Immer wieder kommt es in der Branche Kleidung und Fashion vor, dass Abmahnungen versandt werden gegen die konkrete Modellbezeichnung des Kleidungsstücks. Die jüngere Rechtsprechung von BGH und OLG Frankfurt gibt Klarheit zu der Frage: Markenverletzung als Zweitmarke?
Jeder kennt die Gepflogenheit im Bereich Kleidung und Fashion, konkreten Kleidungsstücken individuelle Modellbezeichnungen zu geben. Diese Tatsache alleine stellt aber noch keine Markenverletzung dar, noch nicht einmal, wenn als Modellbezeichnung ein markenrechtlich geschützter Begriff verwendet wird. Denn eine Markenverletzung kann nur vorliegen, wenn ein markenrechtlich geschütztes Zeichen unberechtigt in Bezug auf gleiche oder ähnliche Waren und Dienstleistungen gewerblich von einem anderen genutzt wird.
Modellbezeichnung für Fashion: Dachmarke und Zweitmarke
Eine Modellbezeichnung auf einem Kleidungsstück ist aber gar nicht in allen Fällen ein markengemäß genutztes Zeichen; das wiederum hängt davon ab, ob die Modellbezeichnung im Sinne einer Marke als Herkunftsnachweis von den Verbrauchern gesehen wird. Zu beachten ist diesem Kontext, dass es eher als kein Herkunftszeichen zu sehen ist, wenn das Zeichen nur als dekoratives Gestaltungsmittel oder in einem rein beschreibenden Sinn verwendet wird (siehe BGH GRUR 2014, 1101 Rn. 23 – Gelbe Wörterbücher).
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 2019 gleich mit zwei Urteilen eine aktuelle Rechtsprechung zu der Frage vorgegeben, ob bei einer Dachmarke mit Modellbezeichnung diese Modellbezeichnung auch selbst als Herkunftsnachweis zu sehen ist, also als Zweitmarke.
BGH: Modellbezeichnung SAM
In der Entscheidung SAM (BGH, Urteil vom 07.03.2019 – I ZR 195/17) legte das Gericht grundsätzlich fest, dass die Anbringung einer Modellbezeichnung an der Ware selbst oder auf Etiketten vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis verstanden werden können – wenn in der Branche Modellbezeichnungen üblich sind. Je bekannter die Dachmarke ist, erklärte der BGH, desto eher werde eine Modellbezeichnung als Herkunftsnachweis verstanden und entsprechend eher ist eine Markenverletzung in der Nutzung dieser Modellbezeichnung anzunehmen. Auch eine nicht bekannte Modellbezeichnung kann laut BGH als Marke wahrgenommen werden, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Herstellermarke oder Dachmarke verwendet wird. Der BGH ergänzte, dass Verbraucher allerdings meistens den Herkunftshinweis in der vorangestellten Herstellerbezeichnung sehen würden.
Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Marke und damit als Herkunftshinweis erkannt wird, müsse anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden, erklärte der BGH. Für die Annahme einer kennzeichenmäßigen Verwendung genüge es nicht, wenn ein Zeichen originär unterscheidungskräftig ist und die konkrete Verwendung im Hinblick auf die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen nicht glatt beschreibend erfolgt.
BGH: Amazon Modellbezeichung MO
In dem zweiten wichtigen BGH Urteil in diesem Kontext stand als Klagemarke die Amazon Modellbezeichung MO für Damenhosen, das auch für Verkaufsangebote im Internet genutzt wurde.
Die Klägerin war Inhaberin der nationalen Wortmarke „MO“ mit Priorität vom 06.07.1999 und machte geltend, das Amazon Angebot sei markenverletzendes identisches Zeichen für identische Waren. Amazon dagegen argumentierte, der Verkehr verstehe die Bezeichnung „MO“ weder als Abkürzung für das Wort „Modell“ noch sehe er darin ein eigenes unternehmensinternes Bestellzeichen.
