Der Bundesgerichtshof hat eine Leitsatzentscheidung darüber getroffen, ob das Wiederbefüllen eines Behältnisses mit Waren eines anderen Herstellers eine Markenverletzung darstellt.
Im Mittelpunkt dieser Leitsatzentscheidung ( BGH, I ZR 136/17 ) steht ein Markenstreit um die Papierhandtuchspendersysteme der Marke Tork und dazu passende Papierhandtücher auf Rollen als Nachfüllware für die Gastronomie, die Industrie und das Gesundheitswesen. Die Beklagte betreibt einen Großhandel mit Hygieneprodukten und bietet unter anderem Papierhandtuchrollen als Nachfüllware an mit dem Hinweis „passend auch für Tork-Spender“. Die Nachfüllware der Beklagten ist nicht mit einer Marke gekennzeichnet.
Die Klägerin berief sich auf die eigene seit 2008 eingetragene Unionsmarke und sah diese verletzt. Die Klägerin berief sich dabei auf Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a Gemeinschaftsmarkenverordung (GMV) (Art. 9 Abs. 2 Buchst. a Unionsmarkenverordnung (UMV)), welcher wie folgt lautet:
Der Inhaber einer Unionsmarke hat das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist.
Sowohl das Landgericht München als auch das Berufungsgericht wiesen die Klage auf Markenverletzung ab. Entscheidend für diese Entscheidung war das Verkehrsverständnis und die vom Gericht angenommene Erwartungshaltung der Verbraucher, dass es bei einer Vielzahl von Waren Grundgeräte gebe, deren Betrieb den Einsatz von Material erfordere, das nicht vom Hersteller des Grundgeräts stamme. Beispiele dafür sind Druckertintenpatronen, Staubsaugerbeutel, Kaffeekapseln und Flüssigseife.
BGH: Verkehrsverständnis ist genauer zu prüfen
Der BGH fordert mit seinem Urteil eine noch genauere Betrachtung des Verkehrsverständnis und der Verbrauchererwartung. Der Gerichtshof erinnerte an den Herkunftsnachweis als die Hauptfunktion einer Marke und dass dieser beeinträchtigt sei, wenn für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die angebotenen Waren oder Dienstleistungen vom Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen.
Das Berufungsgericht habe daher das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise mit Blick auf die Kennzeichnung der Handtuchspender mit der Klagemarke und einer möglichen Verbindung zum Inhalt erneut zu prüfen. Insbesondere sei darauf zu achten, ob der Verbraucher selbst die Ware auffüllt und ob die Nachfüllware selbst ein erkennbares Kennzeichen trägt.
Leitsatz des BGH
- Grundsätzlich liegt eine Markenverletzung vor, wenn ein mit der Marke des Originalherstellers gekennzeichnetes wiederbefüllbares Behältnis mit Waren eines anderen Herstellers nachgefüllt wird und der Verkehr die Marke auf dem Behältnis als Hinweis nicht nur auf die betriebliche Herkunft des Behältnisses, sondern auch auf die betriebliche Herkunft des Inhalts versteht.
- Für die Frage, ob der Verkehr eine solche Verbindung im Einzelfall tatsächlich herstellt, kann maßgeblich sein, ob die Nachfüllware selbst ein für den Verkehr bei der Benutzung der Ware erkennbares Kennzeichen trägt, Verbraucher den Vorgang der Befüllung selbst vornehmen und der Verkehr es gewohnt ist, dass das Behältnis mit Ware anderer Hersteller bestückt wird. Auch die Relevanz von Marken im streitgegenständlichen Produktbereich kann sich auf die Verkehrsauffassung auswirken.
Gerade der letztgenannte Aspekt im Leitsatz des BGH kann für den vorliegenden Fall entscheidungsrelevant sein. Bei Produkten im so genannten AFH-Bereich (Away-from-home-Bereich) spielten Marken eine geringere Rolle, zudem gebe es eine Vielfalt vorhandener Handtuchspender und Systeme, die noch dazu regelmäßig kostenlos in Anspruch genommen werden. Das Berufungsgericht müsse daher prüfen, ob und inwieweit dieser Umstand auf die Verkehrsauffassung der maßgeblichen Verkehrskreise Auswirkungen hat, urteilte der BGH.
Europäisches Urteil zur Wiederbefüllung
Die für den Streitfall relevanten Fragen zur Auslegung der Unionsmarkenverordnung seien durch Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt, stellte der BGH klar und verwies auf ein Urteil zum Fall Viking Gas des EuGH von 2011 ( C:2011:485 ). In diesem Fall ging es um die als dreidimensionale Marke geschützte Gasflaschen, die durch einen ausschließlichen Lizenznehmer für das Inverkehrbringen der Wiederbefüllung vorgesehen waren. Ein Wettbewerber des Lizenznehmers bot dennoch eine Wiederbefüllung an.
Der EuGH urteilte in diesem Fall zugunsten des Wettbewerbers und gegen den Markeninhaber der Gasflaschen. Die Gasflaschen, die zu einer mehrmaligen Wiederverwendung bestimmt waren und auch vom Verbraucher zu bezahlen waren, stellten keine bloße Verpackung der ursprünglichen Ware dar, sondern seien selbst als Ware anzusehen, begründete der EuGH seine Entscheidung. Durch einen Verkauf der Gasflaschen an die Verbraucher, der die Realisierung des wirtschaftlichen Werts der Marke ermöglicht, seien die durch die Richtlinie 89/104 verliehenen ausschließlichen Rechte erschöpft. Insbesondere wären die Käufer bei der Ausübung ihres Eigentumsrechts nicht mehr frei, sondern sie wären für die spätere Wiederbefüllung dieser Flaschen an einen einzigen Gasanbieter gebunden.
Fazit
Die Urteile sowohl des EuGH als auch die BGH zum Wiederbefüllen eines Behältnisses mit Waren eines anderen Herstellers zeigen, dass Verkehrsverständnis, das Allgemeininteresse an der Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs und die Verbrauchererwartung und –erfahrung entscheidend sind für die Beurteilung, ob eine Markenverletzung vorliegt. Der Einzelfall ist also stets individuell zu prüfen, erhält aber durch das Urteil des BGH klare Vorgaben für die Überprüfung.
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Quelle:
Leitsatzentscheidung des BGH „Wiederbefüllen“ I ZR 136/17
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