Der Nachweis der Benutzung einer Marke auch durch Einzelteile und Zubehör möglich – und auch durch Gebrauchtwaren, urteilte heute der EuGH im Fall einer Ferrari Marke. Ein bemerkenswertes Urteil – nicht nur für Autohersteller – , denn deutsche Grundsätze widersprechen dem EU Recht in wichtigen Aspekten.
EuGH und Ferrari Marke: Deutsche Grundsätze wider EU Recht
In seinem heutigen Urteil hat der EuGH zu Vorlagenfragen aus einem Löschungsverfahren gegen die Ferrari Marke Testarossa geurteilt. Doch die Ferrari Marke stand darin nicht im Mittelpunkt, sondern wichtige Aspekte der deutschen Grundsätze aus dem Markenrecht und in Prozess- und Verfahrensbestimmungen.
In Fragen der Beweislast zur Benutzung einer Marke und dem Abkommen DE mit der Schweiz widersprechen deutsche Grundsätze dem EU Recht, urteilte heute der EuGH. Der Nachweis der Benutzung einer Marke ist zudem auch durch Einzelteile und Zubehör möglich – und auch durch Gebrauchtwaren. Dies ist ein bemerkenswertes Urteil des EuGH nach Vorlagefragen aus Deutschland.
Hintergrund zum Ausgangsverfahren „ Ferrari Marke “
Ferrari ist Inhaber der Marke Testarossa, seit 1987 als Internationale Marke eingetragen bei der WIPO für Waren in der Nizza-Klasse 12. Seit 1990 ist diese Marke zusätzlich in Deutschland eingetragen, für weitere Waren der Nizza-Klasse 12.
Ferrari vertrieb von 1984 bis 1991 ein Sportwagenmodell unter der Bezeichnung „Testarossa“ und bis 1996 die Nachfolgemodelle 512 TR und F512 M. Nach langer Pause dann, im Jahr 2014, produzierte Ferrari ein Einzelstück mit der Modellbezeichnung „Ferrari F12 TRS“.
Das sind die sachlichen Fakten zu dem Ausgangsverfahren, in dem in Deutschland die Löschung der beiden Testarossa Marken beantragt worden war wegen fehlender Benutzung der Marke. Der dafür relevante Zeitraum war zwischen 2011 und 2016.
Ernsthafte Benutzung der Streitmarken
Das erstinstanzliche Landgericht Düsseldorf (Deutschland) verurteilte Ferrari dazu, in die Löschung der beiden Streitmarken einzuwilligen, Ferrari habe die Benutzung der Marke nicht in erforderlicher Weise nachweisen können für den maßgeblichen Zeitraum.
Ferrari widersprach. In dem für die Beurteilung der Benutzung der streitigen Marken relevanten Zeitraum habe Ferrari die Streitmarken zur Kennzeichnung von Ersatz- und Zubehörteilen für die unter diesen Marken zuvor vertriebenen, sehr hochpreisigen Luxussportwagen benutzt und dies wurde auch nachgewiesen. Doch das LG Düsseldorf sah darin keine erneute Benutzung der Streitmarken, da nach dem ersten Inverkehrbringen der mit den Marken versehenen Produkte die Rechte von Ferrari an ihnen erschöpft gewesen seien und Ferrari den weiteren Vertrieb der Produkte gar nicht habe verbieten können.
Ferrari klagte daraufhin vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, das jedoch das Ausgangsverfahren um Ferrari und die Streitmarken Testarossa aussetzte. Das OLG legte dem EuGH mehrere Vorlagefragen vor, die das höchste Europäische Gericht (EuGH) um Auslegung von Art. 12 Abs. 1 und Art. 13 der Richtlinie 2008/95 baten.
Nachweis der Benutzung einer Marke auch durch Einzelteile und Zubehör
Wichtigster Aspekt des Vorlageersuchens war die Frage, ob bei einer Marke, die für eine Gruppe von Waren und für deren Einzelteile eingetragen ist, die ernsthafte Benutzung der Marke nachgewiesen kann auch nur mit Teilbereichen dieser Gruppe, wie z. B. nur für Luxuswaren oder nur für das Zubehör einiger Waren. Dies ist von hoher Relevanz für alle Autohersteller, da hier oft dieser Fall eintritt, wenn die Marke ein Automobilmodell bezeichnet, dessen Produktion eingestellt wurde.
Die Antwort des EuGH auf diese Frage ist ein klares „Ja“. Bei einer Marke, die für eine Gruppe von Waren und für deren Einzelteile eingetragen ist, sei davon auszugehen ist, dass sie für alle zu dieser Gruppe gehörenden Waren und für deren Einzelteile im Sinne von Art. 12 Abs. 1 „ernsthaft benutzt“ worden ist, auch wenn sie nur Teilebereiche wie z. B. nur für Luxuswaren oder nur für das Zubehör bzw. für Ersatzteile einiger Waren benutzt worden ist, urteilte das Gericht.
Wer trägt die Beweislast?
Auch die Frage, wer die Beweislast trägt, wurde dem EuGH vorgelegt, denn dies wird unterschiedlich beurteilt zwischen Deutschem Recht und dem EU Recht.
