Der EuG erläuterte im Verfahren um Nichtigkeit des älteren EU Geschmacksmusters „Schrank“ die Anforderungen an den Nachweis für die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters. Beweise müssen objektiv belegen, dass und auch wann das ältere Geschmacksmuster öffentlich gemacht wurde.
In dem Verfahren um Nichtigkeit eines älteren Gemeinschaftsgeschmacksmusters erläuterte das Europäische Gericht (EuG) die Anforderungen an den Nachweis für die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters. Denn nur wenn das ältere Geschmacksmuster öffentlich zugänglich gemacht wurde, kann das ältere Geschmacksmuster zurecht Schutz beanspruchen (gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002). Zudem ist erforderlich, dass die geltend gemachten Offenbarungsvorgänge des älteren Geschmacksmusters den Fachkreisen des betreffenden Sektors vernünftigerweise bekannt sein hätten können.
Hintergrund des Falls
Konkret ging es in diesem Verfahren um die Anmeldung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Streithelferin, die Fabryki Mebli „Forte“ S.A. (Polen), das ein Möbelstück darstellt, einen weißen Schrank. Gegen die Eintragung dieses Gemeinschaftsgeschmacksmusters legte die Klägerin, Bog-Fran sp. z o.o. sp.k (Polen), einen Antrag auf Nichtigkeit ein.
Die Nichtigkeitsabteilung gab diesem Antrag im Dezember 2017 statt mit der Begründung, dass das angefochtene Geschmacksmuster nicht die erforderliche Eigenart aufweise (nach Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002). Gegen diese Entscheidung legte die Streithelferin Beschwerde ein und stellte die Rechtmäßigkeit der Nichtigerklärung in Frage. Diese Beschwerde war erfolgreich, die Beschwerdekammer hob im Januar 2019 die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung mit der Begründung auf, dass das ältere Geschmacksmuster der Öffentlichkeit nicht gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 zugänglich gemacht worden sei.
Offenbarung des älteren Geschmacksmusters: Überprüfung vor dem EuG
Vor dem EuG wurde daher gestern überprüft, ob das ältere Geschmacksmuster der Klägerin korrekt öffentlich zugänglich gemacht wurde. Relevant dabei waren die vorgelegten Unterlagen der Klägerin für den erforderlichen Nachweis der Offenbarung und auch der richtige Zeitraum für diesen Nachweis. Denn die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters muss vor dem Anmelde- oder Prioritätstag des angefochtenen Geschmacksmusters stattgefunden haben und zudem nicht innerhalb der 12-Monatsfrist vor dem Anmeldetag des angefochtenen Geschmacksmusters.
Der Zeitraum für die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters war vorliegend unstrittig. Der Nachweis für die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters hatte Bezug zum Jahr 2008, die Anmeldung des angefochtenen Geschmacksmusters erfolgte am aber erst am 17. September 2013.
Nachweis für die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters
Strittig war hingegen der vorgelegte Nachweis für die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters. Die Klägerin hatte drei Rechnungen, datiert aus dem Jahr 2008, sowie Katalogseiten aus einem Katalog von 2008 vorgelegt. Doch nur eine der Rechnungen nahm Bezug auf den Produktcode des Möbelstücks, bei dem das ältere Geschmacksmuster verwendet wurde. Diese Rechnung wurde an einen Großhändler der Klägerin gerichtet.
Die Streithelferin machte entsprechend geltend, dass dies kein ausreichender Nachweis für die Offenbarung sei, vor allem nicht im geschäftlichen Verkehr. Denn nach der Rechtsprechung muss die Partei, die eine Offenbarung bestreitet (vorliegend die Streithelferin), rechtlich hinreichend nachweisen, dass die Umstände des Falles vernünftigerweise verhindern könnten, dass der Nachweis der Offenbarung den Fachkreisen des betreffenden Sektors im normalen Geschäftsverlauf bekannt wurde.
