Ist das Legostein Design schutzfähig? Das EUIPO sagte „Nein“, doch diese Entscheidung hob das Europäische Gericht jetzt auf. Im Kern steht die Frage, ob ein Legostein trotz technischer Merkmale als Design geschützt sein kann wegen seiner modularen Bauweise.
Lego führt weltweit Gerichtverfahren gegen Nachahmungen des berühmten Legosteins. Denn natürlich ist der Legostein in mehrfacher Hinsicht von dessen Erfinder und Hersteller Lego A/S (Dänemark) geschützt und eben auch als Design.
So steht das Legostein Design u. a. seit Februar 2010 unter Schutz als Community Design (Nr. 1664368‑0006), also als Europäisches geschütztes Design. Doch 2016 stellte die Streithelferin, die Delta Sport Handelskontor GmbH, einen Antrag auf Nichtigerklärung des Legostein Design. Sie argumentierte, ein Legostein sei nur durch technische Merkmale in seiner Gestaltung bestimmt und könne daher nicht als Design geschützt werden.
Die Klägerin hatte damit Erfolg vor der Beschwerdekammer des EUIPO (Europäisches Amt für Marken-, Design – und Urheberrecht). Die Beschwerdekammer erklärte das Legostein Design für nichtig. Sie stellte im Wesentlichen fest, dass alle Erscheinungsmerkmale des von dem angefochtenen Geschmacksmuster betroffenen Erzeugnisses ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt seien, nämlich den Zusammenbau mit und die Demontage von den übrigen Bausteinen des Sets zu ermöglichen – also eine modulare Bauweise.
Lego klagte vor dem EuG
Hier setzte Lego in seiner Klage gegen diese Entscheidung an. Lego machte geltend, das der berühmte Legostein – trotz technischer Merkmale – als Design geschützt sein kann wegen seiner modularen Bauweise. Zudem habe die Beschwerdekammer ein wichtiges Merkmal eines Legosteins nicht berücksichtigt (die besonders glatte Oberfläche zwischen den Noppen), die keineswegs ein technisches Merkmal sei.
EUIPO berücksichtigte nicht alle Merkmale
Um dies richtig einzuordnen, ist ein Blick in die relevante EU Verordnung nötig, nämlich Art. 8 der EU Verordnung Nr. 6/2002. Laut Abs. 1 ist demnach kein Designschutz möglich für ein Produkt mit ausschließlich technischen Merkmalen; darauf begründete sich die Entscheidung der Beschwerdekammer. Wichtig ist hier das Wort „ausschließlich“.
Das Europäische Gericht beurteilte dabei überhaupt nicht, ob die glatte Oberfläche zwischen den Noppen ein technisches Merkmal darstellt oder nicht (die glatten Seiten hätten eine ausschließlich technische Funktion, wenn sie den Bau verschiedener Figuren ermöglichten, was bei Vorhandensein zusätzlicher Noppen nicht möglich wäre).
Das Gericht stellte stattdessen fest, dass das EUIPO die glatte Oberfläche in seiner Begründung hätte mit aufnehmen müssen, da alle Merkmale ausschließlich technisch sein müssen für eine Nichtigkeitserklärung nach Art. 8 Abs. 1. Doch die glatte Oberfläche wurde nicht in der Begründung genannt.
In diesem Klagepunkt gab der EuG Klägerin Lego vollständig recht.
Auch in Hinblick auf die modulare Bauweise urteilte der EuG über den Einwand von Klägerin Lego – und dies ist auch über den Legostein hinaus wichtig für alle Hersteller in modularer Bauweise.
Designschutz für Produkt in modularer Bauweise?
Denn Lego konnte sich ebenfalls erfolgreich berufen auf Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002. Dieser wichtige Absatz räumt Designschutz für Produkte in modularer Bauweise ein, wörtlich heißt es dort:
„Ungeachtet des Absatzes 2 besteht ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster unter den in den Artikeln 5 und 6 festgelegten Voraussetzungen an einem Geschmacksmuster, das dem Zweck dient, den Zusammenbau oder die Verbindung einer Vielzahl von untereinander austauschbaren Erzeugnissen innerhalb eines modularen Systems zu ermöglichen.“
Es stelle sich jedoch die Frage, in welchem Stadium des Verwaltungsverfahrens sich der Inhaber eines angefochtenen Geschmacksmusters auf die Vergünstigung des Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 berufen kann, und insbesondere, ob er dies erstmals vor der Beschwerdekammer tun kann, führte der EuG dazu aus und legte dazu auch gleich die Antwort vor.
Die Beschwerdekammer habe zu prüfen, ob das angefochtene Geschmacksmuster die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 erfüllt, urteilte der EuG. Eine solche Pflicht zur Prüfung bestehe auch dann, wenn Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 6/2002 vom Inhaber des angefochtenen Geschmacksmusters erstmals vor der Beschwerdekammer geltend gemacht wird, erläuterte der EuG. Und keineswegs hänge eine solche Prüfung von der Absicht des Antragstellers auf Nichtigerklärung ab.
Die Beschwerdekammer aber hatte die Option einer Ausnahme für den Designschutz trotz technischer Merkmale gemäß Art. 8 Abs. 3 nicht geprüft. Auch in diesem Klagepunkt gab der EuG Klägerin Lego recht.
Daher hob das Gericht die Entscheidung der Beschwerdekammer des EUIPO auf – ein wichtiger Etappensieg für Lego für den Designschutz des Legosteins.
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Quellen:
Urteil des EuG zum Design des Legostein, EU:T:2021:155
Bild:
Branco Smedic meint
Guten Tag
Danke für den Artikel. Ich bin kein IP-Profi;-) Trotzdem haben mich folgende Punkte beschäftigt.
Auf welche Legosteine bezieht sich das? Das Schutzrecht Design ist ja zeitlich begrenzt. Nach der maximalen Ausnutzung der Frist kann jeder den Legostein nachmachen. Oder nicht? Und künftige Steine können je nur geschützt werden, wenn sie eine neue Form haben. Korrekt?
Danke für Ihre Antwort.
Katja Wulff meint
Guten Tag,
wir freuen uns über Ihr Interesse an unserem Artikel.
Zur besseren Erklärung, auf welches Design von LEGO sich das Urteil bezieht, haben wir unseren Beitrag um eine Original Abbildung aus dem EuG Urteil ergänzt.
Grundsätzlich gilt Designschutz immer für das, was bei einer Schutzanmeldung dargestellt wurde.
Und ja, das Schutzrecht eines Designs ist begrenzt; es gilt zunächst für 5 Jahre und kann dann – durch weitere Zahlung von Jahresgebühren an die Ämter – bis maximal 25 Jahre verlängert werden.
Kann LEGO also diesen Designschutz langfristig aufrechterhalten, würde er bis in die 2030er Jahre gelten.
Und ja, Sie haben recht, erst nach Ablauf der Frist kann jeder einen Legostein nachmachen. Und bis dahin müssen sich alternative Baustein Formen von dem geschützten Design unterscheiden.
Mit freundlichem Gruß
das Team der Meyer-Dulheuer MD Legal Patentanwälte PartG mbB