Ab wann kann eine Produktbezeichnung eine geschützte Marke verletzen? Und darf ein Markeninhaber auch dann klagen, wenn er von der Benutzung als Marke weiß? Diese Frage hatte das OLG Frankfurt am Main in einem Markenrechtstreit um Pfefferspray-Bezeichnungen zu entscheiden.
Produktbezeichnungen wie Modell- oder Bestellzeichen
Jeder kennt sie und fast jeder verwendet sie: Produktbezeichnungen wie Modell- oder Bestellzeichen. In Zeiten des Massenvertriebs sind sie nicht mehr wegzudenken; man denke allein an die Autoindustrie oder an ständig neu erscheinende Smartphone-Modelle, die ohne „Marks“, wie Produktbezeichnungen auch genannt werden, kaum auskommen könnten. Eine offensichtliche und dennoch schnell übersehene Frage hatte das OLG Frankfurt am Main in einem Markenrechtstreit um Pfefferspray-Bezeichnungen zu entscheiden: Ab wann kann eine Produktbezeichnung eine geschützte Marke verletzen? Und darf ein Markeninhaber auch dann klagen, wenn er von der Benutzung als Marke weiß?
Konkret ging es um die Wortmarken MK-3, MK-8 und MK-9, die allesamt insbesondere für die Nizzaklasse 13 für Reizstoffsprühgeräte eingetragen sind. Hintergrund des Streits war, dass die Klägerin selbst ursprünglich Pfeffersprays von einem Lieferanten bezogen hatte, der selbst die obigen Wortmarken als Unionsmarken angemeldet hatte. Nachdem diese nun 2011 ausgelaufen waren, sicherte sich die Klägerin die Wortmarken fortan als deutsche Marken durch Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA). Die Beklagte, eine Mitbewerberin, bezog entsprechende Pfeffersprays vom ursprünglichen Lieferanten der Klägerin.
In der Vorinstanz hatte das LG Frankfurt am Main die Klage noch mit der Begründung abgewiesen, die Ansprüche der Klägerin seien verwirkt, da die Klägerin seit dem Jahr 2000 davon Kenntnis gehabt habe, dass die Beklagte die betreffenden Zeichen benutzt hat und sich dieser Kenntnis bewusst verschlossen habe.
Neben der Frage nach der Verwirkung war ein weiteres Problem, dem sich das OLG Frankfurt zu widmen hatte, ob die Beklagte die Klagemarke überhaupt verletzt hat: Hier genau war nämlich zu hinterfragen, ob die Beklagte die Zeichen wie von ihr behauptet nur als Produktbezeichnungen verwendet habe oder ob sie diese wie von der Klägerin beanstandet tatsächlich „markenmäßig“ benutzt hat. Das OLG Frankfurt am Main gab in seinem Urteil nun klare Abgrenzungshilfen vor:
Markenmäßige Benutzung
Es stellte fest, dass eine markenmäßige Benutzung im Interesse eines umfassenden Kennzeichenschutzes zunächst generell weit auszulegen sei. Marken haben außerdem zuvorderst immer die Funktion erfüllen, auf die betriebliche Herkunft der gekennzeichneten Produkte hinzuweisen. Entsprechend sah das Gericht auch bereits die bloß objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annähme, für eine markenmäßige Benutzung als ausreichend an. Werden Zeichen also z.B. auf den Produkten oder in Angebotstexten verwendet, wie dies die Beklagte getan hat, sei grundsätzlich von einer markenmäßigen Benutzung auszugehen. Als Ausnahmefälle nannte das Gericht den bloßen Hinweis auf die Gebindegröße oder aber die reine Bestellnummer. Beide Ausnahmen lägen hier aber laut Gericht nicht vor:
Ausnahme bleibt Ausnahme
Das OLG Frankfurt am Main machte in seiner Entscheidung aber auch deutlich, dass selbst wenn die Bezeichnungen MK-3, MK-8 und MK-9 von dem maßgeblichen Verkehrkreisen als Bestellzeichen aufgefasst werden, trotzdem zumindest auch auf die betriebliche Herkunft hinweisen können. Nur wenn die Zeichen ausschließlich intern in einem Bestellzeichensystem verwendet werden, scheide diese Möglichkeit aus, so das Gericht. Dies sei hier aber nicht der Fall.
Viel Spielraum auch bei Doppelkennzeichnungen
Außerhalb dieser genannten Ausnahmekonstellation stellte das Gericht aber auch klar, dass Produktbezeichnungen jedenfalls immer dann markenmäßig benutzt werden, wenn sie weder für die dahinter stehenden Produkte rein beschreibend oder dekorativ seien. Dies sei sogar selbst dann der Fall, wenn – so wie hier im konkreten Falle vom OLG Frankfurt am Main zu entscheiden war – das Produkt mit einer zweiten Marke gekennzeichnet worden ist. Denn auch diese Zweitkennzeichnung sei der angesprochene Verkehr gewöhnt. Das Gericht verwies dazu insbesondere auf die Automobil- und Textilbranche, in denen eine zusätzliche Kennzeichnung des jeweiligen Modells völlig gebräuchlich sei.
Verwirkung erst ab Eintragung
Wichtig ist an dem Urteil des OLG Frankfurt am Main auch, dass eine Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche immer von der tatsächlichen Eintragung der Klagemarke abhängen. Die Beklagte hatte eine Verwirkung aus dem Grund angenommen, weil sie auch den vorangegangenen Zeitraum mit eingerechnet hatte, in dem die Klägerin von der Benutzung der Zeichen Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Nachvollziehbarer Weise stellte das Gericht aber klar, dass dieser Zeitraum vor der Markeneintragung nicht mit berücksichtigt werden könne, da die Klägerin ohne ihr bestehendes Schutzrecht gar keine Möglichkeit gehabt hätte, etwas gegen die Benutzung der Zeichen zu unternehmen.
Auch die von der Beklagten geltend gemachte Einrede der bösgläubigen Markenanmeldung blieb erfolglos, da das Gericht in der Anmeldung der betreffenden Zeichen keine Behinderungsabsicht der Klägerin erkennen konnte. Die bloße Kenntnis, dass eine Mitbewerberin die Zeichen auch verwendete, reiche hierfür nicht aus, so das OLG Frankfurt am Main.
Produktbezeichnungen und Marken: eine hohe Schnittmenge
Im Ergebnis festzuhalten bleibt, dass das Urteil des OLG Frankfurt am Main noch einmal klarstellt, dass der Vorwurf einer Markenverletzung nicht alleine damit abgewehrt werden kann, indem sich ein Verletzer mit dem Vorwand rechtfertigt, er habe die Zeichen lediglich als Bestellzeichen verwendet und daher gar nicht markenmäßig benutzt. Das Gericht zog enge Grenzen, innerhalb derer Produktbezeichnungen ausschließlich als solche und nicht auch als Herkunftshinweis und damit als Marke gebraucht werden.
Daneben stärkte das Gericht den Wettbewerb, indem es Mitbewerbern wie der Klägerin gestattete, sich gemeinfrei gewordene Zeichen als Marken zu sichern.
Und es stellte in seinem Urteil eine dem Markenrecht inhärente Selbstverständlichkeit klar: Nur ein eingetragenes Registerrecht wie eine Marke kann auch entsprechenden Schutz entfalten. Ohne einen solchen Schutz jedoch bestehenden keine Ansprüche, die infolge dessen wie auch jeder andere zivilrechtliche Anspruch nicht verwirkt werden können.
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Quellen:
Hessenrecht OLG Frankfurt 6 U 89/17
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