Grundsätzlich setzt die Aussetzung von Verletzungsverfahren die Vorgreiflichkeit der Entscheidung im parallelen Löschungsverfahren voraus – und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke. Doch wie wahrscheinlich muss es sein?
Vorgreiflichkeit – die Voraussetzung für die Aussetzung von Verletzungsverfahren bei anhängigen Löschungsverfahren – kommt nur dann in Betracht, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke im registerrechtlichen Verfahren besteht, gilt nach Rechtsprechung des BGH. Wie wahrscheinlich die Löschung der Marke jedoch sein muss, ist in der Rechtsliteratur noch umstritten. Eine Leitsatzentscheidung des OLG Frankfurt leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.
Mehrfache Verletzungsverfahren und Widerklagen
Im dem Fall „Ledare“ vor dem OLG Frankfurt (6 W 126/20) ging es um mehrfache Verletzungsverfahren und Widerklagen um Wortmarken für Leuchtmittel. Die Klägerin klagte auf Löschung gegen eine deutsche Marke sowie gegen eine Unionsmarke und IR-Marke der Beklagten. Als Nichtigkeitsgründe wurden geltend gemacht: bösgläubige Markenanmeldung, fehlende Unterscheidungskraft sowie die eine beschreibende Beschaffenheitsangabe und der gebräuchlich gewordenen Bezeichnung nach Art. 7 Abs. 1 UMV (Unionsmarkenverordnung (UMV)).
Die Beklagte wiederum hatte mit einer Widerklage reagiert. Zum einen stellte sie ihrerseits Löschungsanträge gegen die Klagemarke (und berief sich dabei auf die gleichen Nichtigkeitsgründe, die die Klägerin geltend gemacht hatte). Außerdem richtete die Beklagte eine Klage gegen die Löschung und die Nichtigerklärung der Schutzerstreckung auf die EU und forderte – und stellte einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Klägerin.
Mit Beschluss vom Oktober 2020 setzte das mit diesem Fall befasste LG Frankfurt den Rechtsstreit aus – bis zur Entscheidung des deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) über die anhängigen Löschungsverfahren gegen die Klagemarken. Das Landgericht verwies dabei auf § 148 ZBO.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin (und Inhaberin der Klagemarken) Beschwerde ein, die vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) entschieden wurde, und zwar als eine Leitsatzentscheidung zur Aussetzung im Verletzungsverfahren um Marken in Hinblick auf anhängige Löschungsverfahren.
Das OLG Frankfurt bestätigte der Klägerin den Erfolg ihrer Beschwerde und hob die vorinstanzliche Entscheidung des LG Frankfurt auf. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung im Verletzungsverfahren nach § 148 ZPO lagen nicht vor, urteilte das OLG, und das LG Frankfurt habe den Rechtsstreit auch ohne ihm zustehenden Ermessens ausgesetzt.
Aussetzung im Verletzungsverfahren: § 148 ZPO
Grundsätzlich setzt die Aussetzung des Verletzungsverfahrens nach § 148 ZPO die Vorgreiflichkeit der Entscheidung im parallelen Rechtsbestandsverfahren voraus. Dies wurde in der BGH Rechtsprechung bereits präzisiert: eine Verfahrensaussetzung nach § 148 ZPO (im Hinblick auf ein anhängiges Löschungsverfahren) kommt demnach bei dessen Vorgreiflichkeit nur dann in Betracht, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke im registerrechtlichen Verfahren besteht. Denn nur dann wäre die mit der Aussetzung verbundene Prozessverzögerung gerechtfertigt.
Leitsatzentscheidung: Aussetzung im Verletzungsverfahren
An diese Rechtsprechung knüpfte das OLG Frankfurt an und formulierte dazu eine differenzierende Leitsatzentscheidung in Bezug auf den erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit.
Für die Löschung der Marke im registerrechtlichen Verfahren muss demnach eine hohe Wahrscheinlichkeit vorliegen, das OLG fordert „eher hohe Erfolgsaussichten“ in Bezug auf die Löschungsgründe.
Es gelte:
„Eine Vorgreiflichkeit des Löschungsverfahrens für den Verletzungsrechtsstreit kann nur dann vorliegen, wenn nicht der Rechtsstreit auch ohne die Entscheidung über den Bestand der Marke entscheidungsreif ist, weshalb das erstinstanzliche Gericht dies prüfen muss.“
(Satz 1 der Leitsatzentscheidung das OLG Frankfurt)
Anders ist die Situation, wenn als Löschungsgrund eine böswillige Markenanmeldung geltend gemacht wird. In einem solchen Fall, präzisierte das OLG in seiner Leitsatzentscheidung, sind an die Erfolgsaussichten geringer Anforderungen zu stellen.
„Der auf § 4 Nr. 4 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)) gestützte Anspruch auf Löschung einer Marke wegen bösgläubiger Markenanmeldung ist grundsätzlich unabhängig von der Löschungsreife nach § 8 Abs. 2 Nr. 13 MarkenG. Ein Verletzungsrechtsstreit kann daher nicht im Hinblick auf ein anhängigen Löschungsverfahren ausgesetzt werden.“
(Satz 4 der Leitsatzentscheidung des OLG Frankfurt)
Wahrscheinlichkeit für Löschung nicht pauschal einzuschätzen
Das Landgericht Frankfurt habe deswegen nicht den tatbestandlichen Voraussetzungen der Aussetzung entsprochen, weil es in seinem Beschluss ohne nähere Begründung ausgeführt hatte, die Klage- und auch die Widerklageanträge seien von vorne herein als unbegründet oder als unzulässig anzusehen, erläuterte das OLG. Auf keinen Fall können die Erfolgsaussichten des Löschungsantrags pauschal eingeschätzt werden.
Auch eine Ermessensentscheidung halte einer rechtlichen Prüfung nicht stand, urteilte das OLG, denn es wurde keine ausreichende Begründung gegeben. Nur mit – auf den Einzelfall bezogenen – ausreichenden Erwägungen sei die Richtigkeit einer Ermessensentscheidung nachvollziehbar.
Parallele Ansprüche aus Markenverletzung und böswilliger Markenanmeldung
Zudem sei die Aussetzungsentscheidung im Hinblick auf den mit der Widerklage gestellten Löschungsantrag der Klagemarke wegen bösgläubiger Markenanmeldung unrechtmäßig, urteilte das OLG, da es bereits an der Vorgreiflichkeit des Löschungsverfahrens fehle. Denn die parallele Existenz des markenrechtlichen und des lauterkeitsrechtlichen Löschungsanspruchs wegen missbräuchlicher Markenanmeldung bewirke, dass das Zivilgericht eine eigenständige lauterkeitsrechtliche Prüfung vorzunehmen habe, erläuterte das Gericht. Die markenrechtliche Entscheidung des Patentamts habe keine präjudizielle Wirkung für die lauterkeitsrechtliche Prüfung durch das Zivilgericht und sei damit nicht vorgreiflich. Ein Verletzungsrechtsstreit kann daher nicht im Hinblick auf ein anhängigen Löschungsverfahren ausgesetzt werden.
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Quellen:
Urteil des OLG Frankfurt ‚Aussetzung von Markenverletzungsverfahren‘ , 6 W 126/20
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