Ob ein Beschwerdeverfahren ausgesetzt werden soll, ist vor der Prüfung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr zu prüfen, urteilte der EuG zur Aussetzung des Verfahrens; Parallelverfahren sind zu dabei berücksichtigen. Es geht um die älteren bekannten Bildmarken von Mastercard und mögliche Verwechslungsgefahr mit zahlreichen jüngeren Bildmarken im Bereich Currency und Währung.
Aussetzung des Verfahrens
In einem umfangreichen Markenstreit und Beschwerdeverfahren um die älteren bekannten Bildmarken von Mastercard und zahlreichen jüngeren Bildmarken im Bereich Currency und Währung hat der EuG zur Aussetzung des Verfahrens und auch in Bezug auf Parallelverfahren geurteilt.
Die Prüfung der Frage, ob ein Beschwerdeverfahren ausgesetzt werden soll, ist vor der Prüfung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr durchzuführen, urteilte der EuG. Trotz weitem Ermessensspielraum zur Aussetzung des Verfahrens müsse die Beschwerdekammer Parallelverfahren berücksichtigen.
Sachverhalt
Der Kläger Cinkciarz erhob im Wesentlichen die Klage, dass die Beschwerdekammer das Beschwerdeverfahren hätte aussetzen müssen, denn sie berücksichtigte relevante Parallelverfahren und empfahl der Widerspruchsabteilung die Aussetzung des Verfahrens. In dem umfangreichen Markenstreit um die älteren bekannten Bildmarken von Mastercard (USA) und zahlreiche jüngeren Bildmarken im Bereich Currency und Währung von Cinkciarz (Polen) kam es zu mehreren Parallelverfahren um Nichtigkeit oder Verwechslungsgefahr der Marken.
Die Beschwerdekammer entschied in allen angefochtenen Entscheidungen, die fraglichen Zeichen auf der Grundlage der Mastercard EU-Marke zu vergleichen, die zwei schwarze und weiße Kreise darstellt – die jedoch in zwei Parallelverfahren Gegenstand von Anträgen auf Nichtigerklärung war. Nur in einem Verfahren beschloss die Beschwerdekammer, ihre Analyse auf die EU-Marke zu stützen, die zwei rote und orangefarbene Kreise darstellte. In allen Entscheidungen wurde im Übrigen festgestellt, dass die verglichenen Zeichen bildlich nur wenig ähnlich seien.
Dann verwies die Beschwerdekammer, nachdem sie die Entscheidungen der Widerspruchsabteilung aufgehoben hatte, die Fälle an sie zurück, um die erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marken zu prüfen. Dabei gab sie jedoch die Empfehlung an die Widerspruchsabteilung zur Aussetzung der Verfahren. Das Widerspruchsverfahren sei bis zu einer endgültigen, rechtsverbindlichen Entscheidung über die Gültigkeit der älteren Rechte auszusetzen. Auch in Bezug auf die Bildmarke €$ sei das Parallelverfahren abzuwarten bzw. zu berücksichtigen, in dem es um die Ablehnung der Eintragung der reinen Bildmarke €$ wegen fehlender Unterscheidungskraft ging.
Kläger Cinkciarz ergänzte, dass die Beschwerdekammer ihre endgültige Entscheidung, das Verfahren nicht auszusetzen, nicht begründet habe, obwohl sie diese Aussetzung des Verfahrens für gerechtfertigt gehalten habe – wie an der Empfehlung an die Widerspruchsabteilung zu sehen ist.
Die EUIPO machte geltend, dass sich die Beschwerdekammer darauf beschränkt habe, nur Empfehlungen für die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens zu geben. Der erste Klagegrund betreffe zudem Absätze der angefochtenen Entscheidungen, die für die Widerspruchsabteilung nicht bindend sind. Außerdem sei die Nichtaussetzung des Verfahrens vor der Beschwerdekammer die Interessen des Markenanmelders nicht beeinträchtigt worden.
Fraglich war auch, ob die Rechtsprechung zu Art. 71 Abs. 1 der Delegierten Verordnung Nr. 2018/625 die Beschwerdekammer von der Pflicht auf Aussetzung des Verfahrens entbindet, selbst wenn eine Aussetzung angebracht wäre.
Weites Ermessen für die Beschwerdekammer
Der EuG bestätigte, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 71 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2018/625 ein weites Ermessen für die Beschwerdekammer ergibt bei der Entscheidung, ob sie das laufende Verfahren aussetzt oder nicht. Das Bestehen von Parallelverfahren, deren Ausgang sich auf das Beschwerdeverfahren auswirken kann, führe nicht zu einer automatischen Aussetzung des Beschwerdeverfahrens, führte der EuG aus. Dennoch bestehe richterliche Kontrolle in der Sache um sicherzustellen, dass kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt.
Dabei sei festzustellen, dass die Beschwerdekammer bei der Interessenabwägung prima facie u.a. die Wahrscheinlichkeit zu beurteilen hat, dass das potenziell relevante Parallelverfahren zu einer Entscheidung führt, die sich auf das Beschwerdeverfahren auswirken würde. Besteht jedoch Ungewissheit über den Ausgang eines parallelen Verfahrens, sei die Einleitung eines Widerspruchsverfahrens, ohne den Ausgang des parallelen Verfahrens abzuwarten, für den Inhaber der älteren Marke grundsätzlich nicht von Vorteil.
Insoweit begeht die Beschwerdekammer einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, wenn sie ihre Schlussfolgerung in Bezug auf die Interessenabwägung auf eine fehlerhafte rechtliche Würdigung der Tatsachen oder auf ungenaue Tatsachen stützt oder nicht alle relevanten Aspekte der Situation der Beteiligten berücksichtigt, erläuterte der EuG.
Aussetzung des Verfahrens muss zuerst geprüft werden
Die Prüfung der Frage, ob das Beschwerdeverfahren ausgesetzt werden soll, ist entsprechend zuerst durchzuführen, vor der Prüfung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr. Folglich hat die Beschwerdekammer, wenn sie es für angebracht hält, das Verfahren auszusetzen, keine andere Möglichkeit, als es auszusetzen, und kann daher die Beschwerde nicht prüfen, auch nicht teilweise.
Ein Widerspruch gegen eine ältere Marke, die zur Stützung eines Widerspruchs geltend gemacht wird, verliert zudem im Laufe des Verfahrens seine Gültigkeit, so dass dieser Widerspruch gegenstandslos wird.
Daher gab der EuG der Klage statt und hob 12 der angefochtenen Entscheidungen der Beschwerdekammer auf.
Im Einzelnen sind dies die Rechtssachen R 1062/2018-2, R 1059/2018-2, R 1058/2018-2, R 1057/2018-2, R 1056/2018-2, R 1060/2018-2, R 1055/2018-2, R 1054/2018-2, R 1053/2018-2, R 986/2018-2, R 1063/2018-2 und R 1064/2018-2. Zudem werden die Rechtssachen T-84/19 und T-88/19 bis T-98/19 für die Zwecke des Urteils verbunden, urteilte der EuG.
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Quellen:
Urteil des EuG ‚Mastercard und Aussetzung des Verfahrens‘, EU:T:2020:231
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