Nur wenige Wochen vor dem geplanten Probestart des Europäischen Patentgerichts (UPC) stimmt Großbritannien über seinen Verbleib in der EU ab. Ein „Brexit“ (Britain Exit) wäre ein Problem für das revolutionäre Projekt der EU-Staaten. Denn im schlimmsten Fall droht eine Verschiebung um mindestens zwei weitere Jahre. Am 23. Juni stimmen die Einwohner Großbritanniens über den Austritt aus der Europäischen Union ab. Befürworter und Gegner liegen laut Experten gleichauf, ein Abschied scheint also keineswegs unrealistisch.
Der Brexit hätte auf vielen Ebenen gravierende Auswirkungen, so auch für das neue europäische Patentsystem. An dem Großprojekt, welches im Juli 2016 in einer Probephase und im Frühjahr 2017 offiziell starten soll, nehmen insgesamt 26 der 28 EU-Staaten teil.
Zeitgleich soll auch das EU-Patent in Kraft treten. Das Europäische Patent(-gericht) soll die vielen unterschiedlichen, nationalen Regelungen vereinheitlichen und einen einmalig anzumeldenden EU-weiten Patentschutz garantieren.
Damit das UPC in Kraft treten kann, müssen mindestens 13 der 25 teilnehmenden Länder dem Projekt zustimmen. Aktuell haben jedoch lediglich neun Staaten dem Projekt zugestimmt. Vier weitere müssen also alsbald zusagen.
Eine wichtige Bedingung ist, dass die drei Länder mit den höchsten Patent-Anmeldezahlen teilnehmen – und das sind Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Sie müssen das Übereinkommen ratifizieren, ansonsten tritt es nicht in Kraft. Italien belegt Platz 4, es kann aber nicht einfach als Ersatz nachrücken. Ein weiteres Problem wäre, dass Italien bisher keine Anstrengungen bei der Umsetzung des Vertrags in nationales Recht unternimmt.
Sollte sich Großbritannien daher gegen einen weiteren Verbleib in der EU entscheiden, könnte es nicht am UPC teilnehmen, denn nur EU-Staaten dürfen sich daran beteiligen.
Brexit: Mehrjährige Verzögerung möglich
Entscheidet sich Großbritannien für den EU-Ausstieg, würde er jedoch nicht „von heute auf morgen“ geschehen. Gemäß dem Lissabon-Vertrag könnte sich der Ausstieg um bis zu zwei Jahre hinziehen. Das Vereinigte Königreich könnte dann wenigstens für eine kurze Zeit am UPC teilnehmen. Voraussetzung dafür ist aber die Ratifizierung und die Eingliederung in nationales Recht. Dennoch: Ein EU-Austritt Großbritanniens wäre nicht zwangsläufig das Ende des neuen Patentsystems. Experten sind der Meinung, dass die Patent-Reform auch ohne Großbritannien funktionieren würde.
Dadurch, dass Großbritannien aber für Patentanmelder ein lukratives und wirtschaftlich wichtiges Land ist, könnte es die Attraktivität für viele Anmelder schmälern. Unabhängig davon müsste das Königreich mit negativen wirtschaftlichen Folgen rechnen. Das Votum am 23. Juni kann also weitreichende Folgen haben – sowohl für Großbritannien, als auch für ganz Europa.
Suche nach Alternativen
Aufgrund dessen wird im Hintergrund bereits fieberhaft nach Auswegen gesucht: Eine mögliche Alternative sei eine Assoziation mit den EU- und UPC-Staaten. Eine zweite Überlegung könnte eine Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) sein. Der Zusammenschluss könnte eine stärkere Harmonisierung zwischen Patent-Entscheidungen in London und dem Europäischen Patentgericht befördern.
Quellen:
EU-Patentgericht Übereinkommen
Europäisches Patentamt
JUVE-Artikel vom 15.02.2016
JUVE-Artikel „Rechtsmarkt 04/2016“
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