Mit einer seiner letzten Entscheidungen in 2020 urteilte der EuG im Markenstreit um Finanzdienstleistungen. Im Fall HOTTINGER ging es nicht um Verwechslungsgefahr, sondern um den Nachweis einer nicht eingetragenen älteren nationalen Marke durch den Geschäfts- oder Firmenwert.
Grundsätzlich können auch nicht eingetragene nationale Marken ältere Rechte geltend machen gegen neue Markenanmeldungen, wenn sie den Nachweis erbringen für tatsächliche Geschäftstätigkeit – und damit Benutzung der Marke – vor der Anmeldung einer jüngeren Marke. Voraussetzung dafür ist, dass eine nicht eingetragene ältere nationale Marke in den Anwendungsbereich des Rechts des in Anspruch genommenen Mitgliedstaats fällt und dass dies die Untersagung der Benutzung einer jüngeren Marke ermöglicht.
Im Fall HOTTINGUER vs. HOTTINGER greift der Trade Marks Act 1994 (UK), § 5 (4) und der sogenannte Goodwill der nicht eingetragenen älteren nationalen Marke (d. h. die Anziehungskraft, die eine Gewohnheit hervorruft).
Der Sachverhalt
Das war geschehen im Fall HOTTINGUER vs. HOTTINGER: Die Elenberg SA, die Rechtsvorgängerin der Klägerin, H.R. Participations SA (Luxemburg), ließ beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Zeichen JCE HOTTINGUER als Unionswortmarke eintragen, vor allem für Dienstleistungen in den Nizza-Klassen 35 (Werbung) und 36 (Finanzen, Business, Versicherungen). 2011 wurde diese eingetragene Marke veröffentlicht.
Fünf Jahre später stellte die Streithelferin, die Hottinger Investment Management Ltd (UK), einen Nichtigkeitsantrag gegen diese Marke. Sie berief sich dabei auf die eigene Marke Hottinger – eine nicht eingetragene ältere nationale Marke, überwiegend im UK genutzt.
Die Nichtigkeitsabteilung wies den Antrag zurück, doch die danach angerufene Beschwerdekammer hob diese Entscheidung teilweise auf. Die angefochtene Unionswortmarke JCE HOTTINGUER wurde für alle Dienstleistungen für nichtig erklärt, nicht aber für die Dienstleistungen „Werbung; Veröffentlichung von Werbetexten; Aktualisierung von Werbematerial“ in der Nizza-Klasse 35. In seiner Entscheidung erkannte die Beschwerdekammer außerdem an, dass die Hottinger Investment Management Ltd tatsächlich Handelstätigkeiten unter der nicht eingetragenen älteren nationalen Marke ausgeübt hatte vor Anmeldung der Streitmarke.
Geschäftswert der nicht eingetragenen Marke: Nachweise?
Diese Entscheidung wurde von der Klägerin H.R. Participations SA vor dem Europäischen Gericht (EuG) angefochten und der Geschäftswert der nicht eingetragenen älteren Marke durch zahlreiche Einwände angezweifelt. Die Klägerin mutmaßte, dass sich der Geschäfts- oder Firmenwert nur auf Vermögensverwaltungsdienstleistungen für wenige reiche Privatpersonen und ihre Familien beziehe.
Der EuG wies diesen Einwand zurück. Selbst wenn dies der alleinige Geschäfts- und Firmenwert von Hottinger wäre, würde auch dies einen Teil der gleichen Dienstleistungen betreffen wie die durch die angefochtene jüngere Marke beanspruchten.
Der Geschäfts- oder Firmenwert wird normalerweise vor allem nachgewiesen durch Nachweise der Handelstätigkeit, der Werbung und der Kundenkonten. Zusätzlich wies der EuG darauf hin, dass auch eine sehr geringe Geschäftstätigkeit ausreicht, um einen Geschäfts- oder Firmenwert zu schaffen. Zudem sei nicht nur der im UK erzielte Umsatzanteil der nationalen Marke relevant, erklärte der EuG. Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 verlange nämlich nicht, dass die Benutzung im Gebiet des Mitgliedstaats, dessen Recht geltend gemacht wird, nachgewiesen werden muss.
Beweiswert der Finanzunterlagen angezweifelt
Mit einer weiteren Rüge bestritt die Klägerin den Beweiswert der Finanzunterlagen, die Streithelferin Hottinger vorgelegt hatte. Finanzunterlagen wie die vorgelegten Jahresabschlüsse seien unzureichend für den Nachweis einer Benutzung der nicht eingetragenen älteren nationalen Marke, da sie weder die Verwaltung von Bankguthaben noch von Finanzdienstleistungen belegten.
Der EuG widersprach diesem Einwand. Da sie von einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft wurden, seien diese Abschlüsse sehr zuverlässig und wiesen daher einen hohen Beweiswert auf, entschied das Gericht.
Zudem gelte nach ständiger Rechtsprechung im Unionsrecht der Grundsatz, ergänzte der EuG, dass Beweise frei erhoben werden können und dass das einzige relevante Kriterium für die Beurteilung der erhobenen Beweise deren Glaubwürdigkeit ist. Sogar Artikel in der Zeitschrift Wealth Manager oder in der Online Publikation von Business Wire seien als Bestätigung der Feststellungen der Beschwerdekammer zu sehen– auch wenn z. B. Business Wire kein unabhängiges Presseorgan sei.
Kein Beweis für die Wahrscheinlichkeit der Irrtumsgefahr erbracht
Auch machte die Klägerin geltend, dass die Streithelferin keinen Beweis für die Wahrscheinlichkeit der Irrtumsgefahr erbracht habe, obwohl sie die Beweislast trägt. Doch auch diesen Einwand wies der EuG zurück. Nach der nationalen Rechtsprechung sei das Vorliegen eines solchen Beweises zwar von Bedeutung, aber nicht unerlässlich, entschied der EuG.
Schlussendlich wies der EuG die Klage der H.R. Participations SA vollständig zurück.
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Quellen:
Urteil des EuG ‚Hottinger‘, EU:T:2020:614
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