Der BGH hat bereits 2000 mit einem Grundsatzurteil zu missbräuchlichem Ausschließlichkeitsrecht nach MarkenG entschieden: Im Fall Classe E gegen die Mercedes Marke E-Klasse ging es um Vorratsmarken, Benutzungswillen und Zweckrichtung einer Markenanmeldung.
BGH: Classe E versus E-Klasse
Der Sachverhalt ist schnell erzählt:
Der Beklagte meldete im November 1992 in Frankreich mit Erfolg den Begriff Classe E als Wortmarke an, u. a. auch für die Nizza-Klasse 12 „véhicules (in dt.: Fahrzeuge, Autos)“. Im April 1993 dann wurde diese Wortmarke Classe E auch international registriert als IR Marke Nr. 600 173 mit Schutzgewährung für die Schweiz und für Deutschland.
Nur kurze Zeit später, seit Mitte des Jahres 1993, begann die Klägerin DaimlerChrysler AG in der Werbung und in den Preislisten die Bezeichnung E-Klasse für ihre Mercedes Bezeichnungen zu verwenden. In französisch- und italienischsprachigen Texten nennt Daimler die E-Klasse außerdem ‚ Classe E ‚ (Nr. 92 443 670).
Nun ging alles sehr schnell: Mitte Juli informierte der Beklagte die DaimlerChrysler AG über die in Frankreich für ihn registrierte Marke. Daimler zahlte im Folgenden auch sowohl für eine Lizenz in Frankreich als auch für eine Lizenz für die Schweiz.
Im August 1993 wollte Daimler zudem diese Zeichen E-Klasse und Classe E als deutsche Marke schützen, doch die Anmeldung wurde vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) zurückgewiesen. Als Grund nannte das DPMA, dass es sich um Beschaffenheitsangaben handele und den Zeichen die Unterscheidungskraft fehle.
Zum Markenverfahren kam es, weil der Beklagte 1995 auch eine Lizenzvereinbarung für Deutschland von Daimler forderte, die Daimler jedoch verweigerte. Schließlich hatte das DPMA die Wortzeichen ja als nicht schutzfähig zurückgewiesen. Daimler wehrte sich nun und stellte am 19. Januar 1996 beim DPMA einen Antrag auf teilweise Schutzentziehung bezüglich der IR Marke (betreffend „véhicules“). Außerdem erhob sie eine Klage, mit der Daimler die Feststellung forderte, dass dem Beklagten gegen keine markenrechtlichen Ansprüche gegen Daimler zustehen.
Privatmann sicherte sich früher die Marke Classe E
Der Beklagte in diesem Fall (BGH, I ZR 93/98) ist ein in Frankreich lebender Privatmann, der sich selbst als Markendesigner bezeichnet. Als solcher hatte er ca. 50 Marken angemeldet, die er als Vorratsmarken bezeichnete, u.a. auch die Wortmarke Classe E. Das ist auch grundsätzlich zulässig, Markenagenturen und Markendesigner sollen ihren Kunden eine gewisse Auswahl an Marken anbieten können. Und auch andere Branchen, beispielsweise die Pharmabranche, legen üblicherweise Vorratsmarken an.
Zudem wurde durch das am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Markengesetz (MarkenG) das bis dahin verbindliche Erfordernis eines allgemeinen Geschäftsbetriebs aufgegeben. De facto kann seitdem grundsätzlich auch jede Privatperson Markenrechte erwerben.
Voraussetzung für einen zulässigen Markenschutz ist jedoch das Vorliegen eines generellen Benutzungswillens des Rechtsinhabers, die Marke als Unternehmenskennzeichen im geschäftlichen Verkehr selbst zu benutzen oder sie der Benutzung durch einen Dritten – über eine Lizenzerteilung oder nach einer Übertragung – zuzuführen. Ein solcher genereller Benutzungswille ist auch erforderlich für den Schutz von Vorratsmarken.
Entscheidend: der generelle Benutzungswillen
Nicht verwunderlich ist daher, dass der „generelle Benutzungswillen“ immer wieder in Markenrechtsverfahren angefochten wird, so auch im vorliegenden Fall Classe E versus E-Klasse.
Der BGH hatte entsprechend gemäß § 153 Abs. 1 MarkenG sowohl nach altem (vor dem 1. Januar 1005) als auch nach neuem Recht zu prüfen, ob dem Beklagten, dessen IR-Marke „Classe E“ vor dem 1. Januar 1995 eingetragen worden ist, Ansprüche gegen die DaimlerChrysler AG wegen Verletzung seiner Marke zustanden bzw. zustehen. Der BGH prüfte aber auch die Frage einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des markenrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts nach § 14 Abs. 1 MarkenG, denn das vorinstanzliche Berufungsgericht hatte geurteilt, der Beklagte habe missbräuchlich gehandelt und ohne Benutzungswillen.
Kurz gesagt: hatte der Beklagte den Begriff Classe E als rechtmäßige Vorratsmarke oder Hinterhaltsmarke angemeldet, um Unterlassungs- und Geldforderungen generieren zu können?
Classe E: Rechtmäßige Vorratsmarke oder Hinterhaltsmarke?
Grundsätzlich ist die Feststellung des Benutzungswillens schwierig, erläuterte der BGH zunächst, weil es sich um subjektive Vorgänge handelt. Die Rechtsprechung geht deshalb von einem generellen Benutzungswillen aus- was allerdings widerlegt werden kann, was der BGH in diesem Fall auch tat.
Der Beklagte selbst hatte die Indizien für seinen fehlenden Benutzungswillen vorgelegt, denn er hatte Schreiben einiger Unternehmen vorgelegt hat, denen er offensichtlich einen Teil seiner Marken wahllos angeboten hatte. Ein solches Verhalten entspricht nicht dem üblichen Geschäftsverkehr einer Markenagentur oder eines Markendesigners, stellte das Gericht fest. Zudem hatte der Beklagte der DaimlerChrysler AG die Marke „Classe E“ ohne Marketingkonzept, aber unter unzweideutigem Hinweis auf seine formale Markenposition zur Lizenzierung angeboten, und zwar als diese bereits selbst die Bezeichnung „E-Klasse“ schon gewählt und der Öffentlichkeit vorgestellt hatte.
Zusammen ergebe dies tatrichterliche Feststellungen des fehlenden Benutzungswillens und einer missbräuchlichen Geltendmachung seiner Rechte aus der Marke „Classe E“ durch Indizien, die nur darauf überprüfbar ist, ob sie verfahrensfehlerhaft getroffen worden sind oder ob das Berufungsgericht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Dies aber sei vorliegend nicht der Fall.
Der BGH bestätigte daher die Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Beklagte hatte ohne Benutzungswillen gehandelt und rechtsmissbräuchlich das markenrechtliche Ausschließlichkeitsrecht geltend gemacht, urteilte der BGH.
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Quellen:
BGH Urteil Classe E, I ZR 93/98
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