Dass Wortmarken nicht beschreibend sein dürfen und auch keine Verwechslungsgefahr oder Irreführung vorliegen darf, ist immer wieder Grundlage von Urteilen im Markenrecht. Einen ungewöhnlicheren Fall entschied nun der EuG: Sherpa versus Sherpa – identisch oder ähnlich? Und welchen Nutzen hat eine nachträgliche Einschränkung der Waren?
Hintergrund des Falls
2011 meldete der Kläger, Herr Jiménez, beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an: die Wortmarke SHERPA. Diese Wortmarke wurde eingetragen in die Nizzaklassen 9 und 42. Im Jahr 2012 stellte die Streithelferin, die Núcleo de comunicaciones y control, SL, einen Antrag auf Nichtigkeit. Der Antrag war gestützt auf die ältere spanische und damit nationale Wortmarke SHERPA, die 1999 unter der Nummer 2187342 für „Datenverarbeitungssysteme, insbesondere Überwachungs- und Kontrollsysteme“ in Klasse 9 eingetragen worden war. Im Juli 2013 und während des Verfahrens vor der Nichtigkeitsabteilung änderte der Kläger daraufhin seine Markenanmeldung, indem er am Ende der Liste der Waren der Klasse 9 folgende Einschränkung einfügte: „ausdrücklich ausgenommen Überwachungs- und Kontrollsysteme und Datenverarbeitungssysteme für Kontroll- und Überwachungszwecke“.
Das Offensichtliche war bereits in den vorangegangenen Entscheidungen in diesem Fall in der Nichtigkeitsabteilung und auch in der Beschwerdekammer des Europäischen Patent- und Markenamts (EUIPO) geurteilt worden: Was den Vergleich der Zeichen der Wortmarke SHERPA betrifft, steht fest, dass diese identisch sind. Dies wurde auch nicht von den Streitparteien in Frage gestellt und war auch nicht Thema des jetzigen Urteils.
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuG) hatte vielmehr zwei Fragen zu entscheiden: Gab es Fehler bei der Beurteilung der ernsthaften Benutzung der älteren Marke? Und wurden die Identität oder der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen richtig beurteilt?
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) ist ein eigenständiges europäisches Gericht mit Sitz in Luxemburg, das dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nachgeordnet ist.
Zitat: Wikipedia
Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke
Zu dem Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke urteilte das Gericht:
Einem Nichtigkeitsverfahren wird eine Vorfrage hinzugefügt bzw. gewissermaßen nachträglich vorangestellt, wenn ein Antrag gestellt ist, die ernsthafte Benutzung einer älteren Marke nachzuweisen. Erst ist dieser Nachweis zu klären, dann kann die Nichtigkeit geklärt werden.
Daher war diese Frage aber auch nicht Teil des Streitgegenstands vor der Beschwerdekammer.
Darüber hinaus darf das Gericht nicht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt neu prüfen – es dient der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen. Im vorliegenden Fall stehe daher fest, dass die Beschwerdekammer die Nachweise für die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nicht selbständig geprüft habe – und dies auch nicht musste. Denn der Kläger hatte keinen Antrag darauf gestellt.
SHERPA versus SHERPA: identisch oder ähnlich?
Die Beschwerdekammer habe zu Recht entschieden, „dass die betreffenden Dienstleistungen den von der älteren Marke erfassten Waren, für die eine ernsthafte Benutzung nachgewiesen ist, ähnlich sind“, so der EuG. Denn es handele sich um komplexe Waren und Dienstleistungen, bei denen es schwierig sei, zwischen Hardware und Software oder deren Anwendung zu unterscheiden.
Zu dem besonderen Fall aber der nachträglichen Einschränkung der Waren der Klasse 9 gab der EuG dem Kläger Recht. Denn ein Anmelder kann nach Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 (a. F. Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009) seine Anmeldung jederzeit zurücknehmen oder das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken.
Und die Berücksichtigung einer solchen Einschränkung könne im Einzelfall dazu führen, dass Waren, die vorher als identisch eingestuft worden wären, nun lediglich als ähnlich zu betrachten sind. Dann aber sei nicht mehr Art. 8 Abs. 1 Buchst. a, sondern Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 einschlägig. Die Beschwerdekammer aber habe sich in der angefochtenen Entscheidung „zur Reichweite und zu den Folgen der Einschränkung für die Beurteilung der Identität oder der Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren in Klasse 9 nicht geäußert“.
Das Urteil
Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 17. Juli 2015 (Sache R 1135/2014‑2) wird aufgehoben, soweit sie die von der angefochtenen Marke erfassten Waren in Klasse 9 betrifft.
Fazit:
Markenschutz gilt in der Regel nicht pauschal, sondern bezogen auf das genaue Produkt. Es ist daher nicht nur entscheidend, welche Nizzaklassen für die Markenregistrierung gewählt werden. Sondern die ausformulierten Details, für welche Waren oder Dienstleistungen die Marke registriert oder auch eingeschränkt wird, entscheiden wie im vorliegenden Fall über die Schutzstärke der Wortmarke. Auch in Deutschland ist die Wortmarke SHERPA übrigens schon sehr lange und namhaft geschützt: durch die Siemens AG in der Nizzaklasse 9 für „Auf Datenträger und Datenspeicher aufgezeichnete Computerprogramme“.
Quellen:
Curia Europe: EU:T:2018:305 Sherpa
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