Welche Anforderungen sind an die Anmeldung eines Geschmacksmusters zu stellen, damit das EUIPO den Anmeldetag anerkennt? Wann ist die Darstellung eines Geschmacksmusters hinreichend eindeutig? Der EuGH hat in dieser wichtigen Frage entschieden und sprach ein finales Urteil im Fall Mast-Jägermeister versus EUIPO.
Reicht nach Wortlaut der zugehörigen Verordnung eine „zur Reproduktion geeigneten Wiedergabe“ als rein technische Anforderung aus, oder muss die Darstellung eines Geschmackmusters auch inhaltlich unmissverständlich sein? Ein langer Disput zwischen der Klägerin Mast-Jägermeister SE und dem Amt für geistiges Eigentum der Europäischen Union (EUIPO) wurde am Donnerstag durch ein Urteil des EuGH final entschieden. Der EuGH wies den Widerspruch von Mast-Jägermeister SE zurück und wies die Klage insgesamt ab. Mast-Jägermeister SE verliert damit einen langjährigen Rechtsstreit. In der Sache bedeutet dies: die Darstellung eines Geschmackmusters muss unmissverständlich und klar sein.
Der Sachverhalt
Am 17. April 2015 reichte Mast-Jägermeister SE beim Amt für geistiges Eigentum der Europäischen Union (EUIPO) Anträge auf Eintragung von Gemeinschaftsgeschmacksmustern ein. Diese beiden Gemeinschaftsgeschmacksmusteranmeldungen sind „Becher“ der Klasse 07. Eingereicht wurden dazu aber Darstellungen, auf denen Becher und auch die bekannten Flaschen des von Jägermeister hergestellten alkoholischen Getränks gezeigt wurden. Daraufhin und noch am selben Tag (17. April 2015) teilte der Prüfer des EUIPO der Klägerin mit, dass für die oben in fraglichen Geschmacksmuster die Angabe des Erzeugnisses „Becher“, für die der Schutz beansprucht werde, nicht den eingereichten Wiedergaben entspreche, da diese auch Flaschen zeigten. Er schlug vor, den beiden Geschmacksmustern die Angabe „Flaschen“ in Klasse 09 hinzuzufügen.
Jägermeister wiederum teilte daraufhin mit, dass Schutz für gezeigten Flaschen nicht beantragt werde, und wollte stattdessen die Erzeugnisangabe folgendermaßen präzisieren: „Trinkbecher als Aufnahmebehälter für eine zugehörige Flasche“ – denn eine solche Angabe sei auch für die Klasse 7 zutreffend.
Daraufhin entstand ein reger Austausch zwischen Klägerin und dem EUIPO, bei dem insgesamt vier Prüfberichte vom 14. April bis zum 31. August 2015 entstanden. Alle enthielten den gleichen Hinweis des EUIPO: die Wiedergabe des Geschmacksmusters sei wegen der abgebildeten Flaschen nicht hinreichend eindeutig. Mit Entscheidung vom 31. August 2015 lehnte das EUIPO die gewünschte Eintragung der Gemeinschaftsgeschmackmuster ab.
Gegen diese Entscheidung legte Jägermeister Widerspruch ein, der sowohl von der Beschwerdekammer als auch von dem Gericht der Europäischen Union (EuG) (T:2017:68) im letzten Jahr zurückgewiesen wurde.
Argumentation der Klägerin Mast-Jägermeister
Nun wurde vor dem EuGH dieser langjährige Streit final entschieden. Mit nur einem einzigen Rechtsmittelgrund machte Mast-Jägermeister geltend, dass die Zuerkennung eines Anmeldetags allein von einer Prüfung der Wiedergabe des Geschmacksmusters auf ihre physische Eignung zur Reproduktion abhänge (Art. 36 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 6/2002 und Verordnung Nr. 2245/2002). Nicht aber erstrecke sich Art. 36 Abs. 1 Buchst. c auch auf Ungenauigkeiten oder eine fehlende Klarheit hinsichtlich des Schutzgegenstands des angemeldeten Geschmacksmusters. Art. 4 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 2245/2002 beziehe sich auf die Qualität der Wiedergabe, nicht aber auf deren Inhalt. Und die Qualität werde erfüllt, da die eingereichten Wiedergaben die Geschmacksmuster vor einem neutralen Hintergrund zeigten.
Das finale Urteil des EuGH
Dem widersprach die zuständige Generalanwältin in ihrem Schlussantrag. Eine Wiedergabe setze quasi voraus, dass das Wiederzugebene einen klaren, unmissverständlichen Schutzgegenstand zeige. Eine ungenaue Anmeldung würde das Risiko eines überschießenden Prioritätsschutzes für ein Geschmacksmuster begründen, dessen Schutzgegenstand nicht klar erkennbar wäre. Der EuGH bestätigte dies in seinem Urteil.
Die Generalanwältin bemerkte außerdem an, dass es bisher noch keine ausreichende Rechtsprechung gebe zu der eigentlichen Frage dieses Falls: welche Anforderungen sind an die Anmeldung eines Geschmacksmusters zu stellen, damit das Europäische Amt für geistiges Eigentum den Anmeldetag anerkennt?
Der Anmeldetag ist insofern von entscheidender Bedeutung, als durch ihn ein Prioritätsrecht entsteht (gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 6/2002), ein Prioritätsrecht von sechs Monaten nach Einreichung der ersten Anmeldung. Dies gilt unabhängig von dem späteren Verlauf und Erfolg bzw. Misserfolg der Anmeldung.
Anforderungen sind an die Anmeldung eines Geschmacksmusters
Der EuGH präzisierte nun in seinem Urteil:
- Die Bestandteile, die ein Geschmacksmuster ausmachen, müssen klar und eindeutig erkennbar sein.
- Das Erfordernis der grafischen Wiedergabe dient dabei u. a. dazu, das Geschmacksmuster selbst festzulegen, um den genauen Gegenstand des Schutzes zu bestimmen, den das eingetragene Geschmacksmuster seinem Inhaber gewährt.
- Andere Wirtschaftsteilnehmer müssen klar und eindeutig in Erfahrung bringen können, welche Eintragungen oder Anmeldungen ihre gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerber veranlasst haben.
- Die Darstellung muss von einer Qualität sein, die alle Einzelheiten, für die Schutz beansprucht wird, klar erkennen lässt.
Darüber hinaus weist der EuGH darauf hin, dass durch etwaige Berichtigung der Anmeldung die Darstellung des Geschmacksmusters nicht verändert werden darf. Dies bedeute aber zwangsläufig, dass die Anmeldung, bevor ihr ein Anmeldetag zuerkannt werden könne, eine Wiedergabe enthalten müsse, die den Gegenstand klar erkennen lässt, für den Schutz beansprucht wird.
Fazit
Durch die schnelle Rückmeldung des Prüfers des EUIPO hätte Mast-Jägermeister SE den gewünschten Gemeinschaftsgeschmackmuster die Angabe „Flaschen“ in Klasse 09 hinzuzufügen können und letztlich sogar den gleichen Anmeldetag und Beginn der Priorität sowohl für die Becher als auch für die Flaschen erreicht. Da es noch keine ausreichende Rechtsprechung zu Anforderungen an die Darstellung einer Designanmeldung gab, geriet dieser Disput zu einer langjährigen und am Ende für Jägermeister sehr kostspieligen Auseinandersetzung. Es ist gut, dass in dieser Frage nun Klarheit vorliegt.
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Quelle:
Curia Europe: EU:C:2018:534 Mast-Jägermeister vs. EUIPO
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