Doch der BGH widersprach. Der Verkehr erkenne in den Angaben „Bench“ und „MO“ in der angegriffenen Gesamtbezeichnung „Bench Damen Hose MO“ als zwei selbständige Zeichen. Durch die Gestaltung werde MO als Name des konkreten Hosenmodells wahrgenommen. Daher sei in den Zeichenvergleich nicht die Gesamtbezeichnung, sondern das eigenständige Zeichen „MO“ der Klagemarke einzubeziehen. Auch wenn der Verkehr in dem vorangestellten Zeichen „Bench“ das Modelabel oder die Herstellerangabe sehe, folge daraus nicht, dass nachfolgende unterscheidungskräftige Angaben keine Kennzeichnungsfunktion mehr haben könne.
Insbesondere sollte das OLG Frankfurt die Frage klären, ob die angefochtene Modellbezeichnung MO als Teil der hervorgehobenen Angebotsüberschrift als Zweitmarke zu sehen sei. Denn eine Hervorhebung oder blickfangmäßige Herausstellung könne für eine markenmäßige Verwendung sprechen, entschied der BGH in seiner MO Entscheidung, insbesondere bei einer Modellbezeichnung in Verkaufsangeboten im Internet.
Schlussendlich verwies der BGH (BGH, MO, April 2019, I ZR 108/18) diesen Fall zurück an das vorinstanzliche Berufungsgericht (OLG Frankfurt), das 2020 entschied (OLG Frankfurt, 6 U 94/17).
Das OLG Frankfurt erläuterte, wenn es um eine Modellbezeichnung in Verkaufsangeboten in Katalogen oder im Internet geht, sei das Angebot in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen. Insbesondere die Hervorhebung oder blickfangmäßige Herausstellung könne für eine markenmäßige Verwendung sprechen, vor allem, wenn den Verbrauchern in der Art der Verwendung ein Hinweis auf einen bestimmten Hersteller gegen wird.
Das sei im Fall MO im Amazon Angebot der Fall. Die Angabe „MO“ werde als Name des konkreten Hosenmodells angesehen, dies ergebe sich aus der gesamten Angebotsgestaltung.
OLG Frankfurt: „Sam“ in „SUPERDRY Stoffhose SAM SHORTS Uni“
Dies wurde präzisiert durch ein weiteres, gerade kürzliches Urteil des OLG Frankfurt (19.11.2021 – 6 W 97/21), das in Bezug auf das Zeichen „SUPERDRY Stoffhose SAM SHORTS Uni“ ebenfalls die Frage einer Zweitmarke durch den Begriff SAM betraf. Das Gericht betonte in seiner Entscheidung, nicht jeder Modellbezeichnung komme die Funktion einer Zweitmarke zu. Wenn es an einer markentypischen Hervorhebung der Modellbezeichnung mangelt, und auch, wenn eine Dachmarke prominent ins Blickfeld gerückt ist, dann sei davon auszugehen, dass Verbraucher die Modellbezeichnung nicht als Zweitmarke verstehen.
Vornamen als Modellbezeichnung
Schließlich ist noch zu bemerken, dass häufig auch Vornamen als Modellbezeichnungen genutzt werden. Hier sind einige Besonderheiten der Rechtsprechung zu beachten:
Der BGH hat dazu bereits 1988 Rechtsprechung vorgegeben: bei häufig vorkommenden Vornamen sei es für möglich, dass die Annahme einer zeichenmäßigen Benutzung ausgeschlossen ist, hatte der BGH entscheiden, weil der Verkehr sie als bloße Modellbezeichnungen und eben nicht als betrieblichen Herkunftshinweis versteht (BGH GRUR 1988, 307 – Gaby).
Das aber treffe nicht auf die Modellbezeichnung „Enna“ zu, entschied das OLG Frankfurt (10.05.2021 – 6 W 29/21). Enna werde überwiegend als Fantasiebezeichnung aufgefasst. Selbst wenn vereinzelt Verbraucher erkennen, dass es sich um einen Vornamen handelt, erscheine dieser Vorname aufgrund seiner Unüblichkeit nicht als beliebig austauschbares Bestellzeichen ohne Herkunftsfunktion.
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