In einem Widerspruchsverfahren um die EU Wort- und Bildmarke Cactus urteilte der EuGH über die ernsthafte Benutzung der Marke in verkürzter Form – mit einem stilisierten Kaktus. Ebenso interessant ist das Urteil im Hinblick auf die Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen und der nötigen Eindeutigkeit einer Markenanmeldung.
Der Sachverhalt
Im August 2009 meldete Frau Del Rio Rodríguez (Spanien) beim EUIPO das Bildzeichen „Cactus of peace“ mit „Cactus le la Paz“ als Unionsmarke an. Cactus SA (Luxemburg) erhob im März 2010 Widerspruch gegen diese Markeneintragung und berief sich auf die eigene ältere EU Wortmarke Cactus sowie die eigene Unionsbildmarke Cactus. In Bezug auf die Nizza-Klasse 35 wurde dem Widerspruch stattgeben. Die Beschwerdekammer wies den Widerspruch vollständig zurück. Das daraufhin angerufene Gericht (C‑501/15 P, angefochtenes Urteil) hob die Entscheidung der Beschwerdekammer wieder auf.
Im Mittelpunkt stand dabei der Nachweis für die ernsthafte Benutzung der älteren Marken für Einzelhandelsdienstleistungen in Klasse 35 des Nizzaer Abkommens.
Markenanmeldung eindeutig: die Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen
Worum ging es dabei? In dem ersten Klagegrund hatte der Europäische Gerichtshof zu der Rechtsprechung der Eindeutigkeit einer Markenanmeldung mit Hinblick auf die Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen zu urteilen. Erfasst die Verwendung der Überschrift einer Nizza-Klasse alle Dienstleistungen dieser Klasse, einschließlich der Dienstleistungen des Wareneinzelhandels?
Denn wenn ein Markenanmelder, der zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, alle Oberbegriffe der Überschrift einer bestimmten Klasse der Nizzaer Klassifikation verwendet, muss er klarstellen, ob sich seine Anmeldung sich auf alle oder nur auf einige Waren oder Dienstleistungen der alphabetischen Liste der fraglichen Klasse bezieht.
Soll sich die Anmeldung nur auf einige dieser Waren oder Dienstleistungen beziehen, hat der Anmelder anzugeben, welche Waren oder Dienstleistungen dieser Klasse beansprucht werden. Das gilt mit dem Urteil IP Translator (EU:C:2012:361) seit 2012 als allgemeine Rechtsprechung.
In dem angefochtenen Urteil hatte das Gericht ausgeführt, dass für ältere Marken die Verwendung der Überschrift einer Nizza-Klasse alle Dienstleistungen dieser Klasse erfasse, einschließlich Einzelhandelsdienstleistungen für alle denkbaren Waren. Denn angesichts des Grundsatzes der Rechtssicherheit gelte die durch das Urteil IP Translator begründete Rechtsprechung nicht für Marken, die vor Verkündung dieser Urteile eingetragen worden seien.
Der EuGH bestätigte diese Ansicht des Gerichts. Das Gericht habe zu Recht entschieden, dass die auf das Urteil IP Translator zurückgehende Rechtsprechung nicht auf die älteren Marken anzuwenden sei, stellte der EuGH klar.
Ernsthafte Benutzung der Marke in verkürzter Form
Als weiteren Klagegrund machte Klägerin EUIPO geltend, die ernsthafte Benutzung der Marke sei von Cactus SA nur in verkürzter Form nachgewiesen worden, nur als Bildbestandteil der älteren Marke – der stilisierte Kaktus – ohne den Wortbestandteil „Cactus“. Es sei ein Rechtsfehler, das stilisierte Logo eines Kaktus der eingetragenen Form der zusammengesetzten Marke als „im Wesentlichen gleichwertig“ anzusehen.
Ebenfalls einen Rechtsfehler sah das EUIPO auch in der Beurteilung des Gerichts zur Gleichwertigkeit der strittigen Marken. Das Gericht habe nur auf die begriffliche Gleichwertigkeit der Wort- und Bildbestandteile der Marken geachtet, nicht jedoch die visuellen und klanglichen Unterschiede geprüft. Zudem seien rechtswidrig Vorkenntnisse vorausgesetzt worden, die Verbraucher von der älteren Marke Cactus haben könnten.
Letztlich sei auch die Überprüfung der Unterschiedlichkeit nicht korrekt in der Europäischen Union erfolgt, sondern nur in Luxemburg.
EuGH urteilt über Rechtsfragen, nicht über Tatsachen
Feststellungen zur Aufmerksamkeit, Wahrnehmung oder Haltung der maßgeblichen Verkehrskreise gehören zur Würdigung der Tatsachen und seien ausschließlich von dem zuständigen Gericht zu beurteilten. Vor dem EuGH ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt, betonte der EuGH. Gleiches gelte auch für die Überprüfung der Unterschiedlichkeit in der Europäischen Union.
Nachweis der Benutzung einer Marke auch in verkürzter Form
Zur Darstellung der Marke in verkürzter Form äußerte sich der EuGH jedoch klar. Die Benutzung der Marke in einer Form, die von der eingetragenen Form abweicht, gelte als Benutzung der Marke, sofern die Unterscheidungskraft der Marke in der eingetragenen Form nicht verändert worden ist, urteilte der EuGH (Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009). Das gelte auch für eine zusammengesetzte Marke, von der allein der Bildbestandteil verwendet wird, präzisierte der EuGH.
Umso mehr, da das Gericht explizit beschrieben hatte, dass die beiden Bestandteile der älteren Bildmarke, der stilisierter Kaktus und der Wortbestandteil „Cactus“, jeder in der ihm eigenen Form denselben Begriffsinhalt wiedergeben. In einem solchen Fall sei das Auslassen dieses Wortbestandteils in der verkürzten Form der älteren Bildmarke für die Wahrnehmung dieser Marke als Ganzes nicht wichtig genug, um ihre Unterscheidungskraft zu beeinflussen, urteilte der EuGH.
Folglich seien die Rechtsmittelgründe als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen, stellte der EuGH in seinem Urteil klar und wies die Klage vollständig ab.
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Quellen:
Urteil des EuGH „Cactus“ EU:C:2017:750
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