Chiphersteller Intel wurde am Dienstag von einem U.S. Gericht in Texas zur Zahlung von 2,2 Milliarden Schadensersatz wegen Patentverletzung verurteilt. Pikant daran: die Streitpatente hält der Patentverwerter Fortress Investment, mit dem Intel in großem Rechtsstreit verstrickt ist.
Das jetzige Urteil hat zwar direkte Auswirkung auf den Aktienkurs von Intel gezeigt, ist aber dennoch eher als Zwischenetappe in einem sehr umfassenden Rechtsstreit zu sehen. Schon alleine Intel und Klägerin Fortress gehen derzeit in mehrfachen Verfahren gegeneinander vor (vor allem 2018 und 2019 erhoben), aber auch Apple wehrt sich massiv gegen Fortress, sowohl vor den Gerichten in Texas als auch in Kalifornien – alleine das ist schon eine erzählenswerte Geschichte.
Denn der Western District in Texas wurde im dritten Quartal 2020 zum Top-Standort für Patentstreitigkeiten, vor allem für von NPEs (Non-practicing Entities (NPE), im deutschen ‚Patenttrolle‘ genannt) eingereichte Klagen. Damit überholt das das Gericht in Texas den das Gericht im District of Delaware in Kalifornien – der zuvor der Top-Standort war. Die plötzliche Standort Bevorzugung liegt am Richter Albright, einem ehemaligen Patentprozessanwalt und inzwischen Bundesrichter, der seinen Gerichtssaal (District Court for the Western District of Texas (Waco)) schnell zu einem der beliebtesten für Patentinhaber zur Einreichung von Klagen gemacht hat.
In dem Urteil vom Dienstag (VLSI Technology LLC gegen Intel Corp. 21-57, U.S. District Court for the Western District of Texas (Waco)) handelte es sich um eine Jury Entscheidung.
Intel Corp. wurde zur Zahlung von 2,2 Milliarden Schadensersatz verurteilt, nachdem sie einen Prozess wegen Patentverletzungen im Zusammenhang mit Chiptechnologie und Beschleunigung von Prozessoren verloren hatte, meldete die Presseagenturen. Es geht um die US. Patente 8.156.357 („das ‚357 Patent“, eingetragen am 10. April 2012), 7.523.373 („das ‚373 Patent“, eingetragen am April 21, 2009) und 7.725.759 („das ‚759 Patent“, eingetragen am May 25, 2010). Man sieht, all diese Patent haben noch jahrelange Laufzeiten – und für all diese Patent ist Klägerin VLSI der Rechtsnachfolger.
VSLI Technology gehört Fortress – ein sogenannter Patenttroll
VLSI Technology war vor allem in den 1980ger Jahren ein Hersteller von ASICs (anwendungsspezifische integrierte Schaltungen). Typisch als früher Pionier von digitaler Technik ging es nach erfolgreichen Jahren etwas bergab, bis VLSI schließlich 1999 von Philips Electronics (Niederlande) gekauft wurde. Philips führte danach einige Teile von VLSI in die Philips Ausgründung „NXP Semiconductors VLSI“; die VLSI Technology LLC wiederum gehört inzwischen zur Fortress Investment Group (USA).
Bringt man dies zusammen mit den Streitpatenten, ergibt sich beispielsweise für das ‚357 Patent mit dem Titel „Spannungsbasierte Skalierung der Speichergröße in einem Datenverarbeitungssystem“ folgendes Bild: ursprünglich auf Freescale Semiconductor, Inc.. eingetragen, ging das Patent über verschiedene Patentinhaber (u. a. die Shenzen Hinguodu Technology Co., LTD) schließlich 2019 auf die VLSI Technology LLC über.
Nur wenige Wochen später erhob Klägerin VLSI eine weltweite Patentfamilie Klage.
Geschäftsstrategie Patenttroll – wettbewerbswidrig?
Dies ist das klassische Vorgehen von Patentverwertern (engl: NPE, Non-practicing Entities), also Unternehmen, die bestehende Patente nicht zur Herstellung oder Vertrieb übernehmen, sondern um das Gewinn zu machen – sei es durch Lizenzverträge oder durch lohnende Schadensersatzansprüche. Im deutschen Sprachgebrauch nennt man dieses Vorgehen ‚Patenttroll‘.
Genauso wie einen Troll empfinden es auch aktive Technologiehersteller wie Intel und Appel, nämlich als unberechtigte und unverschämte Forderung eines Nutznießers ohne eigene Innovation.
Als Patentverwerter ging Fortress auch im Fall Finjan vor. Mit der Finjan Holding hatte Intel 2012 eine umfangreiche Lizenzvereinbarung getroffen; doch Finjan wurde 2020 von Fortress übernommen. Intel strebt derzeit vor dem Gericht in Delaware, Kalifornien, in einem separaten Verfahren gegen die Fortress Investment Group ein Feststellungsurteil an, dass die Vereinbarung zwischen Intel und Finjan von 2012 alle Patente abdeckt, die Fortress entweder direkt oder über kontrollierte Tochtergesellschaften besitzt, und erhebt Ansprüche wegen Vertragsbruchs und unerlaubter Störung.
Intel und Apple klagen gemeinsam gegen Geschäftsmodell Patenttroll
Gemeinsam erhoben Intel und Apple zudem Klage gegen die gesamte Strategie von Fortress und den mit Fortress verbundenen Unternehmen in einem separaten Verfahren und machten ein wettbewerbswidriges Patent-Aggregationsschema geltend sowie und kartellrechtliche Haftung (mit weiteren Vorwürfen auch des FRAND-Missbrauchs) – bisher jedoch vergeblich (Case 3:19-cv-07651-EMC). Diese Klage von Intel und Apple wird übrigens vor dem Northern District of California verhandelt.
Juryentscheidung für 2,2 Milliarden Schadensersatz
Im Verfahren um den Schadensersatz an VSLI bemühte sich Intel vor dem U.S. Gericht in Texas um eine Verschiebung des Verfahrens – und begründete dies mit der Corona Situation – doch Richter Albright lehnte dies ab. So kam es am Dienstag zu der Juryentscheidung für 2,2 Milliarden Schadensersatz.
Letztlich ist auch die hohe Schadenssumme von 2,2 Milliarden unter den noch höheren Summen geblieben, die möglich gewesen wären, wenn das Gericht auch nur allen Anklagepunkten gefolgt wäre.
Denn VLSL / Fortress hatte gefordert, dass Intel zur Zahlung von Vorfälligkeits- und Nachfälligkeitszinsen auf den festgesetzten Schadenersatz verurteilt wird sowie dass Intel einen erhöhten Schadenersatz gemäß 35 U.S.C. § 284 zu zahlen hätte. Vor allem aber klagte VLSL / Fortress, dass Intel willentlich Patentverletzung begangen habe.
Dies aber wies die Jury zurück; die Patentverletzung sei in Unkenntnis geschehen, urteilte die Jury.
Intel erklärte im Übrigen direkt unmittelbar nach dem Urteil, man werde in Berufung gehen. Auch daher ist das Urteil zum hohen Schadensersatz wohl nur als eine Etappe im umfassenden Patentstreit Intel gegen Fortress zu sehen.
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Quellen:
Streitpatent ‚357 der VSLI Technology
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