Nach den in Deutschland geltenden allgemeinen Grundsätzen trägt im Fall einer Löschungsklage wegen Nichtbenutzung einer Marke der Kläger die Beweislast für ihre fehlende Benutzung. Der Markeninhaber muss lediglich substantiiert und umfassend darlegen, wie er die Marke benutzt habe.
Dies aber gilt nicht nach Art. 12 Abs.1 der EU Richtlinie, urteilte heute der EuGH. Der Markeninhaber einer Unionsmarke demnach trage die Beweislast dafür, dass die Marke im Sinne dieser Bestimmung „ernsthaft benutzt“ worden ist, entschied der EuGH. Dies gelte auch für den Beweis der ernsthaften Benutzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marke.
Das Gericht ergänzte, dass die Frage der Beweislast für die ernsthafte Benutzung im Rahmen eines die Löschung einer Marke wegen Nichtbenutzung betreffenden Verfahrens nicht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle. Die Erwägungsgründe 6 und 10 der Richtlinie 2008/95, die den Mitgliedstaaten souveräne Verfahrensbestimmungen im Markenschutz gewähren, gelte nicht für die Löschung von Unionsmarken, denn sonst könnte sich ein je nach dem betroffenen nationalen Recht ein unterschiedlicher Schutz ergeben.
Damit steht die heutige Entscheidung des EuGH entgegen den allgemeinen deutschen Grundsätzen der Zivilprozessordnung in Bezug auf die Beweislast.
Benutzung der Marke für Gebrauchtfahrzeuge – Erschöpfung der Markenrechte?
Doch ist die Benutzung der Marke durch Gebrauchtfahrzeuge und bereits in Verkehr gebrachte und gebrauchte Waren nachweisbar?
Der EuGH bejahte das. Eine Marke kann von ihrem Inhaber ernsthaft benutzt werden, indem er gebrauchte, unter dieser Marke in den Verkehr gebrachte Waren vertreibt, urteilte das Europäische Gericht. Dies gelte, wenn der Markeninhaber die Marke tatsächlich entsprechend ihrer Hauptfunktion nutze, nämlich die Ursprungsidentität der Waren zu garantieren. Auch durch Art. 7, Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 bestätigt in Bezug auf die Erschöpfung des Rechts aus der Marke werde dies bestätigt, entschied der EuGH.
Übereinkommen zwischen DE und Schweiz widerspricht EU Recht
Ein Übereinkommen zwischen Deutschland und der Schweiz kam in diesem Fall ebenfalls zu Sprache. Denn die Benutzung einer Marke in der Schweiz ist nicht zum Nachweis ihrer ernsthaften Benutzung in Deutschland geeignet, urteilte der EuGH im Dezember 2013 („Rivella“, C:2013:826).
Doch dem widerspricht die Rechtsprechung des BGH (Deutschland), der entschieden hat, das Übereinkommen von 1892 sei weiterhin in Kraft und in Anbetracht von Art. 351 AEUV von den deutschen Gerichten anzuwenden.
Dieses Übereinkommen zwischen Deutschland und der Schweiz wirkt heute etwas aus der Zeit gefallen, denn es gewährt einen gegenseitigen Patent‑, Muster- und Markenschutz.
Das OLG Düsseldorf wies in diesem Kontext darauf hin, dass die Anwendung des Übereinkommens mit der Schweiz zu Schwierigkeiten führen könnte, wenn eine deutsche Marke nach deutschem Recht nicht gelöscht, der Eintragung einer Unionsmarke aber gleichwohl nicht entgegengehalten werden könne.
EuGH: BGH darf unvereinbares Abkommen anwenden
Der EuGH bestätigt in seinem heutigen Urteil die vom OLG aufgezeigten Schwierigkeiten mit dem Abkommen zwischen DE und der Schweiz, dies sei eine unvermeidliche Folge aus dem Übereinkommen mit der Schweiz.
Wörtlich empfahl der EuGH der Bundesrepublik Deutschland, die Unvereinbarkeit des Übereinkommens von 1892 zu beheben „gegebenenfalls durch dessen Kündigung“. Dazu sei Deutschland nach Art. 351 Abs. 2 AEUV auch verpflichtet. Bis eines der in Art. 351 Abs. 2 AEUV genannten Mittel es gestattet, etwaige Unvereinbarkeiten zwischen dem AEU-Vertrag und dem Übereinkommen zu beheben, könne aber das Gericht eines EU-Mitgliedstaats (wie der BGH) ein unvereinbares Übereinkommen anwenden, fügte der EuGH hinzu.
Benötigen Sie Unterstützung im Markenrecht?
Unsere Anwälte verfügen über langjährige Expertise im Markenrecht sowie im gesamten Gewerblichen Rechtsschutz und sind berechtigt, Sie vor jedem Gericht zu vertreten – in Deutschland und auch international.
Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt auf.
Quellen:
Urteil des EuGH „Benutzung der Ferrari Marke“, EU:C:2020:854
Bild:
PIRO4D | pixabay.com | CCO License
Schreiben Sie einen Kommentar