Das Bundesgericht der Schweiz bestätigt Löschung der Nestlé Formmarke für Nespresso-Kapseln. Es sei absolut unmöglich, eine technisch notwendige Form einzutragen, auch wenn sie sich als Marke im Verkehr durchgesetzt habe.
Markenstreit um Nespresso-Kapseln von Nestlé
Der Markenstreit um die bekannten Nespresso-Kapseln von Nestlé (Schweiz) wird bereits seit Jahren ausgetragen, u. a. auch in Deutschland. Nestlé hatte die Form der Nespresso-Kapsel bereits im Jahr 2000 als Schweizer Marke eintragen lassen (Nummer 486 889) und dehnte diesen Nespresso Markenschutz über das Madrid System der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) international aus (IR-Marke), auch in Unionsstaaten. Einen Schutzanspruch als EU Marke konnte Nestlé allerdings nicht erhalten, das EUIPO lehnte die Markeneintragung im April 2002 mit der Begründung ab, dass die Form keine Unterscheidungskraft erworben habe.
In Deutschland wurde die Markeneintragung jedoch akzeptiert, seit April 2003 standen Nespresso-Kapseln in Deutschland unter Markenschutz. Im Sommer 2014 allerdings entschied das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) die Löschung des Markenschutzes für Deutschland. Seitdem führt Nestlé in Deutschland darum einen Rechtsstreit gegen das Schweizer Unternehmen Ethical Coffee Company, bisher jedoch vergeblich. Es handele sich bei den geschützten Nespresso-Kapseln um ein Verpackungsbehältnis, das eine nur technisch bedingte Gestaltung aufweise, urteilte das Bundespatentgericht 2017.
Die Ethical Coffee Company (Schweiz) hatte eine biologisch abbaubare Kaffeekapsel mit ähnlicher Form entwickelt, die mit Nespresso-Maschinen kompatibel ist. In der Folge hatte Nestlé gegen Ethical Coffee geklagt, in Deutschland – und ebenso auch in der Schweiz.
Markenstreit Nespresso-Kapseln in der Schweiz
In der Schweiz hatte Nestlé geltend gemacht, Ethical Coffee habe durch den Vertrieb von ihren Kapseln ihre Markenrechte und das UWG verletzt (Art. 55 Abs. 1 MschG; Art. 9 Abs. 1 UWG). In einer Widerklage beantragte Ethical Coffee die Löschung der Schweizer Nespresso Marke. Die eingetragene Marke sei ungültig, da es sich hierbei um eine technisch notwendige Form im Sinne von Art. 2 lit. b. MSchG handle.
Und die Ethical Coffee Company hatte Erfolg mit ihrer Widerklage.
Das erstinstanzliche Zivilgericht des Kantons Waadt hat die Klage von Nestlé abgewiesen und die Löschung der Formmarke Nespresso-Kapseln beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) verfügt. Vor allem hätte Nestlé nicht nachgewiesen, dass sich die angeblich gemeinfreie Form als Marke im Verkehr durchgesetzt habe.
Gegen diese Entscheidung legte Nestlé Beschwerde ein, über die jetzt (7. September 2021) vom Bundesgericht der Schweiz entschieden wurde.
Das Schweizer Bundesgericht bestätigt mit seinem Urteil die Löschung der Formmarke Nespresso-Kapseln, begründete dies aber anders als die Vorinstanz, denn der absolute Ausschlussgrund ergebe sich bereits aus Art. 2 Bst. b des Schweizer Markengesetzes. Es sei absolut unmöglich, eine technisch notwendige Form einzutragen, entschied das Bundesgericht, auch wenn sie sich als Marke im Verkehr durchgesetzt habe. Der vorliegend gegebenen technischen Notwendigkeit komme Vorrang vor der Verkehrsdurchsetzung nach 2 lit. a. MSchG zu, urteilte das Schweizer Bundesgericht. Das Markenrecht trage zum reibungslosen Funktionieren des Wettbewerbs bei, so dass es gerechtfertigt sei, auch wettbewerbsrechtliche Erwägungen bei der Klärung der Frage der technischen Notwendigkeit zu berücksichtigen.
Ausdrücklich verwies das Bundesgericht auf eine ähnliche Regelung wie Art. 2 Bst. b des Schweizer Markengesetzes im Europäischen Recht (Art. 4 Abs. 1 Buchst. e/ii der EU Richtlinie 2015/2436).
Kompatibilität der Kapseln – technische Notwendigkeit?
Doch handelte es sich überhaupt um eine technische Notwendigkeit? Die Kompatibilität eines Produkts, im vorliegenden Fall die Nutzung von Kapseln Dritter in Nespresso-Kaffeemaschinen, könne die Grundlage für eine technische Notwendigkeit im Sinne von Art. 2 lit. b. MSchG darstellen, erläuterte das Bundesgericht. Eine technische Notwendigkeit liege dann vor, wenn einem Mitbewerber für ein Produkt der betreffenden Art (technisch) überhaupt keine alternative Form zur Verfügung stehe oder im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs nicht zugemutet werden könne.
Interesse der Verbraucher vorrangig
Anders ausgedrückt: Das Monopol des Inhabers der Formmarke sei nur dann zulässig, wenn den Wettbewerbern gleichwertige alternative Formen zur Verfügung stehen – ohne zusätzliche Produktionskosten. Dies sei im Übrigen auch im Interesse der Verbraucher, ergänzte das Schweizer Bundesgericht. Nespresso-Kapseln werden nur im Internet und in Nespresso-Geschäften zu einem relativ hohen Preis verkauft, erläuterte das Bundesgericht der Schweiz, während eine einfache Nespresso-Kaffeemaschine im Verhältnis nicht sehr teuer ist. In diesem Zusammenhang sollte es den Wettbewerbern freistehen, Kapseln herzustellen, die mit dem Nespresso-System kompatibel sind, sofern sie sich fair verhalten.
Die Interessen der Verbraucher überwiege auch dann, wenn der ursprüngliche Hersteller ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis praktiziere, auch dann, wenn er mit dem Verkauf des Hauptprodukts (vorliegend der Nespresso-Maschine) weniger Gewinn erziele als mit dem Zubehörprodukt, dessen Preis hoch erscheine.
Bundesgericht der Schweiz bestätigte daher das vorinstanzliche Urteil.
Ethical Coffee inzwischen insolvent und im Konkurs
Der Fall enthält noch einen weiteren interessanten Nebenaspekt: Die beiden Unternehmen von Ethical Coffee wurden inzwischen – am 12. November 2018 – für insolvent erklärt; ein Konkursverfahren über das Vermögen wurde eröffnet.
In Deutschland hatte dies Einfluss auf die Revision gegen die Entscheidung des BPatG – der BGH entschied 2019, das markenrechtliche Verfahren sei durch die Insolvenz zu unterbrechen.
In der Schweiz dagegen entschied das Waadtländer Zivilgericht die Wiederaufnahme des markenrechtlichen Verfahrens. Die Kläger hatten ein schutzwürdiges Interesse, gegen die Konkursmasse der Ethical Coffee Company SA vorzugehen, entschied das Gericht, ebenso wie diese ein Interesse daran hatte, die Ungültigkeit der Marke feststellen zu lassen.
Mit seinem Urteil wies das Bundesgericht der Schweiz jetzt die Beschwerde von Nestlé vollständig zurück (4A_61/2021) und bestätigte damit auch die Löschung der Schweizer Formmarke Nespresso-Kapseln.
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Quellen:
4A_61/2021 07.09.2021 – Schweizerisches Bundesgericht (bger.ch)
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