Mangelnde Klarheit und Eindeutigkeit des Oberbegriffs Computersoftware ist kein Grund für die Nichtigkeit einer Gemeinschaftsmarke, urteilte heute der EuGH im international viel beachteten Fall Sky vs. SkyKick. Das Urteil stützt Markenanmelder, die durch einen möglichst allgemeinen Begriff einen großen Schutzumfang ihrer Marke sichern möchten.
Das heute vom dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschiedene Verfahren Sky vs. SkyKick (EU:C:2020:45) wurde dem Gericht zur Vorabentscheidung vom High Court of Justice (UK) vorgelegt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der von Sky für seine Marken beanspruchte Oberbegriff Computersoftware hinreichend klar und genau sei, um Markenschutz gewähren zu können.
Die fraglichen Marken waren für die Nizza-Klasse 9 eingetragen, für alle Arten von Computersoftware, die in Klasse 9 erfasst werden sollten, ungeachtet der Tatsache, dass Sky nicht alle Arten von Software zur Verfügung stellte und niemals alle Arten von Software zur Verfügung stellen konnte.
Markenanmelder verwenden oftmals möglichst allgemeine und auch viele Begriffe zur Bezeichnung ihrer Waren und Dienstleistungen. Dies eröffnet die Möglichkeit, das eigene Waren- und Dienstleistungsangebot unter dem geschützten Zeichen noch auszuweiten und – mindestens ebenso wichtig – sich ein ausschließliches Recht in Feldern zu sichern, die durch die Markenanmeldung beansprucht werden.
In diesem Zusammenhang wichtig ist auch das Urteil IP-Translator vom Juni 2012 (EuGH, C-307/10). Der EuGH hatte darin entschieden, dass unter einen Oberbegriff nur solche Waren oder Dienstleistungen erfasst werden, die von dessen Wortsinn erfasst werden, und nicht etwa die gesamte alphabetische Liste, die für den entsprechenden Oberbegriff zu der Nizza-Klasse gehört.
Im heutigen Fall stand jedoch das Erfordernis der Klarheit und Eindeutigkeit im Fokus. Denn die Rechtsprechung sieht vor, dass der Markenanmelder die Waren und Dienstleistungen, für die Markenschutz begehrt werde, so klar und eindeutig angeben müsse, dass es den zuständigen Behörden und Dritten möglich ist, den Umfang des von der Marke gewährten Schutzes festzustellen (Urteil des EuGH von 2012, C‑307/10).
Klarheit und Eindeutigkeit für Oberbegriff erforderlich?
SkyKick hatte geltend gemacht, das Erfordernis der Klarheit und Eindeutigkeit der Waren und Dienstleistungen, für die eine Marke eingetragen worden sei, an das Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit angeknüpft werden könne.
Der EuGH wies diesen Einwand zurück. Dies gelte nur für Zeichen, die eine Marke darstellen könne, nicht aber für Begriffe wie aus dem vorliegenden Fall wie die Bezeichnung der Waren und Dienstleistungen Computersoftware, erläuterte das Gericht. Zwar kann die mangelnde Klarheit und Genauigkeit der Darstellung des Zeichens ein Nichtigkeitsgrund sein (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 (und der Richtlinie 2008/95)). Doch dies ist nicht der Fall, wenn es um die Spezifikation der Waren und Dienstleistungen geht.
Verstoß gegen öffentliche Ordnung?
SkyKick brachte zudem den Einwand vor, eine Marke, die nicht dem Erfordernis der Klarheit und Genauigkeit entspricht, gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Der EuGH wies dies heute jedoch zurück. Der Begriff „öffentliche Ordnung“ (gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 40/94 und von Art. 3 Abs. 1 Buchst. f der Ersten Richtlinie 89/104) könne nicht so verstanden werden kann, dass er sich auf Merkmale der Anmeldung einer Marke beziehe, urteilte der EuGH – übrigens anders als der Generalanwalt zu dem vorliegenden Fall – , und also auch nicht auf die Klarheit und Eindeutigkeit der Begriffe einer Markenanmeldung.
