Im Streit um Verwechslungsgefahr der beiden Unionsmarken Φ und Ø ging es um mehr als den visuellen Vergleich von Bildzeichen. Denn die Parteien waren sich einig, dass es sich um die Darstellung von Buchstaben handelte. Ein Buchstabe als Marke – doch was gilt, wenn keiner diese Sprachen spricht?
Im November 2017 meldete die Klägerin, die Cole Haan LLC (UK), das schlichte Bildzeichen Ø als Unionsmarke an für Waren der Nizza-Klassen 18 und 25, u. a. Koffer, Taschen und Bekleidung. Daraufhin erhob im Februar 2018 die Streithelferin, die Samsøe & Samsøe Holding A/S (Dänemark) Widerspruch gegen diese Markeneintragung und berief sich auf die eigene ältere Bildmarke mit Benennung der Europäischen Union, die das ähnliche Bildzeichen Φ darstellt, quasi also gleiche Zeichen, nur in unterschiedlichen Winkeln gekippt. Auch die Dänen beanspruchen mit ihrer älteren Unionsmarke Schutz für Waren der Nizza-Klassen 18 und 25, darunter Lederwaren, Koffer und Bekleidungstücke.
Die Samsøe & Samsøe Holding A/S machte daher Verwechslungsgefahr geltend und das mit Erfolg: die Widerspruchskammer und Beschwerdekammer des EUIPO gaben dem Widerspruch vollständig statt. Gegen diese Entscheidung wendete sich Klägerin die Cole Haan LLC an das Europäische Gericht (EuG). Vor dem EuG wurden daher die beiden Bildzeichen nochmals genau auf Ähnlichkeit überprüft.
Φ und Ø – Buchstabe als Marke
Zunächst einmal stellte der EuG dabei fest, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine Darstellung des Buchstabens „Ø“ handelt, der Teil des in der dänischen Sprache verwendeten Alphabets ist, wohingegen die ältere Marke eine Darstellung des griechischen Buchstabens „ϕ“ oder des Buchstabens „Φ“ ist, der aus dem kyrillischen Alphabet stammt. Dies war zwischen den Parteien unstreitig. Es handelte sich also eigentlich um je einen Buchstabe als Marke.
Als die maßgeblichen Verkehrskreise wurden allerdings die französisch sprechenden EU Verbraucher festgelegt – und in Französisch wird keiner der Buchstaben „Ø“, „Φ“ und „ϕ“ verwendet und französischsprachige Verbrauchern sprechen normalerweise weder Dänisch noch Bulgarisch noch Griechisch, hatte die Beschwerdekammer erklärt.
Dagegen wandte sich die Klägerin. Die Verbraucher wüssten, selbst ohne die dänische Sprache zu sprechen oder zu verstehen, dass die angemeldete Marke in den „skandinavischen Sprachen“ ein Buchstabe des Alphabets sei. In ihren jeweiligen Sprachen würden die von den einander gegenüberstehenden Zeichen dargestellten Buchstaben „Φ“ und „Ø“ unterschiedlich ausgesprochen, so dass die Zeichen in klanglicher Hinsicht zu vergleichen seien und überhaupt keine Ähnlichkeit aufwiesen.
EuG: Kenntnis einer Fremdsprache im Allgemeinen nicht vorausgesetzt
Doch der EuG wies diesen Einwand zurück. Nach der Rechtsprechung kann die Kenntnis einer Fremdsprache im Allgemeinen nicht vorausgesetzt werden, betonte das Gericht und verwies auf das Urteil vom 13. September 2010, Inditex/HABM – Marín Díaz de Cerio [OFTEN], T‑292/08, EU:T:2010:399, Rn. 83). Zudem entspricht, selbst wenn die fremde Herkunft des Wortes erkannt wird, die Aussprache nicht notwendig die der Herkunftssprache, ergänzte der EuG.
Letztlich ist das ohnehin müßig, denn im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr hätte sowieso der Nachweis geführt werden müssen, dass eine Mehrheit der maßgeblichen Verkehrskreise diese Fähigkeit zur korrekten Aussprache besitzt. Das aber ist nicht erfolgt. Daher, so entschied der EuG, habe die Beschwerdekammer zurecht entschieden, dass es nicht möglich ist, einen klanglichen Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen vorzunehmen. Gleiches gilt für den begrifflichen Vergleich, auch der ist nicht möglich, da das ältere Zeichen für die Mehrheit der Verbraucher keine Bedeutung hat. Die Klägerin habe zulässig nichts vorgebracht, das dem widerspreche, entschied der EuG.
Visueller Vergleich
Im visuellen Vergleich warf die Klägerin der Beschwerdekammer vor, zu Unrecht festgestellt zu haben, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen beide von einer vertikalen geraden Linie durchkreuzt seien, obwohl die Linie, die den Kreis in der angemeldeten Marke durchkreuze, diagonal sei.
Der EuG gab der Klägerin in diesem Punkt recht. Wie die Klägerin vorträgt, enthalte nur die ältere Marke eine gerade vertikale Linie, entschied der EuG, so dass die Beschwerdekammer zu Unrecht festgestellt hat, dass die fraglichen Zeichen beide eine gerade vertikale Linie enthalten.
Aber dieser Fehler habe keine Auswirkungen auf den visuellen Vergleich, ergänzte das Gericht. Denn die Beschwerdekammer habe für den visuellen Vergleich der Zeichen durchaus den Umstand berücksichtigt, dass der Kreis der angemeldeten Marke durch eine gerade diagonale Linie halbiert wird, während der Kreis der älteren Marke durch eine gerade vertikale Linie halbiert wird. In ihrer Schlussfolgerung war die Entscheidung der Beschwerdekammer hinsichtlich der visuellen Ähnlichkeit der Zeichen auf den Umstand zudem darauf gestützt, dass die gerade Linie in der älteren Marke vertikal, in der angemeldeten Marke dagegen diagonal ist.
Die Feststellung der Beschwerdekammer, dass eine hohe visuelle Ähnlichkeit zwischen den Streitmarken besteht, wurde daher vom EuG bestätigt.
Schlussendlich wies der EuG die Klage vollständig zurück und bestätigte die Verwechslungsgefahr.
Kosten Übernahme des Verfahrens nur auf Antrag
Noch ein Hinweis am Rande zum abschließenden Urteil in Bezug auf Kosten Übernahme für das Verfahren: obwohl die Streithelferin Samsøe & Samsøe erfolgreich vor Gericht war, muss sie selbst ihre Kosten tragen. Denn da sie nicht beantragt hatte, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, muss sie gemäß Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten tragen.
Die Klägerin aus dem UK war da deutlich besser informiert und stellte einen Antrag, der Streithelferin die Kosten des Verfahrens vor der Widerspruchsabteilung und der Beschwerdekammer aufzuerlegen. Das allerdings war vergeblich, da die Klage verloren wurde. Die Klägerin muss für ihre Kosten alleine aufkommen, und zwar aus allen Verfahren.
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Quellen:
Urteil des EuG: Verwechslungsgefahr von Buchstaben, EU:T:2021:442
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