Zum 1. Januar 2020 trat eine Neufassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern in Kraft. Sie wird auch auf anhängige Beschwerdefälle angewendet in Beschwerdeverfahren vor dem EPA. Änderungen im Beschwerdeverfahren werden von nun schwieriger.
Änderungen an den Anträgen im Beschwerdeverfahren
Die wichtigsten Änderungen des RPBA 2020 (Rules of Procedure of the Boards of Appeal (RPBA)) betreffen die Zulässigkeit von Änderungen an den Anträgen im Beschwerdeverfahren.
Die bisherige dreistufige Struktur eines Beschwerdeverfahrens wird auch im neuen RPBA 2020 beibehalten, aber es wird schwieriger, den Beschwerdefall in jeder Phase zu ändern.
Vor allem der neue Artikel 12 Absatz 4 RPBA erschwert die Einführung von Änderungen in der Beschwerde, da er den Ermessensspielraum der Beschwerdekammern erweitert, nichts zuzulassen, was nicht auf die Anträge, Argumente und Beweismittel ausgerichtet ist, auf die sich schon die erstinstanzliche Entscheidung stützt. Der bisherige Artikel 12 Absatz 4 wurde nun auf die Absätze 4 bis 6 ausgedehnt.
Allerdings haben die Beschwerdekammern auch bislang nur selten neue Dokumente in das Beschwerdeverfahren gemäß Artikel 12 der Verfahrensordnung aufgenommen. Daher gibt der neue Artikel 12 der Verfahrensordnung in gewisser Weise nur genauer und definierter wieder, was eigentlich bislang ohnehin gängige Praxis war.
Bei der Änderung des Artikels 11 der Beschwerdekammern wird erwartet, dass die Beschwerdeverfahren dadurch zeitlich verkürzt werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies in der Praxis auswirkt.
Neufassung der Verfahrensordnung gilt ab sofort
Zudem gelten die neuen Regeln der Verfahrensordnung RPBA 2020 ab sofort, also seit dem Inkrafttreten zum 1. Januar 2020. Von einer sofortigen Anwendung des RPBA 2020 sind daher nur diejenigen Bestimmungen ausgeschlossen, die speziell die Anfangs- und die Endphase, d.h. die erste und die dritte Stufe des Beschwerdeverfahrens regeln (Artikel 12 Absätze 4 bis 6 und 13 Absatz 2 RPBA 2020). Für die Anfangs- und die Endphase greifen Übergangsregelungen, da bei einer Umstellung der Verfahrensordnung natürlich bereits eingereichte Eingaben betroffen sein können.
Übergangsbestimmungen für Einreichung der Beschwerde vor dem 1. Januar 2020
Nach diesen Übergangsbestimmungen wird der neue Artikel 12 Absatz 4 RPBA in der ersten oben beschriebenen Stufe nicht auf alle Fälle der Beschwerdeführung oder deren Beantwortung anwendbar sein, wenn die Beschwerdeführung vor dem 1. Januar 2020 eingereicht wurde. Ebenso wird der neue Artikel 13(2) RPBA in der dritten Stufe nicht anwendbar sein, wenn die Vorladung oder die Mitteilung nach Regel 100(2) EPÜ vor dem 1. Januar 2020 zugestellt wurde.
Die Zwischenstufe, also die zweite Stufe eines Beschwerdeverfahrens wird jedoch sofort nach der neuen Regel in Artikel 25 Absatz 1 RPBA 2020 behandelt. Bisher lag es im Ermessen der Beschwerdekammer, in diesem Stadium keine Änderung des Beschwerdefalles zuzulassen, ab jetzt wird dieses Ermessen von der Begründung der Änderung abhängig gemacht.
Die Rückverweisung wird weniger häufig vorkommen
In der bisherigen Fassung der Verfahrensordnung, die bis Ende 2019 galt, hatten die Beschwerdekammern einen relativ großen Ermessensspielraum für die Entscheidung, ob eine Zurückverweisung von Beschwerdefällen an die erste Instanz erfolgen sollte. Es kam dadurch häufig zu Zurückverweisungen an die erste Instanz, wenn nicht behandelte Aspekte der Patentfähigkeit relevant wurden. Ein klassisches Beispiel dafür war der Widerruf eines Patents in erster Instanz wegen mangelnder Neuheit- jedoch ohne Bewertung der erfinderischen Tätigkeit in der erstinstanzlichen Verhandlung. Hob die Beschwerdekammer dann im Folgenden die erstinstanzliche Entscheidung zur Neuheit auf, wurde der Fall zurückverwiesen an die erste Instanz, um nun die erfinderische Tätigkeit bewerten zu lassen.
Der neue Artikel 11 RPBA zielt darauf ab, die Zurückverweisungen zu begrenzen. Denn Art. 11 RPBA legt fest, dass die Beschwerdekammer nur zurückverweisen soll, wenn besondere Umstände vorliegen. Als entsprechender besonderer Grund wird genannt, wenn das Verfahren wesentliche Mängel aufweist. Allerdings konnte und kann sich die Kammer immer noch auf Artikel 13 der Verfahrensordnung berufen und Änderungen im Vorbringen eines Beteiligten zulassen.
Daraus folgt, dass die Beschwerdekammern von nun an viel häufiger als bisher eine Schlussentscheidung in Beschwerdeverfahren treffen werden. Änderungen im Beschwerdeverfahren werden von nun an deutlich schwieriger werden und nur mit guter Begründung in der Beschwerde gemäß Artikel 12 Absatz 4.
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Quellen:
Neufassung der Verfahrensordnung des EPA in Beschwerdeverfahren
Bild:
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