EuGH stützt Markenanmelder mit allgemeinem Oberbegriff
Weder in Art. 3 der Ersten Richtlinie 89/104 noch in den oben genannten Bestimmungen der Verordnung Nr. 40/94 finden sich unter den in ihnen aufgeführten absoluten Nichtigkeitsgründe in Bezug auf eine Gemeinschaftsmarke die mangelnde Klarheit und Eindeutigkeit der Begriffe.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die mangelnde Klarheit und Eindeutigkeit von Oberbegriffen nicht als Grund für die Ungültigkeit bzw. Nichtigkeit der betroffenen nationalen Marke oder Gemeinschaftsmarke im Sinne von Art. 3 der Ersten Richtlinie 89/104 oder der Art. 7 und 51 der Verordnung Nr. 40/94 angesehen werden könne, urteilte der EuGH.
Das Gericht fügte hinzu, dass eine solche Bezeichnung, der es an Klarheit und Eindeutigkeit mangelt, nur für die Waren und Dienstleistungen schutzfähig ist, für die sie ernsthaft benutzt worden ist. In diesem Kontext verwies das Gericht auf die Pflicht zur Benutzung einer Marke, demnach eine Marke für verfallen erklärt wird, wenn sie 5 Jahre lang nicht benutzt wurde. Im Übrigen muss die tatsächliche Benutzung der Marke innerhalb der letzten 5 Jahre so erfolgen, dass sie der Hauptfunktion der Marke entspricht.
Im übrigen ergänzte der EuGH, Art. 51 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 und Art. 13 der Ersten Richtlinie 89/104 sei dahin auszulegen, dass die Marke dann, wenn der Nichtigkeits- bzw. Ungültigkeitsgrund nur einige der in der Anmeldung bezeichneten Waren oder Dienstleistungen betrifft, nur für diese Waren oder Dienstleistungen für nichtig bzw. ungültig zu erklären ist.
Bösgläubigkeit durch nicht benutzte Waren und Dienstleistungen?
Auch der Aspekt der Bösgläubigkeit wurde in diesem Fall diskutiert. Denn indem der Oberbegriff Computersoftware auch Arten von Software galt, für Sky keine Software zur Verfügung stellten konnte, hatte Sky überhaupt die Absicht, die Marke für diesen Zweck zu benutzen?
Der EuGH erkannte dennoch keine Bösgläubigkeit in der der Markenanmeldung unter dem Oberbegriff Computersoftware. Bösgläubigkeit könne nicht auf der Grundlage der bloßen Feststellung angenommen werden, dass der Anmelder bei der Anmeldung keinen Geschäftsbereich hatte, der den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen entsprach, erläuterte das Gericht.
Allerdings könne die Eintragung einer Marke, ohne dass der Anmelder die Absicht hat, sie für die von der Eintragung erfassten Waren und Dienstleistungen zu benutzen, Bösgläubigkeit darstellen, führte der EuGH aus, wenn der Anmelder die Absicht hatte, entweder Drittinteressen zu schaden oder sich ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken zu verschaffen (wenn die Anmeldung der Marke im Hinblick auf die Ziele der Verordnung Nr. 40/94 und der Ersten Richtlinie 89/104 nicht gerechtfertigt ist).
Fall Computersoftware international beachtet
Dieser Fall Computersoftware wurde auch mit großem Interesse in den EU Mitgliedstaaten verfolgt. Die ungarische, die französische, die polnische und die slowakische Regierung machten geltend, dass der Begriff „Software“ nicht zu allgemein sei und keine Waren bezeichne, die für die Identifizierung der von der Eintragung betroffenen Waren und Dienstleistungen zu unterschiedlich seien.
Die Regierungen des UK, Frankreichs, Ungarns, Polens, der Slowakei und Finnlands wiesen außerdem darauf hin, dass es nirgendwo in der Gesetzgebung eine ausdrückliche Forderung gibt, dass die Spezifikation von Waren und Dienstleistungen klar und präzise sein muss.
Das heutige Urteil bestätigt diese Sichtweise. Es stehe den EU-Mitgliedstaaten frei, eigene Bestimmungen des nationalen Rechts anzuwenden, beispielsweise eine Erklärung einer Markenanmelders zu verlangen, dass diese für die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen benutzt werden oder dass er die redliche Absicht hat, sie zu benutzen.
Möchten auch Sie Ihre Marke oder ihren Markennamen schützen?
Unsere Anwälte beraten Sie gerne. Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt zu uns auf – wir freuen uns auf Ihren Anruf!
Quellen:
Urteil Computersoftware des EuGH, EU:C:2020:45
Bild:
Schreiben Sie einen Kommentar