Ein Patent von Clariant auf die biozide Zusammensetzung für Antibiotika, das seit 2016 widerrufen war für die Patentansprüche 1 bis 5, bleibt weiterhin widerrufen. Clariants Beschwerde gegen den Widerruf blieb vor dem BPatG ohne Erfolg.
Das Streitpatent mit der Bezeichnung „Antimikrobielle Zusammensetzungen“ (Nr. 10 2007 009 450) von Clariant wurde im Juni 2016 durch das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) widerrufen in Bezug auf die Patentansprüche 1 bis 5. Der Widerruf des Patents wurde im Wesentlichen durch die Entgegenhaltung einer bereits bekannten Lehre begründet und die dadurch fehlende Neuheit.
Sowohl das Patent von Clariant als auch die entscheidende Entgegenhaltung E3 (WO 2007/026004 A2 der deutschen Thor GmbH, Hersteller und Lieferant für Biozide, Flammschutzmittel und Additive für Kosmetikprodukte sowie Spezialchemie) beschreiben eine biozide Zusammensetzung mit einer Silberverbindung, und zwar die Zusammensetzung der zwei Komponenten 1,2-Benzisothiazolin-3-on (= BIT) und Silber.
Das DPMA hatte in seinem Beschluss zum Widerruf festgestellt, die E3 offenbare eine biozide Zusammensetzung mit zumindest 1,2-Benzisothiazolin-3-on und Silber in Form einer Silberverbindung auch in einer Zusammenfassung, die nur diese beiden Wirkkomponenten umfasse. Zudem lehre die E3, dass licht- und verfärbungsempfindliches Silberchlorid in stabilisierter Präparation auf Titandioxid-Trägermaterial eingesetzt werde. Damit seien sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 aus E3 unmittelbar und eindeutig offenbart.
Biozide Zusammensetzung: welche Merkmale begründen Neuheit?
Clariant klagte gegen diesen Beschluss und argumentierte, die streitpatentgemäße Zusammensetzung sei – zumindest in der Fassung des Hilfsantrags – gegenüber E3 neu.
Im Detail nannte Clariant folgende Merkmale, die der Patentanspruch des Streitpatents im Unterschied zu E3 enthalte, zum Teil als zusätzliche Merkmale gemäß Hilfsantrag:
- die streitpatentgemäße Lehre, dass der Trägerstoff eine Teilchengröße von weniger als 25 mm aufweise; der E3 könnten zudem keine Angaben zur Teilchengröße des Trägermaterials entnommen werden
- die beanspruchte Kombination von 1,2-Benzisothiazolin-3-on und einer Silberverbindung (die auf einem oxidischen Träger, wie im Patentanspruch 1 definiert, adsorbiert sei)
- die streitpatentgemäße Lehre, da darin die Bestandteile getrennt in die Farbe eingebracht worden seien, weshalb die Konzentrationen der Bestandteile unter 0,1 Gew.-% lägen
Da die Patentabteilung die erfinderische Tätigkeit in ihrem Beschluss nicht geprüft habe, müsse die Sache bei Relevanz dieser Frage zudem an das DPMA zurückverwiesen werden, forderte Clariant.
BPatG wies die Clariant Beschwerde zurück
Die Beschwerde hatte vor dem Bundespatentgericht (BPatG) keinen Erfolg (14 W (pat) 21/16).
Entgegen der Ansicht von Clariant lehre die E3 auch die Kombination von BIT und einer Silberverbindung auf einem Träger in einer Zusammensetzung gemäß der Merkmale 3.1 bis 3.4 und 4.1, erläuterte das Gericht. Die biozide Zusammensetzung mit den beiden Wirkstoffen BIT und Silber sei unmittelbar und eindeutig in den Patentansprüchen 1 bis 3 als zentrale Lehre der E3 offenbart.
Außerdem nenne E3 explizit sowohl die Silberverbindung Silberchlorid als auch dessen stabilisierte Präparation auf Titandioxid-Trägermaterial in allgemeiner Form.
Auch Clariants Argument, dass im Beispiel 1 der E3 keine streitpatentgemäße Zusammensetzung aus den beiden bioziden Wirkstoffen hergestellt werde, sondern die Einzelkomponenten nur getrennt in die Testfarbe eingebracht würden, führe zu keiner anderen Beurteilung, ergänzte das BPatG. Denn das Beispiel 1 diene lediglich dem Nachweis der Wirksamkeit verschiedener Kombinationen von bioziden Wirkstoffen. Alle weiteren Beispiele weisen jedoch Zusammensetzungen mit zwei bioziden Komponenten im Sinne des Streitpatents auf, stellte das Gericht fest.
Produkt JMAC® LP 10 und Teilchengröße des Trägermaterials
In der E3 wird als einziges Ausführungsbeispiel für eine Silberverbindung auf einem Trägermaterial die Silberchlorid-Präparation auf Titandioxid-Trägermaterial in dem Produkt JMAC® LP 10 offenbart. Dabei handelt es sich um dasselbe Produkt, das auch das Streitpatent als Beispiel für eine geträgerte Silberverbindung aufzeigt.
Diese Tatsache fiel zu Ungunsten von Clariant aus. Da das Streitpatent dieses Produkt ausdrücklich als erfindungsgemäß einsetzbar benennt, erfülle es damit auch die im Merkmal 3.5 beanspruchte Bedingung der Teilchengröße des Trägermaterials von weniger als 25 mm, urteilte das BPatG.
Denn wendet man die Lehre der E3 mit dem beispielhaft aufgezeigten Silberchlorid-haltigen Produkt JMAC® LP 10 an, erläuterte das Gericht, könne ein Fachmann die Teilchengröße des Trägermaterials gemäß Merkmal 3.5 unmittelbar als Merkmal der bioziden Zusammensetzung der E3 entnehmen.
Das BPatG bestätigte daher den Beschluss des DPMA von 2016 und wies die Beschwerde von Clariant zurück. Zudem kam die von den Parteien beantragte Zurückverweisung an das DPMA nicht in Betracht, der Senat konnte selbst abschließend in der Sache entscheiden. Denn durch das Urteil wurde die fehlende Neuheit bestätigt, eine Prüfung der Erfinderischen Tätigkeit ist daher nicht relevant und entfällt.
Wichtig: Zeitige Patentanmeldung und Patentrecherche
Der Fall zeigt im Übrigen auch wieder einmal, wie wichtig eine rechtzeitige Patentanmeldung ist und auch die vor- und nachfolgende Patentrecherche. Denn die Druckschrift E3 wurde zwar erst am 8. März 2007 veröffentlicht und damit erst nach dem Anmeldetag des Streitpatents von Clariant, dem 27. Februar 2007. Doch E3 war bereits vor der Veröffentlichung am 31. August 2006 unter Benennung der Bundesrepublik Deutschland als Bestimmungsstaat angemeldet worden und stellte damit – auch von Clariant unbestritten – den Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 dar – entscheidend für die Prüfung der Neuheit.
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Quellen:
Urteil des BPatG, 14 W (pat) 21/16
Bild:
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