werden könnten. Nach der EU Leitsatzentscheidung ist das nicht der Fall. Allein schon das Vorhandensein z. B. eines unrechtmäßigen ergänzenden Schutzzertifikats führe zu einer maßgeblichen Behinderung des Wettbewerbs und stelle einen Missbrauch dar. Dieser Missbrauch kann demnach auch nicht durch spezifische Rechtsbehelfe aufgehoben werden, mit denen rechtswidrig erteilte Patente und ergänzende Schutzzertifikate berichtigt oder gar gelöscht werden könnten.
Ein solches missbräuchliches Verhalten – der sich auf den Wettbewerb oft erst mehrere Jahre später bemerkbar macht – verliere im Übrigen auch über die Zeit nicht seinen missbräuchlichen Charakter.
Zudem sind nach ständiger Rechtsprechung Praktiken eines marktbeherrschenden Unternehmens, die auf eine Ausdehnung dieser beherrschenden Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb auf einen benachbarten, aber getrennten Markt abzielen, ebenfalls eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG (Urteil Connect Austria, EU:C:2003:297).
UK – Aspekt des „dealing requirement“
Das sieht in der UK Rechtsprechung etwas anders aus, diese stellt den Aspekt des „dealing requirement“ heraus. Im UK wurde sogar erst kürzlich ein Fall um irreführende Darstellung vor dem U.K. Supreme Court entschieden (U.K. Supreme Court in Servier, Urteil vom 2. Juli 2021). Gegen ein EPA Patent (aufgrund von Darstellungen mit umstrittenem Wahrheitsgehalt) wurde ein Einspruchsverfahren zunächst abgewehrt (und zur Abwehr eines Generika Herstellers verwendet), das Patent aber später vom UK Patentamt und schließlich auch doch vom EPA für ungültig erklärt. Daraufhin klagten die Kläger (Rechtsnachfolger verschiedener NHS-Einrichtungen) wegen den Kosten für die Medikamente Finanzierung auf Schadensersatz. Doch die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht stellte im Wesentlichen fest, dass die Beklagten Hersteller des Originalarzneimittels die Dritten (das EPA und die UK Gerichte in den früheren Vollstreckungsverfahren) nicht in ihrer Handlungsfreiheit gegenüber dem Kläger beeinträchtigt hatten. Das Gericht betonte, dass das „Erfordernis des Handelns“ ein Element einer Klage wegen „unrechtmäßiger Mittel“ ist. Der UK Supreme Court bezog sich auf die Entscheidung des House of Lords, OBG Ltd v. Allan von 2007 und wies die Klage ab.
Das UK Gericht entschied damit auch, dass es eine gewisse Grenze für die Haftung für die entfernten Folgen einer unrechtmäßigen Handlung geben muss; diese Grenze wird durch die Forderung nach einem Nachweis auferlegt, dass der Beklagte in die Fähigkeit des Dritten eingegriffen hat, mit dem Kläger zu handeln.
USA – effektive Anwendung des unrechtmäßigen Schutzrechts
In den USA wäre ein dazu analoger Klagegrund eine unerlaubte Beeinträchtigung eines zukünftigen wirtschaftlichen Vorteils.
Nach amerikanischem Recht ist vor allem die effektive Anwendung des Schutzrechts eine Voraussetzung für die Anwendung der Wettbewerbsregeln, während der bloße Erwerb eines unrechtmäßigen Schutzrechts in der Regel nicht ausreicht. Denn die unmittelbare Ursache für die wettbewerbswidrige Wirkung muss das Verhalten des Patentinhabers sein, nicht aber das Handeln der öffentlichen Stelle. Voraussetzung für eine Haftbarkeit ist jedoch, dass ein eindeutiger und überzeugender Nachweis einer spezifischen Absicht erbracht wird.
Die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung verlangt im US Recht zudem, dass eine reale Wahrscheinlichkeit für eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Handlung und ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen der Handlung und der Schädigung des Wettbewerbs bestehen.
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Quellen:
EuGH AstraZeneca/Kommission, EU:C:2012:770
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