Das Gericht wies diesen Einwand zurück. Die Beschwerdekammer habe im Wesentlichen zu Recht festgestellt, dass die Verkaufsrechnung belege, dass das ältere Geschmacksmuster im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 im geschäftlichen Verkehr benutzt wurde, urteilte der EuG. Zweifel der EUIPO an der Unabhängigkeit der Klägerin in Bezug auf die tatsächliche Zahlungsverpflichtung des Rechnungsempfängers (da es sich um einen Großhändler der Klägerin handelte) seien nicht begründet, entschied das Gericht.
Nachweis erfordert solide und objektive Beweise
Das Gericht betonte, dass nur solide und objektive Beweise für die tatsächliche Offenbarung des älteren Geschmacksmusters als erforderlicher Nachweis angesehen werden, ein solcher sei die vorgelegte Rechnung.
Weniger einfach war jedoch die Beurteilung des zweiten Nachweises, Katalogseiten aus einem Katalog von 2008. Die Streithelferin hatte geltend gemacht, dass eine Katalogseite nicht objektiv beweise, ob und erst recht nicht, wann dieser Katalog ausgeliefert und wirklich öffentlich gemacht wurde. Der EuG räumte ein, dass dies tatsächlich nicht objektiv bewiesen sei. Die Beschwerdekammer habe zu Recht festgestellt, dass die Klägerin nicht mit Sicherheit nachgewiesen hat, dass dieser Katalog vor dem Anmeldetag des angefochtenen Geschmacksmusters veröffentlicht oder verteilt wurde.
Der Druck von 25 000 Exemplaren eines Katalogs lasse jedoch vermuten, führte das Gericht aus, dass dieser Druck im Hinblick auf die Verteilung dieses Katalogs erfolgte. Der EuG ergänzte, auch wenn der vorgelegte Katalogauszug allein nicht ausreiche als erforderlicher Nachweis, könne er dennoch zum Nachweis der Offenbarung des älteren Geschmacksmusters beitragen.
Die Verordnung (EG) Nr. 2245/2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 6/2002 enthalte im Übrigen keine Einzelheiten zu den Nachweisen und auch keine obligatorische Form des Nachweises für die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters. Insbesondere verlange Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe b) Ziffer v) der Verordnung Nr. 2245/2002 lediglich, dass ein Antrag auf Nichtigkeit Unterlagen zum Nachweis der früheren Offenbarung des älteren Geschmacksmusters enthalten muss, erläuterte das Gericht.
EuG hebt angefochtene Entscheidung auf
Da die Klägerin im vorliegenden Fall den Wahrheitsgehalt der die Offenbarung des älteren Geschmacksmusters darstellenden Ereignisse nachgewiesen hat, hätte die Beschwerdekammer davon ausgehen müssen, dass dieses Geschmacksmuster zugänglich gemacht wurde – und zwar bevor sie gegebenenfalls das Vorbringen der Streithelferin prüfte, wonach die die fragliche Offenbarung darstellenden Ereignisse den Fachkreisen des betreffenden Sektors nicht bekannt seien.
Stattdessen habe die Beschwerdekammer die vorgelegten Beweismittel fehlerhaft gewürdigt, stellte der EuG fest. Aus diesem Grund sei die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Zudem könne das Gericht weder beurteilen, ob die von der Klägerin geltend gemachten Offenbarungsvorgänge den Fachkreisen des betreffenden Sektors vernünftigerweise nicht hätten bekannt sein können, noch die Eigenart des angefochtenen Geschmacksmusters – denn zu beiden hatte die Beschwerdekammer keine Stellung genommen.
Folglich wies der EuG den Antrag der Klägerin zurück, dem Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des angefochtenen Geschmacksmusters stattzugeben. Lediglich die nachweisliche Offenbarung des älteren Geschmacksmusters wurde durch das Urteil bestätigt.
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Quellen:
Urteil des EuG Offenbarung des älteren Geschmacksmusters, EU:T:2020:77
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